Bozen – Die Zeit, in der die Zinslast für Kredite mitunter mehr als fünf Prozent ausmachte, ist vorbei. Nachdem der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) ab Mitte 2023 über ein Jahr lang bei über vier Prozent und in der Spitze bei 4,5 Prozent lag, wurde er kontinuierlich auf derzeit 2,15 Prozent gesenkt. Die über viele Jahre gewohnte Nullzinspolitik ist zwar in weiter Ferne, doch das Zinsniveau bewegt sich nun auf einem halbwegs erträglichen und – im historischen Blick – normalen Niveau.
Die hohe Zinslast hatte sich auf das Kreditgeschäft ausgewirkt. 2023 und 2024 war das Kreditvolumen in Südtirol rückläufig – bei den Privathaushalten und etwas deutlicher bei den Unternehmen, wenngleich alles in einem überschaubaren Bereich. Seit Herbst 2024 ist nun wieder ein leichter Anstieg des Kreditvolumens zu beobachten, wie offizielle Daten der Banca d’Italia belegen, die bis zum Juli dieses Jahres reichen.
Ein Rundruf bei den Banken zeigt, dass dieser Aufwärtstrend weiter anhält. Allerdings zieht er sich bei den Unternehmen nicht durch alle Sektoren.
Die Industrie bremst noch
Simon Ladurner, Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank (RLB), erklärt: „Wir stellen eine leicht anziehende Nachfrage im Tourismussektor, bei den Aufstiegsanlagen und in der Energiebranche fest, zum Teil auch bei den Bauträgern und im Handwerk. Eine recht verhaltene und teilweise sogar rückläufige Nachfrage gibt es derzeit noch in der Industrie. Dort ist die Unsicherheit aufgrund der Zölle groß. Zudem sind gewisse Sektoren von Modetendenzen betroffen: So ist etwa der Weinkonsum rückläufig, weshalb die Investitionsfreude derzeit nicht so groß ist.“
Auch Georg Mair am Tinkhof, CFO und Vizegeneraldirektor der Südtiroler Volksbank, spricht von positiven Investitionstendenzen vor allem im Tourismus, Tiefbau, in der IT-Branche und im Dienstleistungssektor. Im Verarbeitenden Gewerbe, Transportwesen und Handel zeige sich hingegen ein heterogenes Bild, je nach spezifischer Branche.
„Gesetzeslage nicht optimal“
Die bis Ende Juli reichenden Daten der Banca d’Italia bestätigen die Erkenntnis, dass in der Industrie weiter die Handbremse angezogen ist. Gegenüber dem Höchststand der vergangenen Jahre im November 2022 sank das Kreditvolumen in Südtirol um mehr als 25 Prozent. Seit einem Jahr hat sich der Abwärtstrend immerhin etwas verlangsamt. Auch im Baugewerbe ist die Trendwende nach einem Rückgang von mehr als zehn Prozent im Dreijahreszeitraum noch nicht ganz vollzogen.
Wesentlich besser sehen die statistischen Daten für den Dienstleistungssektor aus, zu dem auch der Tourismus gehört. Dort näherte man sich bereits im Juli wieder den Höchstständen, nachdem der Rückgang des Kreditvolumens nicht sehr groß gewesen war.
Moritz Moroder, Verantwortlicher der Direktion Commercial Banking bei der Südtiroler Sparkasse, merkt generell an, dass die aktuellen urbanistischen Rahmenbedingungen in Südtirol für Investitionen nicht optimal seien. „Viele Betriebe könnten es sich leisten, mehr zu investieren, wenn sie dürften“, so Moroder, der Mitarbeiterhäuser für Hotels als Beispiel nennt.
Längere Laufzeiten bei Privaten
Bei den Privathaushalten, also im Wesentlichen bei den Wohnkrediten, spricht Moritz Moroder von einer guten, wachsenden Nachfrage. Dabei seien länger werdende Laufzeiten festzustellen: „25 Jahre sind fast schon zum Standard geworden. Teilweise werden sogar schon 30 Jahre gewählt.“
Der Grund ist schnell gefunden: Die in Südtirol sehr hohen Baukosten und Immobilienpreise machen eine Finanzierung schwierig. „Das bremst die Nachfrage, wenngleich sie höher ist als 2023 und 2024“, sagt RLB-Generaldirektor Simon Ladurner.
Laut Volksbank-CFO Georg Mair am Tinkhof seien andererseits die gesunkenen Zinsen ein positiver Einflussfaktor, ebenso die Lohnerhöhungen in vielen Unternehmen, die niedrige Arbeitslosigkeit und die ausgebauten Wohnbau-Unterstützungsmaßnahmen des Landes. „Diese scheinen erste Wirkung zu zeigen“, meint Mair am Tinkhof.
Fix oder variabel?
Beim vorwiegend gewählten Zinsmodell – fix oder variabel – unterscheiden sich Unternehmen und Privathaushalte. Betriebe wählen in den allermeisten Fällen eine variable Verzinsung, heißt es von den Banken. Das sei traditionell so und habe damit zu tun, dass die Laufzeiten meist nicht sehr lang sind.
Eine Rückkehr zur Nullzinspolitik, die jahrelang bis Mitte 2022 herrschte, ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.
Bei den Privathaushalten hingegen wechseln die Trends je nach Zinsumfeld. Und: Auch unter den Banken scheint es keine klare Linie zu geben. Zur Einordnung vorab: Der Referenzzinssatz für fix verzinste Darlehen, der IRS, liegt derzeit bei längeren Laufzeiten bei knapp drei Prozent. Jener für variable Zinsen, der Euribor, bewegt sich aktuell bei gut zwei Prozent. Auf diese Referenzwerte wird jeweils noch der sogenannte Spread aufgeschlagen, der je nach Kredit- und Kundendetails variiert.
Moritz Moroder von der Sparkasse sagt, die Privathaushalte würden weiterhin vorwiegend auf Fixzinsen setzen, um sich die Rate zu sichern, obwohl der Euribor niedriger als der IRS ist. Laut Georg Mair am Tinkhof von der Volksbank hingegen hat das Bild völlig gedreht: „Während im Vorjahr der überwiegende Teil der Privatkunden noch einen Fixzinssatz wählte, wählen sie jetzt verstärkt eine variable Verzinsung, um zumindest in der Anfangszeit von einem niedrigeren Zinssatz zu profitieren.“ Auch die Raiffeisen-Kundschaft wählt laut RLB-Generaldirektor Simon Ladurner derzeit zum Großteil variable Zinsen.
Wo die Reise hingeht
Aktuell ist sich der Markt einig, dass die Zinssenkungsphase der EZB erst einmal abgeschlossen ist und der Leitzins zumindest bis ins nächste Jahr hinein im Bereich von zwei Prozent bleibt. Das könne auch für längere Zeit so sein, denn es handle sich um ein normales Zinsniveau, erklären die drei befragten Bänker und fügen unisono hinzu: „Sofern nichts Gravierendes passiert.“
Volksbank-Vizegeneraldirektor Georg Mair am Tinkhof sagt: „Das Umfeld ist aktuell äußerst unsicher – zwischen geopolitischen Risiken und den Auswirkungen der Zölle auf die Inflation und die wirtschaftliche Entwicklung.“
Eine Rückkehr zur Nullzinspolitik, die aufgrund der niedrigen Inflation und bescheidenen Wirtschaftsentwicklung jahrelang bis Mitte 2022 herrschte, ist aus heutiger Sicht jedenfalls unwahrscheinlich. Das bedeutet: Kreditnehmer:innen müssen weiterhin mit einer klar spürbaren Zinsbelastung rechnen.
Dieser Artikel ist in der gedruckten SWZ mit folgendem Titel erschienen: Wachsende Nachfrage
















