Bozen – Im Turm der Pfarrkirche von Deutschnofen wurde in den letzten Wochen ein neuer Glockenstuhl aus Holz eingesetzt. Gekostet hat das gesamte Bauvorhaben laut Bernhard Daum, dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates (und Bürgermeister) an die 600.000 Euro. Finanziert worden ist es mit Beiträgen der italienischen Bischofskonferenz (130.000 Euro) und der Gemeinde (vorläufig 150.000 Euro) sowie durch Spenden der Bevölkerung (am Ende könnten es bis zu 100.000 Euro sein). Gehofft wird auch auf die Unterstützung der Stiftung Sparkasse und der örtlichen Raiffeisenkasse. Den verbleibenden Restbetrag muss die Pfarre nach und nach zurückzahlen.
Bisher ist es jedoch immer gelungen, eine ausreichende Finanzierung auf die Beine zu stellen. Aber wird das so bleiben?
Investitionen wie jene in Deutschnofen wurden in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr viele vorgenommen, bald in ein neues Schindeldach, bald in Maler- und Restaurierungsarbeiten, bald in eine neue Kirchenheizung oder eine neue Orgel. Die Erhaltung der vielen ständig genutzten Gotteshäuser im Land (sicher über 300 in 281 Pfarreien) ist teuer. Bisher ist es jedoch immer gelungen, eine ausreichende Finanzierung auf die Beine zu stellen. Aber wird das so bleiben? Werden die notwendigen Mittel auch in 20 Jahren noch bereitgestellt? Ein Blick ins Ausland weckt Zweifel.
Kirchen in Deutschland müssen verkaufen
Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche in Deutschland sehen sich seit Jahren mit massenhaften Kirchenaustritten konfrontiert, zumal sich die Menschen enttäuscht abwenden (etwa wegen der Missbrauchsskandale) oder ganz einfach Steuern sparen wollen, denn die Kirchensteuer dort macht je nach Bundesland acht oder neun Prozent der Steuerschuld aus. Wegen der Einnahmenausfälle müssen die Kirchen bis 2060 etwa ein Drittel ihrer etwa 120.000 Immobilien verkaufen, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf ein gemeinsames Positionspapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und des katholischen Verbands der Diözesen Deutschlands (VDD) berichtet hat. Veräußert werden vor allem verwaiste Pfarrhäuser, aber auch Gemeindezentren. Nicht unangetastet bleiben jedoch auch Kirchengebäude, die profaniert (entweiht) und einer anderen Nutzung zugeführt oder aber abgerissen werden sollen, um die Gründe anderweitig zu verwenden. Einer baulichen Umgestaltung stehen die Denkmalschutzbindungen im Wege (80 Prozent der Sakralbauten in Deutschland sind denkmalgeschützt), aber immerhin an die 250 der 1.200 in den letzten 30 Jahren aufgegebenen Kirchen wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Das Bistum Würzburg zum Beispiel schätzt, dass drei bis fünf Kirchen pro Jahr entweiht und verkauft werden müssen.
Hohe Erhaltungskosten, weniger Gläubige (nur sechs Prozent der Kirchenmitglieder besuchen regelmäßig Gottesdienste): Das veranlasst die Verantwortlichen zu Überlegungen, was getan werden muss. Das Bistum Würzburg zum Beispiel schätzt, dass drei bis fünf Kirchen pro Jahr entweiht und verkauft werden müssen.
Zwei Millionen im Jahr allein für den Stephansdom
In Österreich ist die Lage nicht viel anders. An die 8.000 römisch-katholische Kirchen gibt es dort, und sie werden immer weniger genutzt. Pro Jahr sind zuletzt bis zu 90.000 Menschen ausgetreten, und die, die bleiben, besuchen vielfach nur sporadisch einen Gottesdienst. Rund 40 Millionen Euro hat 2021 die Sanierung von Kirchen gekostet. Da die katholische Kirche 75 Prozent ihrer Einnahmen durch Beiträge ihrer Mitglieder verzeichnet, wird es immer schwerer, die Mittel für Erhaltungsinvestitionen aufzubringen. Allein zwei Millionen fließen jährlich in die permanente Renovierung des Wiener Stephansdoms, die Renovierung der Votivkirche in Wien, einer der schönsten neugotischen Kirchen weltweit, hat 20 Jahre gedauert und 30 Millionen gekostet. „Ein teurer Spaß für kaum genutzte Häuser“, befand die „Wiener Zeitung“.
Eine Kirche in Hilversum wurde zum Trampolinpark umfunktioniert, eine Dominikanerkirche dort beherbergt heute eine Buchhandlung.
In den Niederlanden kann die Kirche die notwendigen Gelder längst nicht mehr aufbringen, und nur noch 20 Prozent der Menschen dort sind der christlichen Kirche so verbunden, dass sie ihr Portemonnaie für sie zücken. Also werden Kirchen einer anderen Zweckbestimmung zugeführt. Eine Kirche in Hilversum zum Beispiel wurde zum Trampolinpark umfunktioniert, eine Dominikanerkirche dort beherbergt heute eine Buchhandlung. Und in den nächsten zwei Jahrzehnten werden viele weitere folgen.
Ehemalige Kirche als Bibliothek oder Kletterhalle
„Kirche zu verkaufen“ heißt es in Immobilienanzeigen – und das immer öfter. Die ehemalige Dorfkirche in Durchhausen (Baden-Württemberg) wird für 248.000 Euro angeboten, für 395.000 Euro steht die Kirche „Zur Schmerzhaften Mutter Gottes“ in Lispenhausen bei Rotenburg in Hessen zum Verkauf, in Rüdenhausen (Unterfranken) wurde die dortige katholische Kirche im März entweiht und steht jetzt zum Verkauf. In Wien wurde Ende 2022 die Arsenalkirche im 3. Bezirk profaniert und verkauft. Der neue Eigentümer prüft seither Konzepte für neue Nutzungsmöglichkeiten. Und in St. Gallen in der Schweiz soll die St.-Leonhards-Kirche veräußert werden, weil die Evangelisch-reformierte Kirchengemeinde die auf gut vier Millionen Euro veranschlagten Renovierungsarbeiten nicht finanzieren kann. Das sind nur einige von vielen Beispielen.
Denkmalschützer sind für die Umnutzung von Kirchenimmobilien, wenn sonst deren Abriss droht.
Wird profaniert und verkauft, kommt es zuweilen zum Abriss, aber in den ehemaligen Kirchen können auch Versammlungsräume, Kaffeehäuser, ein Hotel, eine Supermarkt-Filiale, ein Autohaus, eine Kletterhalle, eine Fahrrad-Parkstation, Wohnräume und Büros, ja sogar eine Diskothek untergebracht werden. Denkmalschützer sind für die Umnutzung von Kirchenimmobilien, wenn sonst deren Abriss droht. Investoren werden daher von den Denkmalämtern unterstützt, aber Umbauten unter vielen Auflagen sind teuer.
In Südtirol scheint das Ganze noch kein Thema – und Probleme bei der Erhaltung der Kirchen gibt es derzeit noch nicht (siehe beigestellten Info-Block). Es könnte aber zu Schwierigkeiten kommen, denn die Zahl der Kirchenbesucher:innen nimmt ab, und immer öfter gestalten Laien Wortgottesdienste vor spärlich besetzten Bänken. Die Kirchen in Dörfern mit nur einem Gotteshaus dürften vorerst unangetastet bleiben, aber in Ortschaften mit mehreren Kirchen könnte es früher oder später dazu kommen, dass die eine oder andere ausgemustert wird. Jene Gotteshäuser, die kunsthistorisch am wenigsten wertvoll sind, dürften den Anfang machen.
Info
Selige Insel Südtirol?
In Südtirol sind die Profanierung und der anschließende Verkauf von Kirchen sowie deren anderweitige Nutzung derzeit kein Thema. Generalvikar Eugen Runggaldier kann sich ein Szenario, wie wir es anderswo erleben, für die nächste Zeit nicht vorstellen. „Überall im Land“, sagt er, „wird renoviert, und es gelingt allen Pfarreien als Eigentümerinnen der Kirchengebäude, die notwendigen Mittel aufzutreiben. Bischofskonferenz, Gemeindeverwaltungen, das Landesdenkmalamt und lokale Banken geben Beiträge, und viele Gläubige helfen mit Spenden.“ Auch wenn die Bedeutung der Kirchengebäude im Leben vieler Menschen abgenommen habe, möchte vor allem die Landbevölkerung nicht, dass ihre Kirche langsam verfällt oder sie profaniert und einem ganz anderen Zwecke zugeführt wird. Die einzige Kirche, mit der dies geschehen ist, sagt er, sei seines Wissens die ehemalige Josefskirche auf dem Gelände der Bozner Stahlwerke, wo einst regelmäßig Gottesdienste gefeiert worden sind, während die Räumlichkeiten heute als Versammlungsraum genutzt werden.
Eine besondere Rolle spielt die ehemalige Herz-Jesu-Kirche der „Englischen Fräuleins“ (Congregatio Jesu) am Sandplatz in Meran. Das Kloster hat den Gebäudekomplex samt Kirche dort im Jahr 2012 an das Land Südtirol verkauft, die Kirche (die seit Juli der Gemeinde Meran gehört) ist heute laut Runggaldier eine Jugendkirche und wurde im Jahr 2017 für zehn Jahre dem Jugenddienst Meran überantwortet. Sie soll laut Homepage „eine Kirche für und mit Jugendlichen und jungen Menschen“ sein. „Bei regelmäßigen Aktionen, Öffnungszeiten, Projekten und mit verschiedenen Ausstellungen lädt sie dazu ein, auf vielfältige und jugendliche Art und Weise Zugang zum Glauben zu erleben, aber auch um Gemeinschaft zu spüren und einfach nur Spaß zu haben.“ Dort hat auch ein sogenannter Escape Room seinen Platz gefunden, wobei Teams innerhalb einer vorgegebenen Zeit in einem realen Raum Aufgaben oder Rätsel rund um eine mysteriöse Geschichte lösen müssen, um aus diesem Raum zu entkommen. Eine der beiden diesbezüglichen ständigen Veranstaltungen in der Kirche ist einem Thema mit religiösem Hintergrund gewidmet, die zweite dagegen einem klassischen Kriminalfall. Laut Jugenddienstleiter Oliver Schrott ist die Kirche nicht profaniert worden, aber es wurde das Allerheiligste (die zum Leib Christi konsekrierte Hostie) entfernt, sodass sie vorübergehend nicht mehr für Gottesdienste genutzt werden kann.
Im Übrigen können Kirchen in Italien laut Kanonischem Recht nur aus schwerwiegenden Gründen profaniert werden, wobei es möglich ist, bei der Veräußerung einer profanierten Kirche vorzusehen, dass sie keinem schamlosen Zweck (uso sordido) zugeführt werden darf. Diesbezüglich wird allerdings darauf hingewiesen, dass eine solche Klausel bei einem Weiterverkauf nichtig sein könnte.