Der Vorwurf steht im Raum: In Südtirol waren in den letzten Jahren so einige Chefs am Werk, die kein Vorsichtsprinzip gelten lassen. Sie haben einfach darauf vertraut, dass sich der Aufschwung weitgehend linear fortsetzt, dass es keine Rückschläge geben und es gelingen wird, die aufgenommenen Kredite und Darlehen zurückzuzahlen. Auch die Banken, die teilweise in der letzten Krise leidvolle Erfahrungen gemacht haben und Lehrgeld bezahlen mussten, haben fest damit gerechnet, dass ihre Bewertungen zutreffen und die Rückzahlfähigkeit gegeben ist. Jetzt stellt sich heraus, dass manche Kalkulation eine Fehleinschätzung war.
Selbst schuld, könnte man sagen, muss allerdings im selben Atemzug anfügen, dass diese Lage geradezu heraufbeschworen worden ist, und zwar von Entscheidungsträgern, die in Frankfurt, Rom und auch in Bozen sitzen. Italien hat in den letzten Jahrzehnten nur eine Losung ausgegeben: Ja nicht sparen, sondern Geld leihen und investieren. Das galt für den Staat, der sich laufend stärker verschuldet hat, aber auch für die Unternehmen. Die Bildung von Rücklagen für zukünftige Investitionen wurde steuerlich nie ausreichend begünstigt (siehe dazu auch den gesonderten Beitrag auf dieser Seite), im Gegenteil: So manche Betriebsinhaber handelten nach dem Prinzip, dass nur vom Fiskus verschont wird, wer Schulden macht.
Dazu kommt die Geld- und Zinspolitik der EZB, die jedes Zurücklegen von Kapital für zukünftige Investitionen bestraft. Wer keine Zinsen für Einlagen kriegt und kaum Zinsen für Ausleihungen zahlt, wird dazu animiert, die Flucht nach vorne anzutreten. Auch die Geschäftsbanken sind Opfer dieser Politik. Sie müssen für Einlagen bei der Notenbank Strafzinsen zahlen. Auf der anderen Seite bekommen sie von dieser reichlich zinsfreies Geld, verbunden mit der Aufforderung, es zu verleihen, damit investiert wird und die Wirtschaft wachsen kann. Taten sie das zögerlich, wurden sie mit Vorwürfen bedacht, die sich mit dem Begriff Kreditklemme zusammenfassen lassen. Dazu kommt in Südtirol, dass zuletzt besonders Hoteliers auch deshalb riskante Investitionen getätigt haben, weil sie befürchten mussten, das Recht auf Aus- und Neubauten würde eingeschränkt, so dass die Branche nach der Devise „Jetzt oder nie“ handelte.
Eines ist allerdings sicher: Auch wer bei Investitionen Vorsicht walten lässt, rechnet mit einer insgesamt positiven Entwicklung und nur mit verkraftbaren zwischenzeitlichen Rückschlägen. Umsatzeinbußen in dem Ausmaß, wie sie Pessimisten jetzt befürchten, brächten auch Unternehmen mit einem soliden Eigenkapital in arge Nöte.