Bozen – Wie ein schwebender Flügel schmiegt sich die Pixelfassade an einen sechsstöckigen Turm, der sich 35 Meter über den Brixner Talkessel erhebt. Nicht nur die Formensprache des künftigen Unternehmenssitzes der Firma Durst Phototechnik AG ist spektakulär. Auch die Eckdaten sind es. Die überbaute Gesamtfläche beträgt 21.388 Quadratmeter, für den Neubau werden 5.000 Kubikmeter Beton, 430.000 Kilogramm Stahl und 2.600 Quadratmeter Glasflächen verwendet. In einer Pressemitteilung zum Spatenstich am 26. Mai wurde klargemacht, was es mit dem neuen Firmensitz auf sich hat: Er soll nicht weniger als das „Aushängeschild und Symbol für die Internationalisierung“ des Südtiroler Herstellers von digitalen Produktionstechnologien sein. „Mit dem Neubau wollen wir ein Zeichen setzen, das in vielerlei Hinsicht zu verstehen ist“, so Verwaltungsrat und Juniorchef Harald Oberrauch. „Einmal tragen wir damit den Standorten Südtirol und Brixen Rechnung, wo wir auf eine gute Konjunktur, auf tolle Mitarbeiter und auf Vertrauen vonseiten der Politik bauen können. Zum anderen spielt natürlich neben der Funktionalität auch die Innovation eine Rolle, die wir als modernes Unternehmen mit dem neuen Firmensitz widerspiegeln wollen. Mit einem solchen Bau heben wir uns von Mitkonkurrenten auf dem Markt ganz einfach ab. Das schätzen auch unsere Kunden“, erklärt Oberrauch. Wieso aber gleich derart groß und leuchtturmartig? „Wenn wir schon bauen, dann etwas Gescheites. Wir wollen für die Ewigkeit bauen.“
Für die Ewigkeit bauen. Blickt man sich in Südtirol um, so scheint dieser Gedanke im wahrsten Sinne des Wortes Konjunktur zu haben. Überall im Land bauen mittelständische und international tätige Unternehmen derzeit an auffälligen Firmensitzen, haben solche bereits realisiert oder haben entsprechende Pläne in der Schublade liegen. So entsteht nur einen Steinwurf vom Durst-Gebäude, etwas südlicher der Brixner Industriezone gelegen, das neue Duka-Firmengebäude, über das diese Zeitung bereits ausführlich berichtet hat (siehe SWZ 03/17 vom 20. Januar 2017, nachzulesen auf SWZonline oder in der SWZapp). In Burgstall hat Dr. Schär vor Kurzem seinen luftigen neuen Unternehmenssitz eröffnet. In der Bozner Schlachthofstraße hat die Firma Markas im Mai den Grundstein für den neuen Firmensitz gelegt, der ab Ende 2018 in einer eindrucksvollen Glas-Stahl-Konstruktion auf zehn Stockwerken nicht nur 220 Mitarbeitern Platz bieten, sondern auch eine Cafeteria, einen Fitnessraum und eine Dachterrasse mit bestem Blick auf die Stadt beherbergen soll. Auch Bergmilch Südtirol hat kürzlich den Verwaltungssitz schick erneuert. Der Baustoffhändler Röfix will demnächst einen spektakulären Neubau realisieren.
Wer etwas zurückblickt, erkennt: ganz neu ist der Trend nicht. Auch der Salewa-Hauptsitz, das Forstgebäude in Algund, die Unternehmenssitze der Holzbauer Rothoblaas in Kurtatsch und Lignoalp in Brixen oder der Sitz der Whiskey-Destillerie Puni in Glurns zeugen von einer innovativen Architektur, die alles andere als unauffällig daherkommt. Was steckt hinter dem neuen unternehmerischen Selbstbewusstsein, wenn es um den Neubau des Firmensitzes geht?
„Uns ging es ganz sicher nicht darum, nur einen Prunkbau mit Pling-Pling hinzustellen. Uns ging es bei dem neuen Gebäude in erster Linie um Funktionalität und um ein Bekenntnis zu unseren Mitarbeitern und zum Standort Bozen“, so Christoph Kasslatter, Firmenchef von Markas. Rund 20 Millionen Euro kostet der neue Unternehmenssitz des Facility-Dienstleisters, der gleich neben dem bisherigen Standort 40 Meter in die Höhe ragen wird. „Obwohl unsere Unternehmensberater uns geraten haben, dass Betriebe in unserer Größenordnung besser etwas anmieten sollten, statt neu zu bauen, haben wir uns als Familienunternehmen, das vorausdenkt, entschieden, neu zu bauen. Wir haben uns dabei gefragt, wie wir mit einem gewissen Budget nachhaltig das Optimale herausholen können.“ Damit dies gelingt, hat Markas einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Das Siegerprojekt eines Studios aus Innsbruck brachte die Ansprüche des Bozner Unternehmens am besten zu Papier, erklärt der Markas-Firmenchef: „Wir bauen ein Gebäude, das auf dem modernsten Stand der Technik ist und das von innen nach außen gewachsen ist. Dass es nebenbei auffällig und schön ist, ist sozusagen ein positiver Nebeneffekt.“
Wieso aktuell in Südtirol ein gewisser Trend zu besonders auffälligen und attraktiven neuen Unternehmenssitzen festzustellen ist, liegt laut Kasslatter auch daran, dass sich das technische Know-how am Bau stark entwickelt hat. Mit einem vergleichbaren Budget könne man heutzutage dank neuer Materialien sowie dank der Digitalisierung Bauwerke viel besser durchplanen und optimieren und somit schließlich „schöner“ bauen. „Wir haben in der Ausschreibung festgelegt, dass alle Entwürfe auf Basis der Software Building Information Modeling, kurz BIM genannt, begutachtet werden können. Diese Software ermöglicht es, dass ich schon vorab virtuell und dreidimensional das Gebäude bis in den letzten Winkel begehen und erkunden kann“, so Kasslatter.
Eines ist vielen Neubauten gemeinsam: die Gebäude spielen mit der Tätigkeit und der Philosophie des Unternehmens. Von ihrer Formensprache her sind die Betriebssitze nicht mehr nur graue Verwaltungs- oder Produktionssitze, sondern gigantische Corporate-Identity-Bilder: die blauen Kristalle beim Bergsporthersteller Salewa, das Pixelmuster bei der im Digitalbereich operierenden Durst, der geschwungene Holzkubus bei Lignoalp, die Wassertropfen-Hülle beim Brunecker Duschkabinenhersteller Provex oder die Schaumkrone in der Fassade des Sudhauses der Brauerei Forst. In diese Liste einreihen wird sich ab 2019 auch der Baustoffhändler Röfix. Am neuen Firmensitz auf der Töll, zu denen das Unternehmen aufgrund laufender Genehmigungsverfahren noch kein Bildmaterial präsentieren will, soll besonders eine abwechslungsreiche Fassade einen Blickfang darstellen. „Über die verschiedenen Verputze und Oberflächen am neuen Unternehmenssitz, über Formen und Körnigkeit, Struktur und Farben soll eine Referenz für unsere Tätigkeit entstehen“, meint Norbert Knaup, Marketingverantwortlicher bei Röfix.
Besonders deutlich wird die Formensprache auch beim Salewa-Headquarter im Bozner Süden. Vor sechs Jahren gebaut, schafft es der überdimensionale, blau schimmernde Bergkristall noch immer in internationale Architekturzeitschriften. „Die Einfachheit des Bergsteigens mit der zeitgenössischen Architektur verbinden“, lautete die Vorgabe von Firmenchef Heiner Oberrauch für den Bau des Salewa-Gebäudes samt anschließender Kletterhalle. „Natürlich sind die Formen und die Ästhetik für uns als Unternehmen wichtig. Wir haben sogar immer wieder Anfragen von Personen, die bei uns arbeiten wollen, weil sie auf das Gebäude und dann auf das Unternehmen aufmerksam geworden sind.“ Auch bei der neuen Vertriebsvereinbarung mit dem Sportartikelhersteller Under Armour habe der Betriebssitz eine nicht unwesentliche Rolle gespielt.“ Laut Oberrauch würden sich die 15 bis 20 Prozent Mehrkosten für eine ansprechende Architektur deshalb auf jeden Fall bezahlt machen. Allerdings gelte es, behutsam vorzugehen. „Wir Unternehmen haben eine große öffentliche Verantwortung. Die Frage des Bauens ist heikel und der Grat zwischen gelungener Architektur und Kitsch mitunter schmal.“ Am liebsten wäre Oberrauch deshalb gar kein oberirdischer Leuchtturm, sondern ein grüner Bau in einem Hügel gewesen, der Lager und Magazine komplett in seinem Bauch verborgen hätte. Aufgrund des hohen Grundwasserspiegels in Bozen sei diese Variante aber nicht realisierbar gewesen. „Unternehmensarchitektur muss auch Grund sparen. Im Moment ist es für mich deshalb unverständlich, wieso auf unterirdische Unternehmensbauten wieder eine Gewerbeimmobiliensteuer bezahlt werden muss. Unterirdisches Bauen müsste für die Unternehmen viel attraktiver gemacht werden“, so Oberrauch.
Unterirdische Unternehmenssitze für Südtirol? Im Moment zeigt der Trend eindeutig nach oben. Dass es auch anders geht, wenn der Platz und das nötige Kleingeld da sind, zeigt im Moment übrigens Apple. Der Software-Riese aus dem Silicon Valley hat im Februar dieses Jahres in Cupertino seinen neuen Hauptsitz eröffnet. Drei von sieben Stockwerken des aus Glas geschwungenen Ringes, der einem Raumschiff gleicht, liegen unter der Erde. „Ziemlich cool“ nannte Apple-Gründer Steve Jobs kurz vor seinem Tod im Oktober 2011 das futuristische Konstrukt. Und er legte die Messlatte hoch: Das neue Gebäude für 12.000 Mitarbeiter solle bei seiner Fertigstellung nicht weniger als das „beste Bürogebäude der Welt“ sein.















