Pfalzen – Am vergangenen Freitag war der letzte Arbeitstag. Von den gut 50 Mitarbeitenden, die GKN Hydrogen im August noch hatte, ist nur mehr eine Handvoll an Bord, um die Liquidatoren aus Mailand zu unterstützen. Die Website ist nicht erreichbar, das Telefon am Firmensitz in Pfalzen klingelt durch. Dabei war GKN Hydrogen als Start-up-Hoffnung hoch gelobt worden, die mit ihrer Technologie einen riesigen Zukunftsmarkt bedienen sollte. Vereinfacht ausgedrückt, ermöglichte die Technologie, Wasserstoff sicher, verlustfrei und langfristig in Metallhydriden zu speichern, und hätte gewissermaßen ein Pusterer Beitrag zur viel zitierten Energiewende sein sollen.
Vom Hoffnungsträger zum Unbrauchbaren
Die Technologie wurde ursprünglich bei GKN Sinter Metals in Bruneck entwickelt. Im Mai 2021 erfolgte die Ausgründung als GKN Hydrogen, der Umzug nach Pfalzen und die Eröffnung einer Nordamerika-Zentrale im kalifornischen Carlsbad. 2023 betrug der Jahresverlust zwar 9,6 Millionen Euro und lag damit deutlich über dem Umsatz (6,3 Millionen), trotzdem wurde dem Unternehmen eine glorreiche Zukunft prophezeit.
„Wir sind glücklich, mit Langley einen Investor mit viel Leidenschaft für grüne Energie gefunden zu haben. Langley glaubt an unser Produkt.“
Im Sommer 2024 kam die Überraschung: Der britische Familienkonzern Langley, der weltweit über 5.500 Mitarbeitende in verschiedenen Branchen beschäftigt, kauft GKN Hydrogen. Bernard und William Langley kamen höchstpersönlich nach Pfalzen, um sich umzusehen. Der zum Management von GKN Hydrogen gehörende Guido Degen gab sich in einem SWZ-Interview voll Erwartungsfreude: „Wir sind glücklich, mit Langley einen Investor mit viel Leidenschaft für grüne Energie gefunden zu haben. Langley glaubt an unser Produkt.“ 27 Anlagen seien bereits in Betrieb, und Langley werde helfen, den Vertrieb und die Weiterentwicklung der (teuren) Wasserstoffspeicher zu beschleunigen. Degen versicherte, dass die Firmenzentrale trotz Eigentümerwechsel in Pfalzen bleiben werde, denn von den knapp 80 Mitarbeitenden seien 56 ebendort beschäftigt (der Rest in Bonn und Carlsbad). „Wir haben in Pfalzen mit Abstand die meisten Mitarbeiter und das meiste Know-how“, so Degen Anfang August 2024.
Ende Oktober schaute es plötzlich anders aus. GKN Hydrogen entließ 15 Personen. Es gebe Absatzschwierigkeiten, hieß es. Schon damals wurde gemunkelt, die neuen Eigentümer würden Entscheidungen über die Köpfe der Führungskräfte hinweg treffen.
Im Jänner erhielt die Belegschaft, darunter zahlreiche Hochqualifizierte, die Hiobsbotschaft: Bei GKN Hydrogen gehen die Lichter aus. Im Jahresbericht von Langley, veröffentlicht am 10. Februar, steht zu lesen: „Nach eingehender Analyse kam man zu dem Schluss, dass die Technologie praktisch nicht skalierbar ist und das Unternehmen daher wahrscheinlich nie finanziell tragfähig sein wird. Daher wurde beschlossen, die Geschäftstätigkeit zum Jahresende einzustellen.“
In Pfalzen werden 4.000 Quadratmeter Gewerbefläche frei
Es ist das jähe Aus für ein Greentech-Unternehmen, das zur Erfolgsgeschichte werden sollte. Ob die Väter der Speichertechnologie das Potenzial überbewertet haben oder ob die neuen Eigentümer zu schnell der Mut verlassen hat, ist von außen unmöglich zu beurteilen. Jedenfalls handelt es sich um ein eigenartiges Ende. Wozu hat Langley das Unternehmen gekauft? Haben sich die Marktaussichten seit August wirklich so radikal verschlechtert?
„Die Erweiterung ist fast bezugsfertig, und laut ursprünglichen Plänen hätten sie heuer einziehen sollen.“
Damit habe niemand rechnen können, staunt Josef Großgasteiger. Der Inhaber der Firma Alpinholz war der Vermieter von GKN Hydrogen. Da sei ein hochqualifiziertes Team am Werk gewesen, wie man es im Pustertal und überhaupt in Südtirol wohl kaum finde, sagt er. „Und plötzlich wird das mir nichts, dir nichts weggefegt“, wundert er sich. Schon seit Dezember, so sagt er, seien die Mietzahlungen ausständig. Dabei habe alles vielversprechend geklungen. Als sich GKN Hydrogen 2021 in seiner Immobilie in Pfalzen einmietete (Großgasteiger hatte die dortige Produktion von Festzeltgarnituren in die Slowakei ausgelagert), wurde schon über Expansionspläne geredet. Also ging Großgasteiger bald nach der Vertragsunterzeichnung in Vorleistung und baute neben der 2.000 Quadratmeter großen Immobilie weitere 2.000 Quadratmeter dazu: Halle, Büros, Garagen. „Die Erweiterung ist fast bezugsfertig, und laut ursprünglichen Plänen hätten sie heuer einziehen sollen“, so Großgasteiger, der jetzt unerwartet auf freien Flächen sitzt und sich nach neuen Mietern umschauen muss. Dafür klingt er erstaunlich gelassen. Tatsächlich ist er zuversichtlich. „Es handelt sich um fantastische Räumlichkeiten“, sagt er und hofft, dass sich bald Interessenten – auch kleinere Unternehmen – bei ihm melden. Spätestens wenn sich die Lage in der Automobilindustrie verbessere, würden die Zulieferer in Bruneck neue Flächen benötigen, blickt Großgasteiger voraus.
Was wird eigentlich aus den Mitarbeitenden von GKN Hydrogen? Die meisten von ihnen haben bereits neue Jobs in Aussicht, heißt es. Hochqualifizierte wie sie sind gefragt. Das Ende von GKN Hydrogen reißt trotzdem Wunden.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Jähes Ende einer Tech-Firma