Bozen – Mehr als eine Stunde dauerte heute Vormittag die Pressekonferenz, zu der die Oberalp-Chefs Heiner Oberrauch und Christoph Engl geladen hatten. Sie weckte Erinnerungen an eine Zeit, die man am liebsten aus dem Gedächtnis löschen würde: die ersten Wochen der Coronapandemie. Dass so eine Pressekonferenz fünf Jahre nach jener dunklen Zeit stattfinden muss, ist bezeichnend. Der Fall behängt immer noch vor den Gerichten. Und das Unternehmen Oberalp kämpft immer noch um etwa 30 Millionen Euro für die Vermittlung von Schutzausrüstung.
Ein emotionaler Heiner Oberrauch
Oberalp-Präsident Heiner Oberrauch wurde an der Seite von Geschäftsführer Christoph Engl ungewöhnlich emotional, als er seine Version der Geschichte schilderte. Zwar waren keine aufregend neuen Erkenntnisse dabei, höchstens einige Präzisierungen, trotzdem war greifbar, dass Oberrauch Schwierigkeiten hat, nachzuvollziehen, dass es in der Sache immer noch keine Lösung gibt. „Wenn es auf dieser Welt noch ein Quäntchen Gerechtigkeit gibt, dann muss eine Lösung gefunden werden“, sagte er. Denn: Man habe nur eines getan, nämlich helfen wollen. Danach sei diese Hilfe kriminalisiert worden. Oberrauch bezeichnet den Vorwurf, Oberalp habe ein Geschäft aus den damaligen Maskenlieferungen machen wollen, als „schwer zu ertragen“. Er habe sich damals auch überlegt, wie wohl sein verstorbener Vater gehandelt hätte.
Vermittlerin, nicht Lieferantin
Mehrmals betonten Oberrauch und Engl, dass Oberalp Vermittlerin der Schutzausrüstung aus China gewesen sei, nicht Verkäuferin. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. Die Lage sei dramatisch gewesen, denn es fehlte – nicht nur in Südtirol – an Schutzausrüstung gegen dieses unbekannte Virus. Also habe man geholfen, gleich vierfach. Erstens: Zunächst habe man auf Ersuchen des Sanitätsbetriebes Schutzmaterialien in China aufgetrieben (weil der Sanitätsbetriebe dazu nicht imstande war) und geglaubt, damit sei die Sache abgeschlossen. Zweitens: Daraufhin habe man auf neuerliches Ersuchen des Sanitätsbetriebes die Geldsumme vorgestreckt (weil die öffentliche Hand nicht so schnell und unbürokratisch bezahlen kann). Drittens: Danach habe man auf Ersuchen des Sanitätsbetriebes auch noch den Transport organisiert und vorausbezahlt (weil jeder Tag zählte und der italienische Zivilschutz zu langsam gewesen wäre). Viertens: Schließlich sei man der Bitte des Sanitätsbetriebs nachgekommen, nach dem Vorbild der ersten Vermittlung eine weitere, größere Lieferung zu vermitteln, vorauszuzahlen und zu organisieren.
Kann man betrügerische Absichten unterstellen?
Christoph Engl räumt ein, dass die Oberalp, der Sanitätsbetrieb, aber auch die kreditgebende Raiffeisen Landesbank damals die geltenden Normen und Prozeduren nicht nach Punkt und Beistrich angewandt hätten. Das hätte in jenem Ausnahmezustand auch gar nicht funktioniert – dann wäre Südtirol ohne Schutzausrüstung geblieben. Engl: „Ja, wir haben Fehler gemacht. Und nein, wir waren nicht vorsichtig genug.“
Rechtsanwalt Gerhard Brandstätter stellte bei der Pressekonferenz aber die entscheidende Frage: „Kann jemand wirklich ernsthaft glauben, dass Leute wie Heiner Oberrauch, Christoph Engl, Florian Zerzer oder der Landeshauptmann in jenen turbulenten Nächten vorsätzlich einen Betrug organisieren wollten?“ Dann ergänzte er: Das Schutzmaterial aus China sei nicht perfekt gewesen, aber es habe nachweislich geholfen. Und es habe chinesischen Standards entsprochen. Für Brandstätter ist die Sache „rechtlich ganz einfach“: Oberalp habe vermittelt, nicht verkauft. Punkt. Noch ist aber nicht sicher, ob die Gerichte das auch so sehen. Oberalp wartet auf das Geld, der Sanitätsbetrieb will mit dem Rechnungshof im Rücken nicht zahlen. Die Lage ist verzwickt.
Heiner Oberrauch jedenfalls ist zornig: Oberrauch: Die Geschichte werde weisen, ob der vermeintliche Maskenskandal als ein Ermittlungsskandal enden werde.