An der Bozner Goetheschule wird es keine eigene Klasse für Schüler:innen geben, welche die deutsche Unterrichtssprache nicht oder nur äußerst mangelhaft beherrschen. Die Direktorin wurde von den obersten Schulbehörden zurückgepfiffen. Sie haben mit Unterstützung von Landesrat Philipp Achhammer und unter Verweis auf die Rechtslage sowie auf sprachwissenschaftliche und –pädagogische Erkenntnisse durchgesetzt, dass es keine Sonderklasse gibt, in der vor allem Deutsch gelernt wird. Die Kinder werden auf die anderen Klassen aufgeteilt, denn die Inklusion sei nicht bloß gesetzlich vorgeschrieben, sondern zeitige auch die besseren Resultate.
Wo der Hase im Pfeffer liegt
An und für sich wäre es widersinnig, die Erkenntnisse der auf Studien beruhenden Fachleute in den Wind zu schlagen. Allerdings bauen diese auf die Annahme oder die Tatsache, dass die betreffenden Schüler:innen aus italienischen oder ausländischen Familien zwar Defizite in der Unterrichtssprache haben, aber solide Grundkenntnisse vorhanden sind, die es ihnen erlauben, zumindest viel von dem zu verstehen, was das in der Klasse gesprochen wird. In diesem Fall können sie sicher mit individueller Unterstützung durch zusätzliche Lehrkräfte gute Fortschritte erzielen, und die Qualität des Unterrichts leidet nicht.
Wäre es nicht vernünftiger, diesen Schülerinnen und Schülern ein Jahr intensiven Sprachunterricht zu geben und sie dann auf die Normalklassen aufzuteilen?
Aber gerade hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Kinder, die die Sonderklasse besuchen sollten, können nach Sachdarstellung der Direktorin, die sich auf die Aussagen der Eltern beruft, kein (oder so gut wie kein) Deutsch. Wie sollen sie dem Unterricht folgen? Wie rechnen und schreiben lernen, wenn sie keine Erklärung und keine Anweisung verstehen können? Wäre es nicht vernünftiger, diesen Schülerinnen und Schülern ein Jahr intensiven Sprachunterricht zu geben und sie dann auf die Normalklassen aufzuteilen? Genau das tut man – wie an dieser Stelle erwähnt – in Österreich, allerdings aufgrund eines anerkannten Sprachtests. Aber unsere obersten Schulverantwortlichen meinen wohl, anderswo wende man mittelalterliche Methoden an, und nur Italien samt Südtirol sei sprachpädagogisch auf der Höhe der Zeit.
Inkludiert, aber frustriert!
Man muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass in Klassen mit zu vielen Schülerinnen und Schülern ohne oder nur mit rudimentären Sprachkenntnissen kein guter Unterricht möglich ist, und das für alle Beteiligten. In Südtirol kommt es sogar in Berufsschulen vor, dass plötzlich jemand in der Klasse sitzt, der oder die kein Wort Deutsch, kein Wort Italienisch und kein Wort Englisch spricht. Was soll man so einem jungen Menschen beibringen? Inkludiert, aber frustriert! Ohne Grundkenntnisse der Unterrichtssprache (und wir sprechen hier nicht von Defiziten!) geht gar nichts, und der zig-fache Einsatz von zusätzlichen Lehrkräften ist da wenig hilfreich, sondern nur teuer. Auch die bestehenden (Sprach-)Unterrichtsmodelle bringen da nicht wirklich weiter.
Wenn es die Rechtslage ist, die in Ausnahmesituationen Sonderlösungen im Wege steht, muss man darangehen, diese zu ändern – in Rom und in Bozen.
Wenn es die Rechtslage ist, die in Ausnahmesituationen Sonderlösungen im Wege steht, muss man darangehen, diese zu ändern – in Rom und in Bozen. Das Inklusionsgesetz wurde in erster Linie mit Blick auf verschiedene Handicaps gemacht, deren Träger:innen eingebunden und gefördert werden sollen, Handicaps, die jedoch weiterhin bestehen. Mangelnde Sprachkenntnisse dagegen können bei gezielten Maßnahmen dauerhaft abgestellt werden.