Im Dienste der Kunden

„Mit der richtigen Strategie langfristig erfolgreich“ nennt sich der Titel Ihres Seminars. Das klingt verlockend. Aber wie unterscheidet ein Unternehmer/in die richtige von der falschen Strategie?Die Frage ist berechtigt. In einem Satz ausgedrückt, bedeutet die richtige Strategie für mich, dass das Unternehmen die Voraussetzungen schafft, um langfristig in seinem spezifischen Geschäft überleben zu können. In diesem Zusammenhang hat es in den vergangenen Jahren in vielen Unternehmen ein totales Umdenken gegeben: Früher stand zumeist die Umsatz- und Gewinnmaximierung im Vordergrund – man wusste, dass ein hoher Umsatz mehr oder weniger gleichbedeutend mit einem hohen Gewinn war. Inzwischen geht es verstärkt darum, Strategien zu finden, wie dem Kunden bessere Problemlösungen geboten werden können als es die Mitbewerber tun.Das Schlagwort heißt also Kundenorientierung?Eine richtige Strategie besteht in meinen Augen darin, sich am Kunden zu orientieren und sich damit die langfristige Überlebensfähigkeit in turbulenten Märkten zu sichern. Erst wirkliche Kundenorientierung schafft Kundenzufriedenheit und diese ist Voraussetzung, um Marktanteile zu halten oder zu gewinnen. Gleichzeitig ermöglicht die Kundenorientierung einem Unternehmen auch, sich den ändernden Kundenbedürfnissen anzupassen und somit, die Kundenprobleme des eigenen Zielmarktes auch langfristig erfolgreich zu lösen. Nehmen wir Ihr konkretes Beispiel: Die Wirtschaftszeitung verkauft an ihre Leser nicht eine Zeitung aus Papier, sondern Wirtschaftsnachrichten. Sie löst für den Kunden also das Problem, wie er zu Wirtschaftsnachrichten gelangt. Ob sie das auf Papier macht, oder ob sie dazu das Internet oder eine andere Technologie verwendet, ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass sie sich rechtzeitig Gedanken macht, wie der Leser die Nachrichten in Zukunft haben will – auf Papier oder im Internet. Denn wer die falsche Schiene wählt, wird unter Umständen von einem Mitbewerber – in vielen Fällen nicht einmal von einem direkten Konkurrenten - überrollt.Zentrale Frage für jeden Unternehmer/in muss sein: Wie kann ich das Bedürfnis des Kunden noch besser befriedigen?Richtig. Noch besser muss es heißen: Ich muss mich von den Mitbewerbern unterscheiden. Und ich muss einen Prozess starten, der es mir erlaubt, auf Änderungen auf dem Markt langfristig reagieren zu können. Ein Beispiel für eine falsche Strategie, das zwar schon einige Jahre zurückliegt, aber bezeichnend ist, sind die Schreibmaschinenhersteller. Praktisch keiner von ihnen hat PCs entwickelt. Das haben ganz andere Unternehmen gemacht. Ich behaupte, die Schreibmaschinenhersteller haben geglaubt, der Kunde wolle Schreibmaschinen. Das hat aber nicht gestimmt. Der Kunde wollte und will schriftlich kommunizieren – möglichst praktisch, aber egal in welcher Form. Und da haben die PCs den Schreibmaschinen den Rang abgelaufen.Es darf wohl behauptet werden, dass die meisten kleinen und mittleren Unternehmen ohne solche Strategien arbeiten.Dieser Meinung bin ich nicht. Ich sehe in meinen Beratungsprojekten, dass häufig gerade kleine und mittlere Unternehmen auf eine ganz natürliche Art und Weise diese Kundenorientierung leben. Meistens haben die Unternehmer/innen selbst Kontakt zu den Kunden und erhalten so viele Informationen über die Bedürfnisse am Markt. Wenn ein Tischler schlüsselfertige Einrichtungen anbietet, zeigt dies, dass er anscheinend erkannt hat, wie schwer sich der Konsument beim Managen mehrerer Handwerker tut. Für mich ist auch das eine strategische Orientierung. Der Handwerker erkennt den Kunden und seine Bedürfnisse. In Südtirol gibt es viele Beispiele für echte Kunden-Problemlösungsorientierung, denken wir nur an die Schneekanonenhersteller, die Aufstiegsanlagen- und Pistenfahrzeughersteller, den Marktführer bei Zöliakieprodukten, andere einzigartige Lebensmittelhersteller, die Unternehmen, die im landwirtschaftlichen Bereich Maßstäbe setzen und viele andere in verschiedensten Branchen: Ihnen allen ist gemein, dass sie ihren Geschäftszweck klar definiert haben und mit ihren Leistungen echte Problemlösungen für den Kunden liefern.Viele Klein- und Mittelunternehmen haben eine Strategie, ohne dies bewusst wahrzunehmen?Wenn man unter Strategie eine niedergeschriebene Strategie versteht, dann kann man durchaus sagen, dass diese Aussage zutrifft.Wozu dann ein Seminar, wenn die Unternehmen doch – wenn auch unbewusst – eine Strategie haben?Natürlich muss gesagt werden, dass es angesichts der gesättigten Märkte immer schwieriger wird, etwas zu bieten, was ein Unternehmen von den Mitbewerbern unterscheidet. Die Suche nach solchen Differenzierungsmöglichkeiten, nach einer klaren Positionierung, aber auch die Konzentration auf die wirklich erfolgreichen Geschäftsbereiche: Hier ließe sich in vielen Unternehmen schon Einiges machen. Ein Seminar ist oft der Initialzünder, um neue Gedanken und Erkenntnisse zu schöpfen und damit der Start für eine neue Art der Beschäftigung mit dem eigenen Unternehmen.Unternehmer/innen verbinden mit dem Schlagwort „Strategie“ in der Regel ein schriftliches Dokument. Und entsprechend viel Arbeitsaufwand für die Ausarbeitung. Also verzichten sie lieber. Ist diese Angst unbegründet?Die wichtigsten Leitlinien sollten schon in schriftlicher Form festgehalten werden. Einfach auch deshalb, um sie den Mitarbeitern kommunizieren zu können. Jedenfalls misst sich die Qualität eines Strategieprojektes sicher nicht an der Anzahl der Seiten. Dies ändert natürlich nichts daran, dass Strategie durchaus mit Arbeit zu tun hat.Inwiefern?Es genügt nicht, mich hinzusetzen und niederzuschreiben, dass ich in fünf Jahren Südtirols Top-Anbieter in einem bestimmten Geschäftsbereich sein will. Es braucht eine gewisse Vorarbeit. Ich muss die strategische Ausgangslage scharf analysieren, d.h. ich muss mir Gedanken darüber machen, ob überhaupt genügend Nachfrage besteht, ob es in diesem Bereich schon starke Konkurrenten gibt und ob ich mit meinem Unternehmen die Voraussetzungen mitbringe, um wirklich langfristig erfolgreich zu sein. Und ich muss festlegen, wie ich dieses Ziel erreichen will – was ich dafür alles konkret tun muss. Man muss tief gehen, um zu vermeiden, dass nicht einfach theoretische Aussagen getroffen werden, die gut klingen, aber total am Unternehmen bzw. am Markt vorbei gehen. Jedenfalls ist die Angst vor einer nicht zu bewältigenden Arbeitsflut bei der Strategiefindung unbegründet.Es müssen sicher eine ganze Reihe von Fragen eingehend erörtert werden: In welchem Geschäft bin ich wirklich tätig? Was ist mein Markt? Wie groß ist der Markt? Wer sind meine Mitbewerber? Was weiß ich über meine Kunden? Und schließlich: Wie stehe ich selber auf dem Markt da? Kann ich etwas bieten, was mich von den Mitbewerbern abhebt? Diese Fragen im Detail zu durchleuchten, bringt eine Menge Arbeit, die neben dem täglichen Geschäft zu bewältigen ist. Aber ich glaube, dass es gut investierte Zeit ist, wenn die Ziele und die strategische Ausrichtung eines Unternehmens in den Köpfen der Unternehmer/innen, Führungskräfte und Mitarbeiter durchgespielt und gemeinsam erarbeitet werden.Wie kommuniziere ich die Strategie, wenn sie erst einmal steht, den Mitarbeitern?Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass eine Strategie nur Sinn macht, wenn sie gelebt und umgesetzt wird. Und das passiert am besten, indem die Mitarbeiter in die Ausarbeitung der Strategie einbezogen werden. Je mehr die Mitarbeiter eingebunden sind, desto mehr kann man sie in ihrem konkreten Aufgabenbereich auch zu Leistungen motivieren, die für die Strategie relevant sind. Erfolgreiche Strategieumsetzung fußt ganz wesentlich auf wichtigen Projekten und Maßnahmen, die in der Strategie definiert werden – nur wenn die Mitarbeiter daran arbeiten und diese auch realisieren, sind strategische Zielsetzungen erreichbar. Ich halte überhaupt nichts davon, wenn intensiv an einer Strategie gefeilt wird, die im Endeffekt nicht umgesetzt wird. Eine Strategie kann nur dann umgesetzt werden, wenn der/die Unternehmer/in Klarheit hat, aber auch wenn die Mitarbeiter Klarheit haben. Im Übrigen sind die Sichtweisen der Mitarbeiter bei der Strategiefindung äußerst wertvoll: Ihr Wissen über Markt, Kunden, Konkurrenz, die Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens sollte und muss genutzt werden.Sind Sie der Meinung, klar abgesteckte Strategien werden in Zukunft für jedes Unternehmen, egal in welcher Größe oder aus welcher Branche, noch wichtiger werden?Überall ist spürbar, dass es für die Unternehmen enger wird. Es gibt viele Konkurrenten, die mehr oder weniger gleich gut sind. Es gibt viele Unternehmen, die mehr oder weniger das selbe Produkt bieten. Die Ansprüche der Kunden steigen und die Preise sinken: Dadurch wird es schwieriger, die Gewinnmargen vergangener Tage zu erreichen. Dieses Umfeld, ergänzt um Themen wie Nachfolgeprozesse, Einführung von Innovationen, u.a.m. macht es notwendig, dass sich Unternehmen Gedanken darüber machen, mit welchen Angeboten in welchen Geschäftsbereichen sie sich mittel- und langfristig am besten behaupten können. Es geht den Unternehmen in Südtirol großteils gut. Genau diese Zeit sollte genutzt werden, um in die Zukunft zu investieren und frühzeitig die richtigen Strategien festzulegen. ?

Im Dienste der Kunden

Udo Seibstock über den Sinn und Inhalte von Unternehmensstrategien

Südtiroler Wirtschaftszeitung

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