Bozen – Neugierige, aber auch Kaufwillige haben das Einkaufszentrum Twenty der Familie Podini in den vergangenen Tagen regelrecht gestürmt, obwohl es noch eine Baustelle ist. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft haben die Podinis die Eröffnung von 65 der geplanten 80 Geschäfte und sechs der vorgesehenen sieben Restaurants ermöglicht – in den nächsten Wochen folgt der Rest genauso wie ein großer Kinderbereich und sechs Kinosäle. In den Tagen vor und nach der Eröffnung berichteten praktisch alle Medien über die neue Einkaufsattraktion und bescherten dem Twenty willkommene Gratiswerbung.
Während die Konsumenten das zusätzliche Einkaufsangebot der Familie Podini offensichtlich hocherfreut annehmen, hält sich bei den Interessenvertretern des Südtiroler Handels die Jubelstimmung in Grenzen. Genau genommen wäre das Einzelhandelsangebot in Südtirol auch ohne Twenty schon ausgeprägt genug – in Quadratmetern gerechnet, ist es sogar ausgeprägter als überall sonst in Italien. Von daher liefert das Twenty neuen Zündstoff für die Diskussion, wie viel Angebot die Südtiroler Handelslandschaft überhaupt aushält, ohne dass sie sich selbst zerfleischt. Ganz sicher wird das erweiterte Angebot im Twenty – egal ob Geschäfte, Restaurants oder Kino – den bestehenden Anbietern rund um Bozen Umsätze streitig machen. Für diese Erkenntnis genügt der Blick auf ein paar Namen, die im Twenty eingezogen sind.
Die wiederholt geäußerte Kritik des Handels- und Dienstleistungsverbandes hds, wonach Südtirol – und insbesondere Bozen – jegliche Handelsplanung vermissen lässt, mag gerechtfertigt sein. Tatsächlich ist unbestreitbar, dass es die Handelslandschaft unmöglich aushält, wenn in der Landeshauptstadt alle Einkaufszentren verwirklicht werden, von denen derzeit Pläne herumschwirren: neben dem 20.000 Quadratmeter großen Twenty noch ein ebenso großes „Benko-Kaufhaus“, ein 30.000 Quadratmeter großes Aspiag-Einkaufszentrum in Bozen Süd, dazu ein Einkaufszentrum am künftigen (Zug-)Bahnhofsareal und eine Erweiterung von Tosolinis Centrum. Kritik am Twenty oder besser, gesagt, an dessen Mietern üben in diesen Tagen auch die Gewerkschaften, welche die Arbeitsverträge einiger Shops anprangern (nichtsdestotrotz haben sie genügend Jobbewerber gefunden). Kritik äußern einige Kaufleute, welche die unfairen Sonderangebote mitten im Weihnachtsgeschäft beklagen. Weiters heißt es erneut, die Podinis hätten bei der Verwirklichung ihres Einkaufszentrums eine politische Vorzugsspur genossen.
Viel Kritik, welche die Konsumenten aber kalt lässt. Vielmehr lässt der Sturm auf das Twenty vermuten, dass da ein Bedürfnis der Konsumenten gedeckt wird, das die restliche Südtiroler Handelslandschaft – trotz überdurchschnittlich viel Fläche – nicht zu decken imstande ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Podinis als Investoren bereit waren, sage und schreibe 100 Millionen Euro ins Twenty zu investieren – so viel wie in kein anderes Investitionsprojekt zuvor. Dafür spricht weiters die Tatsache, dass weitere Investoren in den Startlöchern stehen und Juristen beschäftigen, um die Investitionspläne verwirklichen zu können.
Es wäre blauäugig zu glauben, dass solche Einkaufszentren spurlos am bestehenden Handelsangebot vorbeigehen würden. „Die Existenz vieler Einzelhandelsbetriebe in den Dörfern ist bedroht. Diese müssen unterstützt werden, um die Lebensqualität und die touristische Attraktivität in den ländlichen Gebieten zu sichern“, hat Handelskammerpräsident Michl Ebner unlängst gesagt. Wahrscheinlich müssen sich die Einzelhändler aber auch selbst helfen, indem sie die Konsumenten mit einem Angebot locken, das ihnen ein Einkaufszentrum nicht bieten kann. Schon heute fällt auf, dass nicht alle Kaufleute – weder in den Zentren, noch in der Peripherie – gleichermaßen unter dem Handelsüberangebot leiden.
Es hat sich in der Vergangenheit – nicht nur im Handel – immer wieder bewahrheitet, dass sich Entwicklungen zwar verzögern, nicht aber aufhalten lassen. Die Konsumenten werden der guten alten Nahversorgung nachtrauern, wenn sie erst einmal verschwunden ist, lautet ein oft gehörtes Argument pro Schutzmechanismen. Das ist gut möglich. Aber dass sich „König Kunde“ nicht vor sich selbst schützen lässt, beweist der Druck, den er aufbaut. Dieser Druck ließ zunächst sogenannte Handelsensembles sprießen, teilweise in einer rechtlichen Grauzone, jetzt scheinen die Einkaufszentren zu folgen. Trotz Schutzbemühungen droht der Handel aus dem Gleichgewicht zu geraten.