Ragusa/Montan – Wie der Klimawandel Italiens Landwirtschaft neu schreibt: Die Sonne steht schon früh über der Küste bei Ragusa in Sizilien. Zwischen Olivenhainen und Orangenplantagen ragen plötzlich grüne Blätter auf, so groß wie Segel – Bananenstauden. Der US-schweizerische Konzern Chiquita wagt auf Sizilien den Schritt in den tropischen Anbau. Tausende Bio-Bananenpflanzen wachsen hier seit Herbst 2025; die erste Ernte soll 2026 in ausgewählten italienischen Supermärkten erhältlich sein. „Für uns ist das eine doppelte Chance“, sagt Costabile Romano, Vertriebsdirektor von Chiquita Italien in einer Pressemitteilung. „Wir können unsere Verbindung zu italienischen Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken – und gleichzeitig lokale Produktion mit internationaler Erfahrung verbinden.“ Die „italienische Banane“ soll also mehr sein als Marketing: Sie steht für eine Mischung aus globaler Marke und regionaler Nachhaltigkeit.
„Wir können unsere Verbindung zu italienischen Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken – und gleichzeitig lokale Produktion mit internationaler Erfahrung verbinden.“ Costabile Romano
Ein Experiment unter der Sonne Siziliens
Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit der Agrargenossenschaft Alba Bio. Die Plantage umfasst rund 20.000 biologische Bananenpflanzen, verteilt auf mehrere Versuchsfelder rund um Ragusa.
Chiquita setzt dabei auf ein Bündel an Maßnahmen, um den Anbau möglichst ressourcenschonend zu gestalten. Zum Einsatz kommen Mikro-Bewässerungssysteme wie Tröpfchen- oder Mikrosprinkleranlagen, die die Wasserzufuhr gezielt an der Wurzel steuern und Abflussverluste minimieren sollen. Ergänzend sorgen Bodenbedeckung und Erosionsschutz dafür, dass der Boden mehr Feuchtigkeit speichert und die Verdunstung reduziert wird. In einer Region mit durchschnittlich 550 Millimetern Niederschlag pro Jahr ist das entscheidend. Etwa 90 Prozent des benötigten Wassers sollen aus Regenfällen und wiederaufbereiteten Quellen stammen, der Rest aus lokalen Brunnen.
Im Durchschnitt sind für ein Kilogramm Bananen rund 400 bis 600 Liter Wasser nötig.
Im Durchschnitt sind für ein Kilogramm Bananen rund 400 bis 600 Liter Wasser nötig – das meiste davon in Form von Bodenfeuchte und Verdunstung, nicht als reiner Frischwasserverbrauch. Da eine Pflanze im Jahr rund 20 bis 40 Kilogramm Früchte trägt, würde sie insgesamt also etwa 8.000 bis 24.000 Liter Wasser jährlich benötigen, je nach Bedingungen – wobei laut Chiquita ein großer Teil davon aus Regen- oder wiederaufbereitetem Wasser stammen soll, nicht aus zusätzlicher Bewässerung. Damit soll die sizilianische Plantage zu einem Pilotprojekt für nachhaltiges Wassermanagement im Mittelmeerraum werden.
Tropische Früchte „Made in Italy“
Dass Bananen nun auf Sizilien gedeihen, ist kein Zufall, sondern Ausdruck der Tropikalisierung Süditaliens – also wärmerer, zeitweise feuchterer Bedingungen in ehemals gemäßigten Zonen. 2021 wurde auf Sizilien der europäische Temperaturrekord von 48,8 Grad Celsius gemessen; längere Vegetationszeiten und mehr Hitzetage verschieben die Grenzen des Anbaubaren. Bereits seit Jahren werden Avocados, Mangos, Papayas, Passionsfrüchte – und regional sogar Litschis – kultiviert; die Mango-Flächen haben sich seit 2019 mehr als verdoppelt.
Für Verbraucher:innen bedeutet das: kürzere Lieferwege, höhere Herkunftstransparenz und die Chance, exotische Früchte regional zu beziehen. Für Erzeuger:innen heißt es: neue Märkte, aber auch mehr Verantwortung für Wasser, Boden und Biodiversität in einer Region mit wiederkehrenden Dürreperioden.
Prognosen zufolge könnte Italien bis 2050 durch klimabedingte Ertragsrückgänge, Wasserknappheit und Produktionsausfälle jährlich bis zu fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verlieren.
Ökonomie im Wandel
Der Klimawandel ist längst kein Zukunftsszenario mehr, sondern Realität auf Italiens Feldern. Laut Coldiretti, dem größten Bauernverband Italiens, verursachten Extremwetterereignisse allein im Dürrejahr 2022 landesweite Agrarschäden von rund sechs Milliarden Euro – ein wirtschaftlicher Verlust, der ganze Ernten von Weizen, Mais und Reis betraf. Prognosen zufolge könnte Italien bis 2050 durch klimabedingte Ertragsrückgänge, Wasserknappheit und Produktionsausfälle jährlich bis zu fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verlieren, sofern keine wirksamen Anpassungsstrategien greifen. Die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels treffen jedoch nicht nur die klassischen Ackerfrüchte. Auch der Weinbau – ein Aushängeschild der italienischen Agrarwirtschaft – steht unter Druck. Denn der Klimawandel verändert nicht nur die Erträge, sondern auch den Geschmack Italiens. Besonders deutlich zeigt sich das im Weinbau.
Klimawandel im Glas
In Südtirol stieg die durchschnittliche Sommertemperatur seit den 1970er-Jahren um rund 2,2 Grad Celsius. Blüte und Lese finden heute zwei bis drei Wochen früher statt als noch vor drei Jahrzehnten, in einzelnen Jahren sogar deutlich früher. Im terraXcube von Eurac Research und in Feldversuchen der Freien Universität Bozen und des Versuchszentrums Laimburg wird untersucht, wie Reben mit Hitze- und Trockenstress umgehen. Dabei zeigt sich: Weißweine verlieren an Säure, Rotweine verändern Farbe und Struktur, und das Erntefenster wird zunehmend enger. Was in den Versuchsfeldern sichtbar wird, spüren die Winzer längst im Weinberg.
Zwischen Eleganz und Erwärmung
„Pinot Nero mag keine Hitze“, schreibt Winzer Franz Haas aus Montan auf seiner Website. Kühle Nächte und eine lange, langsame Reife seien entscheidend für die Eleganz dieser Sorte. Um diese Bedingungen auch in einem sich erwärmenden Klima zu bewahren, verlagern viele Betriebe ihre Weinberge zunehmend in höhere Lagen – etwa nach Mazon, Glen oder Pinzon, teils auf 350 bis 800 Meter Höhe.
„Pinot Nero mag keine Hitze.“
Gleichzeitig wird an einer präziseren Steuerung der Rebkulturen gearbeitet. Locker- und kleinbeerige Klone sollen die Trauben widerstandsfähiger gegen den Schimmelpilz Botrytis machen und ihre aromatische Konzentration steigern. Auch Laub- und Erziehungssysteme werden angepasst, um die Sonneneinstrahlung gezielt zu dosieren – von modernen Pergola-Varianten über Lyra-Systeme bis hin zu partiellen Schattierungen. Ergänzend spielt das Boden- und Wassermanagement eine zentrale Rolle: Humusaufbau, Mulchschichten, Begrünung und kontrollierte Zusatzbewässerung helfen, Wasser zu speichern und Hitzestress zu mindern. Im Keller setzt man auf kühlere Gärtemperaturen, kürzere Maischestandzeiten und einen gezielten Anteil an Ganztraubenvergärung, um Frische und Balance im Wein zu erhalten. Laut dem Versuchszentrum Laimburg (2022, Klimaanpassung im Weinbau) tragen solche Verfahren entscheidend dazu bei, die Aromatik und Textur von Blauburgunder auch unter wärmeren Bedingungen zu bewahren.
Eine neuere Modellierungsstudie von Laimburg und Eurac (2024) kartiert inzwischen potenziell geeignete neue Anbauzonen – und verdeutlicht zugleich die entstehenden Nutzungskonflikte mit Naturschutz und Landwirtschaft. Eine im selben Jahr in Nature Communications veröffentlichte Analyse des Eurac-Teams um Simon Tscholl zeigt zudem: Regionen mit vielfältigen Höhenlagen, breiter Sortenbasis und starker regionaler Organisation sind gegenüber Klimarisiken deutlich anpassungsfähiger – vorausgesetzt, die rechtlichen Rahmenbedingungen eröffnen genügend Spielraum für Innovation.
Steigt die globale Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad, könnten bis zu 70 Prozent der heutigen Weinregionen für den Qualitätsanbau ungeeignet werden.
Globale Warnsignale für den Weinbau
Was in Südtirol bereits mit wissenschaftlicher Präzision erforscht und praktisch erprobt wird, steht sinnbildlich für die Herausforderungen des gesamten Weinbaus: den Versuch, die Balance zwischen Tradition, Qualität und Anpassung an ein neues Klima zu halten. Während in den Bergen die Reben Schritt für Schritt nach oben wandern, zeigen globale Analysen, wie drastisch die Lage andernorts werden könnte.
Eine 2024 in Nature Reviews Earth & Environment veröffentlichte Auswertung von über 200 Studien warnt: Steigt die globale Durchschnittstemperatur um mehr als zwei Grad, könnten bis zu 70 Prozent der heutigen Weinregionen für den Qualitätsanbau ungeeignet werden. In rund einem Drittel der Gebiete wäre Premiumwein kaum noch möglich, weitere 40 Prozent ließen sich nur durch gezielte Anpassung – neue Sorten, präzise Bewässerung, höhere Lagen – erhalten. Am stärksten gefährdet sind Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Südkalifornien, wo bis zu 90 Prozent der traditionellen Weinflächen als „wirtschaftlich kaum tragfähig“ gelten würden. Gleichzeitig könnten kühlere Regionen wie Großbritannien, Nordfrankreich, Washington, Oregon oder Tasmanien zu den neuen Gewinnern des Wandels werden.
Der Klimawandel wirkt dabei nicht nur auf Reben und Regionen, sondern auch auf Geschmäcker und Geschäftsmodelle.
Markttrend versus Klima
Der Klimawandel wirkt dabei nicht nur auf Reben und Regionen, sondern auch auf Geschmäcker und Geschäftsmodelle. Der Markt verlangt leichtere Rotweine und frische Weißweine; das Klima drängt vielerorts in Richtung alkoholreicherer, schwerer wirkender Stile. Die Antwort vieler Betriebe: höhere Lagen, Nordexpositionen, frühere Lese, Diversifikation zugunsten Weißwein und Schaumwein. In alpinen Regionen eröffnen Höhenlagen von 600 bis 1.000 Meter heute Qualitäten, die vor Jahrzehnten selten waren – während Talböden an heißen Tagen zu warm werden. Entscheidend ist der Werkzeugkasten aus Standort, Klon, Laubarbeit, Wasserregime und Kellertechnik – plus flexible Regeln, die Neues zulassen.
Zwischen Bananen und Blauburgunder
Sizilien und Südtirol könnten kaum gegensätzlicher wirken – und doch stehen sie für denselben Wandel. Während im Süden Italiens Bananen erstmals kommerziell reifen, klettert im Norden der Blauburgunder in kühlere Höhen. Beides zeigt, wie der Klimawandel Italien zwingt, seine landwirtschaftliche Karte neu zu zeichnen.



















