Seit uns die modernen Technologien durch den Alltag begleiten, werden uns überall Passwörter abverlangt. Ja, es ist schon toll, was heute alles geht: Geld beheben wir jederzeit, auch wenn alle Bankschalter geschlossen sind. E-Mails werden in unsere Hosentaschen gezaubert. Den Bürocomputer zapfen wir zu Hause an. Alles Wissen dieser Welt steht uns dank Internet auf jeder Almhütte zur Verfügung. Die Nebenwirkung ist eine Flut von Passwörtern – ohne Passwort kein Geld, kein E-Mail, kein Internet.
Vor fünf Jahren habe ich an dieser Stelle schon einmal über meinen Kampf mit diesen Buchstaben-Ziffern-Salaten geschrieben. Sinngemäß schrieb ich damals, dass sich die Generation unserer Eltern zweifelsohne mehr Telefonnummern auswendig gemerkt hat als wir und dass sich heute glücklicherweise die Handys die Telefonnummern für uns merken, weil unsere mit Passwörtern vollgestopften Köpfe eh keinen Platz für Telefonnummern mehr hätten. Ich glaube, ohne Handyspeicher würde ich meine Bancomatnummer wählen statt der richtigen Telefonnummer.
Fünf Jahre sind vergangen, und jetzt schreibe ich noch einmal – weil sich mein Kampf mit den Passwörtern verschärft hat! Zwar habe ich den „PIN“ in meinem Smartphone deaktiviert, zwar komme ich ohne Onlinebanking aus, zwar lebe ich ziemlich gut ohne eigenes Facebook-Profil (kaum zu glauben!), und trotzdem haben mich die Passwörter fest im Griff. Ich habe mal versucht zusammenzurechnen, über wie viele ich verfüge. Auf rund 20 bin ich gekommen, ganz schnell. Es dürften mehr sein. Und in vielen Fällen besteht ein Passwort genau genommen ja aus zwei Passwörtern – entfällt mir der „Username“, dann nützt mir herzlich wenig, dass ich das dazugehörige Passwort auswendig gelernt habe.
Also, da wäre einmal die Bancomatnummer. Dann die Buchstaben-Ziffern-Kombination für den Computer im Büro, die zu allem Überfluss aus Sicherheitsgründen alle paar Monate geändert werden muss. Und wenn ich sie ändere, muss ich auch das Passwort für den E-Mail-Dienst auf meinem Blackberry ändern – dazu brauche ich ein weiteres Passwort, um auf die entsprechende Homepage zugreifen zu können. Das Online-Passwort für das SWZ-Artikelarchiv, das Passwort für den SWZ-Server, wenn er mal abstürzt, das Passwort für die Online-Fotoagentur, das Passwort für den externen Zugriff zum SWZ-E-Mail-Postfach, das Passwort für meine persönliche E-Mail-Adresse (es ist das schwierigste von allen und eigenartigerweise merke ich es mir am leichtesten), die Passwörter für den Zugriff zu mehreren CMS-Systemen (zur Verwaltung von Internetauftritten), Passwörter für abonnierte Online-Medien und für Online-Geschäfte, in denen ich gelegentlich einkaufe, das Passwort für die Telepass-Abrechnungen, das Passwort für den digitalen Kontoauszug-Zustellservice meiner Bank …
Wow, nicht zu fassen, Sie haben sich doch glatt bis hierher von mir mit meiner persönlichen Passwort-Sammlung langweilen lassen, ohne vorzeitig weiterzublättern. Ich nenne Ihnen als kleines Dankeschön noch ein paar Passwörter … nein, Scherz! Ich verschone Sie, denn jetzt kommt’s ja erst: Damit ein Passwort Sinn hat, muss es unerratbar sein, ergo fast unmerkbar. Und es sollte nicht aufgeschrieben werden, empfehlen uns Fachleute. Ich gebe zu, ich habe die meisten Passwörter trotzdem aufgeschrieben, alle an einer Stelle, die ich freilich nicht verrate. Denn bei mir funktionieren die vielen gut gemeinten Tipps für das Anlegen (und Merken) sicherer Passwörter nicht, die das Internet preisgibt. Bin ich der Einzige? Eselsbrücken soll ich mir bauen, heißt es, doch sie fallen schon in der Bauphase in sich zusammen – ich scheine als Baumeister nicht zu taugen.
Laut Internet-Ratgeber soll ich mir einen Satz zurechtlegen und aus den Anfangsbuchstaben der Wörter ein Passwort zimmern. Als Beispiele werden „Konny hat Körbchengröße 75-b“ (=KhKg75-b) oder „Borussia Dortmund schlägt Bayern München 1:0“ (=BDsBM1:0) genannt. Und dann soll dieses Einheitspasswort angereichert werden mit dem ersten und letzten Buchstaben des jeweiligen Dienstes. Für den Bürocomputer also etwa „BKhKg75-br“, für mein Blackberry „BKhKg75-by“. Klingt echt einfach. Aber bei 20 Passwörtern ist Schluss mit einfach. Meinte ich nun „Bürocomputer“ oder „Büro“ oder „Computer“? Meinte ich „Blackberry“ oder „Smartphone“? Im Übrigen hat jeder Dienst seine eigenen Passwortregeln, einmal acht Stellen, ein andermal sechs, einmal nur Buchstaben, ein andermal Buchstaben und Ziffern. Zum Glück gibt es (fast) überall die Funktion „Passwort vergessen?“, die zuweilen aber wieder nur über eine Eselsbrücke erreichbar ist, die ich mir irgendwann zurechtgelegt habe und an die ich mich im Ernstfall natürlich nicht mehr erinnere. Im Internet wird auch immer öfter eine Speicherfunktion geboten. „Wollen Sie Ihr Passwort speichern?“ Ja! Ab sofort nutze ich den Dienst, ohne jedesmal das Passwort einzutippen, wie praktisch. Aber wozu dann eigentlich ein Passwort, frage ich mich. Und wehe, ich möchte den Dienst ausnahmsweise einmal von einem anderen Computer aus in Anspruch nehmen – wie lautete doch gleich das Passwort?
Ach ja, und dann lese ich in schöner Regelmäßigkeit, dass die Passwörter eh nicht sicher sind. Wer, bitteschön, hat diesen Wahnsinn also erfunden? Computer werden gehackt, Server mit Viren infiziert, Bancomatkarten geklont, Kreditkartennummern gestohlen. Computerfreaks wissen im Nu meine Passwörter, wenn sie wollen. Nur ich weiß sie nicht. Da läuft etwas falsch.