Bozen – Die Bürokratie ist längst ein leidiges Thema. Es wird ständig darüber geklagt, aber wenig gegen sie unternommen. Das Wahlwerbebild von Hanspeter Munter und seiner Schubkarre, mit der der einstige LVH-Direktor die Zettelflut beseitigen wollte, ist längst zum Mahnmal für das Versagen in dieser Frage geworden. Die Politik scheint sich der Probleme bewusst zu sein und reagiert mit Bürokratiebeauftragten, die ebenso wenig bewirken wie die Vorschläge, die der Südtiroler Wirtschaftsring vor Jahren vorgelegt hat und die dann in den Schubladen des Landhauses verschwunden sind, ohne eine Welle der Empörung auszulösen.
Eine lokale Veranstaltung des Konsortiums Passeirer Wirtschaft zum Thema Bürokratie hat letzte Woche die Gemüter landesweit erregt. Der Grund: An den Pranger gestellt wurden dabei nicht nur die Politik mit ihren unzähligen Gesetzen und Dekreten sowie die Bürokraten, die in der Anwendung der Bestimmungen zuweilen das notwendige Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Nein: Koordinator Ulrich Königsrainer äußerte auch die Vermutung, die Ankläger der Bürokratie, die Wirtschaftstreibenden und deren Verbände, trügen eine Mitschuld daran, dass im Kampf gegen die Zettelwirtschaft Schlacht um Schlacht verloren geht und die Kleinbetriebe im Regen stehen, bis sie Zuflucht unter dem Schirm finden, den die Verbände mit kostenpflichtigen Dienstleistungen zur Bewältigung der Bürokratie öffnen. Sind – so der Eindruck – erst einmal die notwendigen Verbandsstrukturen eingerichtet, setzten sich die Verbandsspitzen nur mehr halbherzig für die Beseitigung von Auflagen ein, für deren Erfüllung sie IT-Programme angeschafft und Mitarbeiter eingestellt haben.
Der Blick ist dabei zwar auch auf Bozen, aber insbesondere auf Rom gerichtet. Die gesamtstaatlichen Wirtschaftsverbände, deren Mitglieder die Südtiroler Wirtschaftsorganisationen sind, zeigen laut Einschätzung von Senator Karl Zeller nicht wirklich die Zähne, wenn es darum geht, Bürokratie abzubauen, sondern geben rasch klein bei, sobald die Politik mit dem Argument kommt, dass die Vorschriften notwendig sind, um dem organisierten Verbrechen einen Riegel vorzuschieben. Die geringe Kampfkraft, die Confartigianato & Co an den Tag legen, macht verdächtig. So kommt es zu einer Vorschriftenflut und einer Kontrollintensität, die unzählige rechtschaffene Unternehmer in ihrer Existenz gefährden, aber den Müllsündern, Auftragsschwindlern und Schwarzarbeitern offensichtlich wenig anhaben.
Inzwischen frisst die Bürokratie schon ihre eigenen Kinder. Die öffentlichen Verwaltungen auf allen Ebenen klagen über ständige Mehrarbeit, die sie aufgrund jener Vorschriften haben, die die Unternehmen beachten müssen. Und aus Angst, Fehler zu machen, die den Rechnungshof oder den Staatsanwalt auf den Plan rufen, prüfen sie alles dreimal und drücken sich vor Entscheidungen. So benötigt die Verwaltung in Osttirol fünf Monate, um ein geeignetes Grundstück in Gewerbebauland umzuwidmen und eine Baugenehmigung auszustellen. Und in Südtirol?
Landesrat Arnold Schuler nimmt aber auch die Unternehmer selbst ins Gebet. Sie seien mit schuld an der Bürokratie, meint er: Gegen jede Auftragsvergabe werde rekurriert, jede Kategorie fordere Schutzbestimmungen für sich selbst und verlange Kontrollen, um sich gegen unlautere Konkurrenz zu schützen.
Der Abbau von Bürokratie setzt wohl auch einen Mentalitätswandel voraus, mehr Markt und weniger Staat, weniger Schutz und weniger Regeln, mehr Hilfe und weniger Verhinderungsstrategie, dafür mehr gegenseitiges Vertrauen. Die Unternehmen zu entlasten, würde deren Leistungskraft entscheidend stärken, ohne dass dies den Staat etwas kostet.