Innsbruck/Brixen/Lienz – 1. März 1990. Christopher Inwinkl kommt in Osttirol zur Welt. Er verbringt dort seine Kindheit und Jugend, bevor er beschließt, nach Innsbruck zu gehen, um Wirtschaft zu studieren. Nebenher schließt er mehrere Fitnesstrainerausbildungen ab.
20. März 1994. Laura Gruber wird in Brixen geboren. Von klein auf spielt Sport eine große Rolle in ihrem Leben. Sie bestreitet Skirennen, ist aber auch musikalisch. Nach der Matura am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium mit Schwerpunkt Musik beginnt sie, Wirtschaftsrecht in Innsbruck zu studieren. Außerdem bildet sie sich im Trainings- und Ernährungsbereich weiter.
„Wir haben dasselbe Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden.“
In der Nordtiroler Landeshauptstadt kreuzen sich die Wege des Osttirolers und der Südtirolerin zum ersten Mal. Bald merken sie, dass sie eine gemeinsame Leidenschaft verbindet. „Wir haben dasselbe Verständnis von Gesundheit und Wohlbefinden“, sagt Gruber. Die beiden werden ein Paar, zunächst privat. Während Gruber in einer Anwaltskanzlei arbeitet, beginnt Inwinkl, ein Einmannunternehmen als Coach und Personal Trainer aufzubauen. Gruber unterstützt ihn dabei, unter anderem beim Marketing. Als die Coronapandemie die Welt trifft, kommt bei dem Paar die Frage auf: Kann man das, was Inwinkl bisher gemacht hat, gemeinsam größer und ganzheitlicher aufziehen? Die beiden glauben: ja. Zu der privaten Verbindung kommt die berufliche. Es ist Ende 2020: die Geburtsstunde von bhealth.
Im Schnitt zwölf Prozent mehr Produktivität
Mit ihrem Start-up wollen Gruber und Inwinkl die Themen Gesundheit und Wohlbefinden in die Unternehmen bringen, indem sie maßgeschneiderte Gesundheitskonzepte für deren Mitarbeitende entwickeln. „Die Unternehmen sind ein riesiger Hebel, um unser Gesundheitssystem zu verbessern“, betonen die Gründerin und der Gründer. „Bisher ist dieses System leider kurativ statt präventiv aufgebaut. Das heißt, der Fokus liegt auf dem Heilen statt auf der Vorbeugung. Wir wollen dazu beitragen, das zu ändern.“ Das Start-up möchte deshalb die Gesundheitskompetenz in den Unternehmen stärken, indem es die passenden Werkzeuge mitgibt, um das Thema in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Eine Frage, die häufig in den Führungsriegen aufkommt: Liegt die Verantwortung für die eigene Gesundheit nicht bei der oder dem Einzelnen? Ja, doch im Zeitalter der Arbeitsverdichtung, der Verschmelzung von Beruflichem und Privaten, zunehmender Komplexität und Multitasking steigen Druck und Stress gleichermaßen, weiß das Gründerpaar. Von der Zeit für die eigene Gesundhaltung werde gerne zuerst ein Teil abgezwackt. Die Folgen sind bekannt. Erkrankungen nehmen zu, körperliche, aber vor allem auch seelische.
„Es heißt, für jeden Euro, der in die Mitarbeitergesundheit investiert wird, kommen drei Euro zurück.“
Beiden innerhalb eines Unternehmens vorzubeugen, nennt sich betriebliches Gesundheitsmanagement. „Ein Wortmonster, das sich nicht so gut verkaufen lässt“, stellt Gruber fest. „Die Entscheidungsträgerinnen und -träger, mit denen wir zu tun haben, sind ZDF-Menschen: Zahlen, Daten, Fakten. Unsere erste Aufgabe besteht deshalb darin, sie von der Sinnhaftigkeit unseres Angebots zu überzeugen.“ Wer das Thema im eigenen Unternehmen umsetze, erreiche weniger Krankenstand, mehr Produktivität – laut Studien im Schnitt um zwölf Prozent – und werde attraktiver als Arbeitgeber. „Es heißt, für jeden Euro, der in die Mitarbeitergesundheit investiert wird, kommen drei Euro zurück“, sagt Inwinkl. „Gerade am Anfang bemerken wir immer wieder einen großen Fokus auf die Kennzahlen. Wenn wir ein Unternehmen dann länger begleitet haben und seriöse Zahlen liefern könnten, winken die Geschäftsführer dann häufig ab. Sie sehen unter anderem, wie sehr sich die Unternehmenskultur verbessert hat.“
„Wir wollen Pep reinbringen“
Wer sich heute entscheidet zu investieren, kann also nicht sofort auf Ergebnisse pochen. „Manchmal sind die Erwartungen allerdings unrealistisch: Ein Unternehmen will einen Gesundheitstag veranstalten und dadurch die Krankenstände reduzieren. Mitarbeitergesundheit ist ein Prozess, weshalb wir immer versuchen, langfristig zusammenzuarbeiten“, erklärt Gruber. Rund 60 Kundinnen und Kunden haben sich bisher selbst ein Bild von der Arbeit des Start-ups gemacht.

Zu Beginn eines jeden Auftrags steht die Bedarfsanalyse: Was braucht das jeweilige Unternehmen überhaupt? Anschließend kann aus einer Palette an Maßnahmen gewählt werden. Dazu zählt etwa die ergonomische Arbeitsplatzanalyse, bei dem das Know-how der Mitarbeitenden optimiert werden soll. Der Arbeitsplatz wird angepasst, dazu gibt es Strategien für das eigene Verhalten an die Hand. Gesundheitstage finden sich ebenfalls im Portfolio (Kernthemen: Bewegung, Ernährung und Stressmanagement), außerdem Fachvorträge (von Resilienz über Training bis hin zu erholsamem Schlaf), Bewegungskurse (in Präsenz und online), Workshops und eine digitale On-demand-Gesundheitsplattform. Mit ihr will das Start-up die Mitarbeitenden auch langfristig unterstützen.
„Wir wollen wirklich Pep reinbringen“, betonen Gruber und Inwinkl. „Es nützt niemandem etwas, wenn die Leute aus einem Kurs rausgehen und sich denken: ,So eine Zeitverschwendung.‘“ Sie sehen sich daher als die „Umsetzer“, praxisnah bei den Menschen. „Wir kennen das alle: viel zu tun, wenig Zeit. Wir zeigen, wie sich Gesundheit und Wohlbefinden mit einem Alltag zwischen Arbeit und Privatem kombinieren lassen“, sagt Gruber. In den Workshops wird daher auch schon mal zusammen eingekauft. Worauf ist zu achten? Welche versteckten Tricks nutzen die Hersteller? Wo steckt Zucker drin? Welche Apps können unterstützen? All das lasse sich am besten direkt im Supermarkt erarbeiten. Gemeinsames Kochen steht ebenfalls in manchen Workshops auf dem Programm. „Wir machen alles so niederschwellig wie möglich. Der Mensch ist nämlich von Natur aus ein kleines Faultier, das die Einfachheit liebt“, erklärt Gruber.
Jahresbudget von 10.000 bis 30.000 Euro
Weil jedes Unternehmen anders ist, sind dem Start-up maßgeschneiderte Lösungen wichtig. Mit einem Jahresbudget von 10.000 bis 30.000 Euro könne ein sinnvolles Programm ausgearbeitet werden, so Inwinkl und Gruber. „Sobald die Basisstrukturen geschaffen sind, pendeln sich die Ausgaben auf einem niedrigeren Niveau ein.“ Die Investition in die Gesundheit der eigenen Beschäftigten sollte dabei betrachtet werden wie jede andere vom Betrieb getätigte, etwa in Marketing. Frei nach dem Motto: Gesunde Mitarbeitende kosten Geld, kranke ein Vermögen. „Unterschätzt wird auch der Einfluss auf die Produktivität. Den Angestellten ist es wichtig, dass ihre Firma auf sie schaut und sie wertschätzt. Wenn dieses Gefühl vermittelt wird, zum Beispiel, indem auf ihre Gesundheit geachtet wird, kann das sehr motivierend wirken“, so Gruber.
„Wir machen alles so niederschwellig wie möglich. Der Mensch ist nämlich von Natur aus ein kleines Faultier, das die Einfachheit liebt.“
Die Hauptzielgruppe von bhealth sind mittlere Unternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitenden, wobei auch zwei große Unternehmen mit einer Belegschaft zwischen 1.500 und 2.000 Beschäftigten zur bhealth-Kundschaft zählen. In dieser Größenordnung gelinge es noch gut, das gesamte Team anzusprechen. Alle gleichermaßen mitzunehmen, sei jedoch utopisch. „Eine Quote von 30 Prozent ist schon sehr gut. Und: Jeder, den wir erreichen, ist ein Gewinn. Das wird oft vergessen“, sagt Gruber. „Wir können Gesundheit schmackhaft machen, aber manche interessiert es schlicht nicht“, ergänzt Inwinkl.
Zugute kommt dem Start-up, dass Employer Branding derzeit in aller Munde ist. Verschiedenste Fachleute verweisen in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Mehr Rückenwind für das Thema wünscht sich bhealth hingegen von der Politik. „Immer und überall ist, richtigerweise, von Nachhaltigkeit die Rede. Unsere Gesundheit spielt dabei eine wesentliche Rolle und gehört daher entsprechend gefördert“, unterstreich Inwinkl.

„Sag niemals nie“
Bis es so weit ist, versuchen die Gründerin und der Gründer die Unternehmen selbst zu überzeugen. Nach Nordtirol wollen sie nun in Südtirol Fuß fassen, mittelfristig in der gesamten Euregio. Bisher teilen Gruber und Inwinkl die Verwaltungsaufgaben unter sich auf. Sie ist zuständig für Marketing, Recht und Produktentwicklung, er für Vertrieb, Sales und Finanzen. Um den Kunden „den bestmöglichen Service zu bieten“, arbeitet das Start-up mit Coaches und Fachleuten aus den verschiedenen Bereichen zusammen. Sechs Coaches gehören dabei zu ihrem Kernteam und 20 weitere Netzwerkpartner:innen werden je nach Kundenbedarf eingesetzt. „Wir können uns aber definitiv vorstellen ein Team mit fixen Mitarbeitenden aufzubauen“, sagt Gruber. „Uns ist es allerdings wichtig, nachhaltig zu wachsen. Deshalb lassen wir uns damit noch etwas Zeit.“
Würden sie ihr Start-up eines Tages verkaufen, wenn das Angebot stimmt? „Wenn wir weiter so für das Thema brennen, kann ich mir das nicht vorstellen. Dann müssten wir uns ja eine neue Erfüllung suchen“, lacht Gruber. „Außer der Impact würde dadurch sehr viel größer. Wie immer in der Start-up-Welt muss die Antwort wohl lauten: Sag niemals nie.“
DIE SERIE Die SWZ stellt in diesen Wochen in der Serie „Start-up Südtirol“ junge Unternehmen und deren Gründer:innen vor, so wie bereits in den vergangenen Jahren. Alle Artikel können hier und in der SWZapp gelesen werden.