Lana – Ein paar Macarons auf dem Foto liegen, manche sind aufgestellt. Dazu ein paar Cupcakes und Kuchen am Stil, von denen je nur ein Teil zu sehen ist. Als Untergrund dienen zwei Buchseiten. Über das Essen hat es getrocknete Himbeeren geregnet. Die roten Stückchen leuchten zwischen den gedeckten Farben der Süßspeisen. Was mühelos aussieht, bedeutet für Anna Schwarz Laner harte Arbeit. Die 24-Jährige ist Food-Fotografin: Sie inszeniert Lebensmittel und Getränke – und fängt mit ihrer Kamera Momente ein, die Appetit machen.
Um 5 Uhr morgens am Basteln
Für das Gespräch mit der SWZ empfängt Anna in ihrer Wohnung in Lana. Durch den Gang führt sie an der Küche vorbei ins helle Wohnzimmer. Auf den ersten Blick zeigt sich ihr Gespür für Ästhetik und Farben. Dunkle Grüntöne, Weiß, Beige und Holz harmonieren hier und schaffen eine stimmige Atmosphäre. Der Raum ist zweigeteilt, der eine Teil dient zum Entspannen, der andere zum Arbeiten. Auf dem Schreibtisch steht ein großer Bildschirm, davor ein Laptop. An den Wänden hängen Fotos, die Anna geschossen hat, hauptsächlich Naturaufnahmen. Der Karersee, der Blick vom Passo di Giau, Surfer im französischen Biarritz. Anna, glatte braune Haare, runde Brille, setzt sich aufs Sofa. „In dieser Wohnung bin ich aufgewachsen“, erklärt sie. Mittlerweile lebt sie alleine hier.
Dass sie irgendwann einen kreativen Beruf ausüben würde, habe sich früh abgezeichnet. „Als kleines Kind war ich schon um 5 Uhr morgens wach und vor der Schule am Basteln“, erinnert Anna sich. Zur Erstkommunion bekam sie von ihrem Vater, dem bekannten Reformpädagogen Christian Laner, ihre erste kleine Kompaktkamera geschenkt. Sie ist leichter als eine Spiegelreflexkamera. Fortan begleitete sie das Fotografieren als Hobby und prägte auch die Wahl ihrer Oberschule, die auf das Kunstgymnasium Meran fiel. Am Ende waren es aber hauptsächlich der Freund ihrer Firmpatin und die Partnerin ihres Vaters, die Anna alles rund um die passende Kameraeinstellung beibrachten.
Den konkreten Entschluss, effektiv Fotografin zu werden, fasste Anna in der Schule. Als sie 18 war, fragte eine Lehrerin nach den Berufswünschen in der Klasse. „Ich will Fotografin werden“, sagte Anna. „Und wofür?“, hakte die Lehrerin nach. „Sport und Food“, sprudelte es aus Anna heraus. Die entsprechende Ausbildung für Sportfotografie hätte eine Uni in Paris angeboten. Der Haken: 30.000 Euro Gebühren. Anna entschied sich pragmatisch für die zweite Nische, da sie während des letzten Schuljahres – im ersten Jahr der Pandemie – das Kochen für sich entdeckt hatte. In den vergangenen fünf Jahren bildete sie sich immer wieder online im Bereich Food-Fotografie weiter. „Fast alle Angebote waren auf Englisch, was ich kaum konnte. Jetzt spreche ich es fließend“, lacht Anna.
„Mama, bitte räum dein Schlafzimmer aus“
Zunächst suchte sie sich nach der Matura noch einen Job. Gar nicht so einfach im Coronajahr 2020. Sie heuerte als Grafikerin an, wusste aber bald: Ich möchte viel lieber meine eigene Chefin sein. Nach der Arbeit ging es daher oft noch daheim ans Fotografieren. Sie schrieb Unternehmen an, Köchinnen und Köche, Restaurants, Eisdielen. Deren Produkte setzte sie im Wohnzimmer in Szene, um so ihr eigenes Portfolio aufzubauen. 2024 machte Anna sich dann selbstständig, arbeitete aber nicht allein, sondern im Kollektiv bei Herb Media. Zu Hause entstand in der Zwischenzeit ihr eigenes Studio. Dafür musste sie einen Wunsch an ihre Mutter richten: „Mama, bitte räum dein Schlafzimmer aus.“
Anna steht auf. Sie verlässt das Wohnzimmer, öffnet die Tür nebenan: Hier findet sich seit etwa einem Jahr ihr Arbeitsreich. An den Wänden lehnt die Studioeinrichtung: Holzplatten, Tischböcke, Stative. Die Raummitte, wo Anna alles für ihre Aufträge aufbaut, bleibt derzeit leer. „Ich shoote momentan fast alles im Freien bei den Kunden“, erklärt Anna. Ihr Ziel: „Ich möchte die Leute mit meinen Fotos dazu bewegen, in ein bestimmtes Lokal zu gehen oder etwas Bestimmtes essen oder trinken zu wollen.“ Um das zu erreichen, achtet Anna auf das richtige Licht, die passende Kameraeinstellung, aber auch darauf, die Werte ihrer Kundinnen und Kunden in ihren Bildern widerzuspiegeln. „Ich bin überzeugt, dass es spezialisierte Fotografinnen und Fotografen braucht. Wenn jemand alles macht, kann er kaum in allen Bereichen perfekt sein. Das ist ähnlich wie bei Köchen und Patissiers“, sagt Anna.
Ein Kochbuch mit Omas Rezepten
Für einen klassischen Auftrag bereitet Anna eine Shotlist vor. In diese Tabelle trägt sie die zu fotografierenden Themen ein und die Uhrzeiten. Außerdem erstellt sie ein Moodboard, eine digitale Tafel, auf der sie Ideen fürs Shooting präsentiert. Zu ihrer Kundschaft zählen Restaurants, Hotels, Bäckereien, Konditoreien, Lebensmittelproduzenten, Köchinnen und Köche.
Wenn Anna sie nicht gerade vor Ort besucht oder die Produkte im Studio shootet, hat sie eine Alternative ebenfalls bei sich in der Wohnung parat: ihre Küche. Eine kleine Durchreiche verbindet sie mit dem Wohnzimmer. Sie ist im Landhausstil gehalten, weiß mit Arbeitsfläche in Holzoptik, Kassettenfronten und leicht geschwungenen schwarzen Griffen. Hier und im Studio fotografiert Anna zurzeit auch etwas ganz Persönliches: ein Kochbuch mit Rezepten ihrer Großmutter. Abgesehen davon lässt sie die Kamera in ihrer Freizeit immer öfter ausgeschaltet. Weil sie so viel während der Arbeit fotografiert? „Genau, ich habe zum Glück viel zu tun und bin bis September ausgebucht, da kann ich nach Feierabend gut etwas Abwechslung vertragen“, sagt Anna.

Ein Name, der zu allem passt
Anna ist zwar jung, doch sie weiß genau, was sie will, so sagen es ihre Freundinnen. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, kämpfe ich dafür“, so sagt es Anna selbst. In der Schule sei sie noch oft unterschätzt worden. „Meine Lehrer meinten, ich sei zu schüchtern, um mal eine Führungsrolle zu übernehmen. Jetzt bin ich meine eigene Chefin“, erklärt Anna, „mit meinem eigenen Unternehmen.“
Ihren Ein-Frau-Betrieb versah sie mit einem Logo in zwei Farben. Das erdige Weinrot namens „Marsala“ steht für Annas Energie, die sie in ihren Fotos transportieren möchte. Dazu gesellt sich Beige, das für Natürlichkeit steht. „Mir ist es wichtig, dass das Essen so natürlich wie möglich ist, also keine Früchte aus Plastik und Co.“, sagt Anna. „Die Kombination aus kräftigen und neutralen Farben ist schon ein Markenzeichen von mir“, stellt Anna fest. Getauft hat sie ihr Unternehmen nannls bewusst ohne direkten Bezug zur Food-Fotografie, dafür zu ihrer Kindheit. Den Spitznamen, den ihr Vater ihr damals gab, „Nannele“, wandelte sie um zu „nannls“. „Das passt zu allem. Meine Generation macht in den seltensten Fällen das ganze Leben lang dasselbe. So bin ich flexibel, falls ich mal wechseln möchte“, lacht Anna.
Ideen hätte sie zur Genüge. Reiseberaterin werden zum Beispiel. Mittlerweile plant Anna nicht nur ihre eigenen Reisen, sondern manchmal auch die von Freunden. Oder hauptberuflich als Referentin arbeiten. Nebenbei macht sie das schon, seit sie 16 ist. Vier Jahre lang leitete sie Lego-Robotikkurse für Kinder beim Handwerkerverband lvh. Aktuell bietet sie unter anderem Stop-Motion-, Food-Fotografie- und allgemeine Fotografiekurse an. Außerdem ist sie Zirkus- und Einradtrainerin. Das Fahrzeug ist ihre dritte große Leidenschaft nach dem Fotografieren und Reisen.
Vorerst verfolgt Anna aber eine andere Vision: Südtirols bekannteste Food-Fotografin zu werden.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie hier und in der SWZapp.