An die 500.000 Menschen sollen in Libyen auf eine Überfahrt nach Italien warten. Bis Mitte Februar sind bereits 7.000 Flüchtlinge gezählt worden, 60 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Und wieder sind unzählige Menschen beim Versuch ums Leben gekommen, den Wirren in ihren Herkunftsländern zu entfliehen. Wenn es wärmer wird, steht Italien ein Ansturm ohnegleichen bevor, denn in Libyen scheinen die IS-Kämpfer die Kontrolle über das Geschäft mit dem Menschenexport zu gewinnen. Die neuen Schleuser schrecken auch davor nicht zurück, die Flüchtlinge aus Syrien, Nigeria oder Äthiopien und vielen anderen Staaten mit Waffengewalt in seeuntaugliche Schlauchboote zu zwingen und sie damit auf die Reise zu schicken. Eine Überfahrt mit 100 Leuten bringt mehrere 100.000 Euro ein, und wenn es gelingt, 100.000 zu verschicken, dann sind das mehrere 100 Millionen, mit denen der Kampf für den Islamischen Staat finanziert werden kann. Auf die Reise schicken ist dabei der richtige Ausdruck, denn dass die armen Teufel auch ankommen, interessiert die Absender nicht. Die Meldungen über Katastrophen, die sich auf dem Mittelmeer abspielen, häufen sich, und es ist der Operation Mare Nostrum der italienischen Marine und Küstenwache mit ihren Rettungsaktionen bis vor die libysche Küste zu verdanken, dass es nicht ungleich mehr Opfer gegeben hat.
Dass die Flüchtlingswelle nach Italien (und weiter in andere EU-Staaten) problematisch ist, dürfte klar sein. Aber ebenso klar ist, dass eine Gesellschaft, die sich christlich (oder humanistisch) nennt, Hilfe nicht verweigern darf. Die Grenzen als bloße Beobachter von Tragödien oder gar durch Kanonenboote zu schützen, ist ganz einfach undenkbar und wäre barbarisch. Über die Ziele derer, die diese Menschen losschicken, sollten wir uns jedoch keine Illusionen machen. Eine halbe Million Flüchtlinge sind für 500 Millionen Menschen kein Problem, aber wenn die IS-Kämpfer die Absender sind, dann könnten in den Booten auch Gesinnungsgenossen sitzen. Italien hat mehr Angst vor dem, was in Nordafrika geschieht, als vor dem Krieg in der Ukraine. Vielleicht zu Recht.