Berlin – Es war falsch. Meine Entscheidung, in das Unternehmen einzusteigen, kam mich langsam teuer zu stehen. Statt dass sich eine Verbesserung der Umsatzzahlen einstellte, zahlte ich drauf. Und dann war da auch noch der sehr seltsame Umgang meines Partners mit Geld. Wenn ich die Zeichen richtig deutete, stand er kurz vor der Privatinsolvenz. Wenn es dumm lief, würde ich für seine privaten Finanzaktionen mit einstehen müssen. Das Risiko wurde langsam zu groß.
Ich hatte voller Hoffnung und in der Gewissheit, das Richtige zu tun, eine falsche Entscheidung getroffen. Und diese Entscheidung hatte Konsequenzen. Zugegeben, existenzgefährdend war sie nicht, aber ausgesprochen unangenehm. Ich hatte zirka 20.000 Euro in den Sand gesetzt und musste eine Hoffnung begraben.
Genau darum geht es bei der Unsicherheit oder gar Angst vor Entscheidungen. Fehlentscheidungen haben Konsequenzen. In der geschäftlichen Verantwortung beschränken sich die Konsequenzen in der Regel nicht auf mich allein. Sie treffen sehr schnell Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden, Investoren, die Umwelt und andere mehr. Vor diesem Hintergrund ist die Unvermeidbarkeit von Fehlentscheidungen nur schwer akzeptierbar und schwer auszuhalten. Es sein denn …
Im Kern geht es um meine Haltung mir selbst gegenüber. Ob ich Fehlentscheidungen aushalten und mit ihnen umgehen kann, hängt zunächst einmal daran, ob ich mir selber diese Fehler verzeihen kann. Kann ich das nicht, lasse ich die Erkenntnis, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, erst zu, wenn ich vor den Trümmern dieser Entscheidung stehe. Ist mein Selbstbewusstsein hingegen ausreichend groß, kann ich meine Aktivitäten und Vorhaben und ihre Ergebnisse infrage stellen.
Ist das erlernbar? Es spricht einiges dafür, ist aber nicht ganz einfach. Was allerdings sicher ist: Als Unternehmer brauche ich viel von dieser Haltung.
In dieser Haltung kann ich mich übrigens auch unterstützen lassen, durch mein Umfeld. Dafür braucht es eine Kultur des Vertrauens und der Fehlertoleranz, also eine Art gemeinsam vereinbarten Werte- oder Normenrahmen. Und der wiederum braucht Feedback, also Personen, die bereit sind, Fehlverhalten anzusprechen und eigenes Verhalten infrage zu stellen. Auch das lässt sich entwickeln.
Vieles kann ich aber auch technisch, d.h. methodisch lösen. Die Frage dahinter: Wie lässt sich das Risiko der Fehlentscheidung minimieren? Die Antwort: mithilfe von Tests. Wie das geht, ist für die Geschäftswelt inzwischen hinlänglich beschrieben. Ansätze wie Design Thinking, Scrum oder Lean Start-up vergegenständlichen Hypothesen in Prototypen. Anschließend wird am lebenden Objekt „Kunde“ überprüft, ob die Hypothesen stimmen. Das Prinzip lässt sich auf viele andere Entscheidungen übertragen. Das Ausmaß möglicher Konsequenzen wird kleiner und Entscheidungen werden korrigierbar. Das hilft, die Unsicherheit zu verringern.
Natürlich sind das nicht alle Aspekte, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Aber eines wird deutlich: Unternehmerische Entscheidungen, ebenso wie der geschäftliche Umgang mit Fehlentscheidungen, brauchen beide Seiten, die emotionale und die rationale, die Auseinandersetzung mit dem Selbst ebenso wie methodisches Know-how. Lasse ich eine Seite weg, brauche ich vor allem Glück, um ein Geschäft voranzutreiben. Nutze ich beide Seiten, gestalte ich meine Zukunft selber. Das meinen wir, wenn wir von Selbstermächtigung sprechen.
Wie gehen Sie mit sich selber um, wenn Sie sich bei einer Fehlentscheidung ertappt haben? Kennen Sie einen Weg, sich selbst Absolution zu erteilen, oder bezichtigen Sie sich selbst der Sünde der Fehlentscheidung? Die Wortwahl ist Absicht. Denn mit der Beichte hat die katholische Kirche einen genialen Mechanismus der (Selbst-)Entlastung geschaffen. Vielleicht hilft es bei der Verarbeitung von Fehlentscheidungen, sich selbst einen ähnlichen Mechanismus zu schaffen – und sei es nur das offene Gespräch mit einem vertrauten Menschen.
Der Autor: Dieter Bickenbach ist Mitgründer und Gesellschafter von geschaeftswarenladen (http://home.geschaeftswarenladen.com) und Initiator der Idee, den Berater überflüssig zu machen.