Bozen – Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt? Wer diese Zeilen liest, hat wahrscheinlich gleich die dazu passende Melodie im Kopf. Mancherorts kann diese Frage jedoch kaum mehr beantwortet werden, denn das Zählen der Himmelskörper klappt nur, wenn die Nacht nicht durch zu viele (meist künstliche) Lichtquellen aufgehellt wird. Man spricht von der sogenannten Lichtverschmutzung. Theoretisch könnten nachts bei klarer Sicht etwa 6.000 Sterne mit bloßem Auge erkannt werden. In dicht besiedelten Gebieten sind es hingegen nur noch eine Handvoll, teils aber auch gar keine mehr. Die Lichter strahlen heute doppelt so hell wie noch vor 30 Jahren. In einem Leitfaden von Eurac und Landesagentur für Umwelt werden die Hauptverursacher der Lichtverschmutzung benannt:
- überdimensionierte oder überflüssige Lichtanlagen;
- Beleuchtungskörper, die das Licht nach oben streuen;
- Scheinwerfer, deren Lichtstrahlen in den Himmel leuchten und
- durchgehende nächtliche Beleuchtung.
All dies wirkt sich auf unterschiedliche Weise negativ aus: Lichtverschmutzung kann den Biorhythmus von Menschen durcheinanderbringen und zu Schlafstörungen führen. Tiere verlieren mitunter ihren Orientierungssinn, verwechseln die Nacht mit dem Tag und sterben im schlimmsten Fall. Für die Umwelt bedeutet die Beleuchtung eine Belastung durch die aufgewandte Energie und den damit zusammenhängenden Ausstoß von CO2. Dass kaum mehr Sterne zu sehen sind, stört nicht nur Hobbygucker, sondern hauptsächlich Berufsastronomen, deren Forschung erschwert wird.
Eine aktuelle Studie belegt nun, wie verschwenderisch die öffentliche Beleuchtung in Italien trotz all dieser Erkenntnisse teilweise noch ist. Dort belaufen sich die jährlichen Energiekosten für die nächtliche Außenbeleuchtung auf mehr als 1,7 Milliarden Euro (Stand 2017) bzw. 28,7 Euro pro Einwohner, während das europäische Mittel bei 16,8 Euro pro Kopf liegt. Fabio Falchi und Riccardo Furgoni haben in ihrem Bericht Light Pollution in USA and Europe: The good, the bad and the ugly die Lichtverschmutzung in Europa und den USA verglichen. Die beiden Forscher sind in diesem Gebiet bereits bekannt für die Veröffentlichung des Weltatlas der Lichtverschmutzung – The New World Atlas of Artificial Night Sky Brightness (2016). Berücksichtigt wurde in beiden Publikationen die Strahlung Richtung Himmel, da diese keine positiven Effekte für die Menschen mit sich bringt und somit als verschwendet bezeichnet werden kann. Falchi und Furgoni setzten für ihre neueste Studie die ermittelten Daten zur Lichtverschmutzung mit der Bevölkerungsdichte in Zusammenhang, aber auch mit dem Bruttoinlandsprodukt.
Zu vernachlässigen sind die Ergebnisse der skandinavischen Länder, da die Einwohnerdichte dort sehr gering ist. Von den besten 25 Regionen liegen 21 im deutschen Sprachraum, von den schlechtesten 13 in Portugal – und neun in Italien.
1.359 europäische NUTS3-Regionen sind in der Studie nach der Lichtverschwendung pro Kopf gelistet, 110 aus Italien. Unter den Top 40 Prozent findet sich kein italienischer Vertreter, in der gesamten oberen Hälfte der Rangliste sind es drei: Bozen landet auf Platz 578, hinter Neapel (567) und Genua (660). Die Lichtverschmutzung in Italien übersteigt das europäische Mittel um 40 Prozent. Grund zur Hoffnung geben jene Regionen, die relativ gut abschneiden. Lokale und nationale Maßnahmen zur Verringerung der Lichtverschmutzung stehen laut Studie in Zusammenhang mit einer Steigerung des BIP. Die Energieeffizienz steigt demnach, die CO2-Emissionen sinken.
Lange Zeit war das Bewusstsein für diese Art der Umwelt- und Energieverschmutzung gering. Straßenlaternen, Werbetafeln und blinkende Betriebe bestimmten das Erscheinungsbild der meisten Städte und Dörfer. In Südtirol wurde erstmals im Juli 2012 ein Gesetz erlassen, das Kriterien für effiziente öffentliche Außenbeleuchtung vorschreibt. Darin wird zum Beispiel festgehalten, dass Flächen und Gegenstände gezielt beleuchtet werden, um den Nachthimmel nicht unnötig zu erhellen. Außerdem sollen energie- und umweltschonende Beleuchtungskörper verwendet werden, zum Beispiel Natriumdampf- statt Quecksilberdampflampen, Halogen-Metalldampflampen oder Lichtemittierende Dioden (LED). Innerhalb eines Jahres mussten Land und Gemeinden einen Plan ausarbeiten, wie sie ihre Beleuchtung an die neuen Vorgaben anpassen wollen. An die Richtlinien halten müssen sich aber auch Unternehmen und Privatpersonen, die Außenbeleuchtungsanlagen mit mehr als 50 Lichtpunkten besitzen. Ein Lichtpunkt umfasst eine oder mehrere Leuchten im Außenbereich an einer gemeinsamen Halterung oder einem gemeinsamen Masten.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat sich einiges getan. Nicht nur für die Umwelt machen sich die Aktionspläne bezahlt, sondern auch für die Brieftasche, schließlich sind die dadurch erzielten Energieeinsparungen beachtlich. „Wir sprechen von 60 bis 70 Prozent bei den öffentlichen Gebäuden und bei der Straßenbeleuchtung“, sagt Armin Gasser, stellvertretender Amtsdirektor des Landesamtes für Energie und Klimaschutz. An fünf konkreten Grundsätzen kann man sich bei der Planung und dem Betrieb von Außenleuchten orientieren:
- Notwendigkeit – Prinzipiell sollte nur sicherheitsrelevante Beleuchtung vorgesehen und der Gesamtlichtstrom minimiert werden.
- Ausrichtung – Der Lichtstrom ist von oben nach unten zu richten, umgekehrt ist die Lichtlenkung von unten nach oben zu vermeiden.
- Lichtlenkung – Unnötige Emissionen kann man vermindern, indem das Licht präzise gelenkt wird.
- Helligkeit – Objekte sollten nur so hell beleuchtet werden wie notwendig.
- Lichtsteuerung – Außenbeleuchtung braucht es in den meisten Fällen nicht durchgehend. Mit Bewegungssensoren kann die Dauer leicht reduziert werden. Mit effizienter Steuerung lassen sich 20 bis 30 Prozent an elektrischer Energie einsparen.
Jede*r kann auf diese Art etwas dazu beitragen, dass die Nacht wieder dunkler wird – und das Sternezählen einfacher.