Bozen/Rom – Das Südtiroler Autonomiestatut von 1972 wurde im Jahr 1992 als durchgeführt erklärt. Aber seither herrscht keineswegs Stillstand, denn im Lauf der Zeit ergeben sich neue Erfordernisse: Klarstellungen, Ergänzungen und Erweiterungen hat es gegeben, aber auch Einschränkungen. Seit Abgabe der Streitbeilegungserklärung wurden nicht weniger als 75 Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut erlassen. Bei jeder der vielen Regierungsbildungen hat die SVP im Zuge der Vertrauensabstimmungen in Kammer und Senat ihre Haltung auch davon abhängig gemacht, ob die neue Regierung als grundsätzlich autonomiefreundlich galt oder ob davon ausgegangen werden konnte, dass sie gleichgültig bis ablehnend sein werde. Auch wurde zuweilen abgewartet, ob und wie sich der beauftragte Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung zu Südtirol äußern werde.
Ein Blick auf die (vergangenen) Taten der Regierungen seit 1992 zeigt , dass sich Fortschritte und Stillstand immer schon abgewechselt haben – bis herauf zu Mario Draghi, der zwar von der SVP geschätzt wurde, unter dem aber in Sachen Autonomie so gut wie nichts weitergegangen ist.
Ein Blick auf die (vergangenen) Taten der Regierungen seit 1992 zeigt indes, dass sich Fortschritte und Stillstand immer schon abgewechselt haben – bis herauf zu Mario Draghi, der zwar von der SVP geschätzt wurde, unter dem aber in Sachen Autonomie so gut wie nichts weitergegangen ist – genauso wie unter der technischen Regierung von Mario Monti vom Herbst 2011 bis zum Frühjahr 2013. Die Konzentration auf die Rettung Italiens lässt offensichtlich keinen Platz für Südtiroler Wünsche, aber auch keine Zeit, der Autonomie ans Bein zu pinkeln.
Goldene Zeiten mit Prodi
Eine Goldenes Zeitalter für Südtirol war die Regierung Prodi I kurz vor der Jahrtausendwende. Sie hat die Durchführungsbestimmungen auf den Weg gebracht, mit denen 1998 die Verwaltung der Staatsstraßen und der Lehrer:innen an das Land delegiert wurde. Das sind mit wenigen anderen die größten Fische, die Südtirol abseits des Autonomiestatuts an Land ziehen konnte, darunter die Übertragung der Zuständigkeiten für die großen Wasserableitungen und damit für die Stromproduktion. Die nachfolgenden diesbezüglichen Weichenstellungen, die in der Zeit von Luis Durnwalder vorgenommen worden sind, werden angesichts der heutigen Strompreise immer lauter kritisch hinterfragt.
Was in Rom auf das angesprochene Goldene Zeitalter folgte, war eine von der Regierung Amato initiierte Verfassungsreform, die 2001 per Referendum angenommen wurde. Deren Auswirkungen scheinen von der SVP unterschätzt worden zu sein. Dabei erhielt Südtirol mit ihr zwar neue Kompetenzen, bestehende Zuständigkeiten wurden jedoch beschnitten und später nur teilweise durch Durchführungsbestimmungen wieder hergestellt. In Südtirol stimmten 85 Prozent der Wahlberechtigten für die Änderungen, auch aufgrund der Empfehlungen der Mehrheitspartei.
In der Legislaturperiode 2013-2018 konnte Südtirol in Rom sehr viel erreichen. Unter den Regierungen Gentiloni, Renzi und Letta war die Sammelpartei im Parlament zuweilen das Zünglein an der Waage.
Die Regierungen Berlusconi waren keine gute Zeit für die Südtiroler Autonomie, denn sie setzten andere Prioritäten. Immerhin wurde in der Zeit der Exekutive Berlusconi IV im Jahr 2009 mit dem Mailänder Abkommen eine neue, für Südtirol sehr vorteilhafte Finanzregelung getroffen, die dem Land 90 Prozent der Steuereinnahmen sichert. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet von der Wirtschaftskrise und deren Bewältigung, so dass Südtiroler Anliegen kaum auf die Tagesordnung kamen. Dann folgte eine Legislatur (2013 bis 2018), während der Südtirol in Rom sehr viel erreichen konnte. 2012 gingen die SVP und der PD von Pier Luigi Bersani ein Wahlbündnis ein – und unter den folgenden Regierungen Gentiloni, Renzi und Letta war die Sammelpartei im Parlament zuweilen das Zünglein an der Waage. Senator Karl Zeller hat bei seinem Ausscheiden aus der römischen Politik im Jahr 2018 stolz darauf verwiesen, dass es in dieser Zeit gelungen ist, 20 Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut zu verabschieden, darunter jene zum Einzelhandel in Gewerbegebieten (Südtirol kann seither einen eigenen Weg gehen), zum Nationalpark Stilfser Joch, zu der Verkehrsregelung auf den Passstraßen, zum Gerichtspersonal, zu den öffentlichen Verträgen (da sind die Südtiroler Spielräume aber begrenzt) oder auch zur Zweisprachigkeit von Notaren. Ebenfalls 2014 wurde eine Änderung des Autonomiestatuts erreicht, mit der Südtirol die Zuständigkeit für die Festlegung der Gemeindesteuern, insbesondere der GIS, erhielt. Keinen Durchbruch gab es bei der Regelung der Orts- und Flurnamen, in Sachen Übertragung der Steueragenturen und bezüglich Wolfs- und Bärenmanagement. Weniger erfreulich waren die 2014 unter Matteo Renzi vorgenommenen Eingriffe in die Finanzregelung, laut der Südtirol jedes Jahr eine umfangreiche Summe als Beitrag zu den Zinszahlungen des Staates aus dessen Gesamtverschuldung leisten muss.
Stillstand unter Draghi
In der letzten Legislaturperiode herrschte in Sachen Autonomie weitgehend Stillstand. In der Zeit der Regierungen Conte I und Conte II zuerst und anschließend Draghi konnte autonomiepolitisch wenig bewegt werden: Immerhin: Mit seinen PNRR-Projekten konnte Südtirol punkten.
Und jetzt Giorgia Meloni. Ein Ja zur wahrscheinlichen Exekutive von Giorgia Meloni von Seiten der Volkspartei ist aufgrund der stramm nationalen Haltung der Fratelli d’Italia weitgehend auszuschließen, eine Stimmenthaltung eher unwahrscheinlich, es sei denn, sie würde freundliche Grüße in Richtung Südtirol senden. Es wird wohl ein Nein geben – verbunden mit der Ankündigung, man werde die Neue an ihren zukünftigen Taten messen. Dabei geht es mit Blick auf Südtirol wohl mehr ums Bewahren des Erreichten als ums Entwickeln von Neuem. Aber Rom hat derzeit viele Sorgen und hoffentlich kein Interesse, sich mit Südtirol anzulegen.