Bozen – „Eine mechanische Uhr ist eine technische Meisterleistung“, sagt Arno Ranzi, Inhaber und Geschäftsführer des Juweliergeschäfts Ranzi. Sie sei Ausdruck eines Lebensstils und des Status. Wohl auch deshalb erfreuen sich gerade Luxusuhren seit Generationen großer Beliebtheit. Während viele günstigere Marken am Markt erscheinen und nach einigen Jahren wieder verschwinden, halten sich Namen wie Rolex oder Omega seit Jahrzehnten. So setzten die Big Five – Rolex, Cartier, Omega, Audemars Piguet und Patek Philippe – im vergangenen Jahr 22 Milliarden Euro um. Rolex allein, die umsatzstärkste Luxusuhrenmarke, erreichte einen Umsatz von elf Milliarden Euro.
Bis zu sechsstellige Preise
Die Preise einer Luxusuhr reichen von ein paar Tausend Euro bis weit über 50.000, einige Modelle sind für sechsstellige Beträge zu haben. Nach oben hin ist alles offen. „Der Preis setzt sich zusammen aus den Materialien, der Verarbeitung, der Exklusivität – von einigen Modellen gibt es sehr kleine Stückzahlen – und aus den eingebauten Komplikationen“, erklärt ein Branchenkenner im Hintergrundgespräch. Komplikationen sind Zusatzfunktionen, die über die gewöhnliche Anzeige von Stunde, Minute und Sekunde hinausgehen.
„Eine solche Uhr kauft man nicht, um die Zeit abzulesen. Sie ist Ausdruck des Stils, des Lebensgefühls.“
Ein Beispiel dafür ist der Tourbillion. Diese Komplikation zähle zur uhrmacherischen Königsdisziplin, so der Insider. Ihr Hauptzweck liegt darin, die Wirkung der Schwerkraft auf die Funktion einer mechanischen Uhr zu verringern. Weitere Komplikationen sind beispielsweise die Mondphasenanzeige, bei der auf dem Zifferblatt die aktuelle Lichtgestalt des Mondes abgebildet wird, oder die Repetition. Dabei wird ein mechanisches Läutwerk in das Uhrwerk integriert, das die Zeit akustisch wiedergeben kann. Der Kenner fasst zusammen: „Eine solche Uhr kauft man nicht, um die Zeit abzulesen. Sie ist Ausdruck des Stils, des Lebensgefühls.“
Bei Luxusuhren gibt es, ähnlich wie bei Kleidern oder Musik, ebenfalls Trends, erklärt Arno Ranzi. „Sie kommen und gehen aber deutlich langsamer als in anderen Segmenten.“ Aktuell würden die Modelle wieder kleiner werden als in den vergangenen Jahren, viele auch sportlicher. „Einige Uhren sind im Vintage-Look“, beobachtet Ranzi. Daneben gebe es zahlreiche Modelle, die seit Jahren dieselben sind.
Eine Uhr als Anlage?
Die meisten Kundinnen und Kunden kaufen die Uhr für sich selbst, manchmal werden sie zu einem besonderen Anlass verschenkt, ist aus dem Südtiroler Uhrenhandel zu hören. Daneben gebe es Sammler:innen, die stets auf der Suche nach besonderen Modellen sind. „Aber wir haben auch Kunden, die die Uhren als Wertanlage kaufen“, erklärt ein Händler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Das sei risikobehaftet. „Man weiß nie, in welche Richtung sich der Preis und die Nachfrage eines Modells entwickeln. Der Wert kann sich verdoppeln – oder halbieren.“
Während der Pandemie wurden Luxusuhren als Geldanlage plötzlich sehr gefragt, es entwickelte sich ein regelrechter Hype. Genauso wie andere Luxusgüter, etwa Handtaschen oder Champagner, zählten Luxusuhren zu den Gewinnern der Coronapandemie. Befeuert wurde ihr Höhenflug von Social-Media-Influencern und -Influencerinnen, die ihrem Publikum schnelle Gewinne versprachen. Die Preise stiegen in die Höhe, ein Umsatzrekord folgte dem nächsten.
Dann, im vergangenen Jahr, ließen die Verkäufe nach.
„Eines der kompliziertesten Jahre überhaupt“
Noch liegen nicht alle Geschäftsberichte für 2024 vor, doch fest steht schon jetzt: 2024 war ein schwieriges Jahr für die Uhrenindustrie. „Für nahezu alle Uhrenbrands war 2024 eines der kompliziertesten Jahre überhaupt“, sagte Oliver Müller kürzlich gegenüber dem „manager magazin“. Müllers Agentur LuxeConsult erstellt zusammen mit der Investmentbank Morgan Stanley den jährlichen „Swiss Watches“-Report. Darin ist zu lesen: Selbst die eigentlich krisenresistenten Big Five – Rolex, Cartier, Omega, Audemars Piguet und Patek Philippe – haben die Kaufzurückhaltung zu spüren bekommen.
Im Durchschnitt verzeichneten die Schweizer Uhrenexporte 2024 einen Rückgang von 2,8 Prozent im Vergleich zu 2023, liest man auch in den Exportstatistiken des Verbands der Schweizer Uhrenindustrie FH.
Im Durchschnitt verzeichneten die Schweizer Uhrenexporte 2024 einen Rückgang von 2,8 Prozent im Vergleich zu 2023, liest man auch in den Exportstatistiken des Verbands der Schweizer Uhrenindustrie FH. Ausschlaggebend war ein Einbruch auf dem chinesischen Markt: Die Verkäufe gingen dort um 25,8 Prozent zurück. In Hong Kong schrumpften sie um 18,7 Prozent. Im wichtigsten Markt für die Uhrenindustrie – den USA – wurden hingegen fünf Prozent mehr Uhren verkauft.
Auch in Südtirol spüre man, dass die Verkäufe nach dem Corona-Hoch nachlassen, allerdings nicht in demselben Ausmaß wie auf den internationalen Märkten, sagt Arno Ranzi.
Die kürzer werdenden Auftragslisten ließen die Uhrenhersteller nicht kalt, wie mehrere Medien beobachteten, und mündeten bei einigen Marken in Personalrochaden. Nie in den letzten 20 Jahren gab es so viele neue Ernennungen, Absetzungen und Wechsel in den Chefetagen der Schweizer Uhrenindustrie wie 2024, schreibt etwa die Neue Zürcher Zeitung. Beim LVMH-Konzern gab es mehrere Personalwechsel, genauso wie beim Richemont-Konzern.
Die Preise normalisieren sich wieder
International werden als Gründe für die geschmälerte Kauflust die globale Unsicherheit, Wirtschaftsflauten und die Inflation genannt. Auch steigende Preise in den vergangenen Jahren hätten zum Konsumrückgang geführt, sagt Oliver Müller gegenüber dem „manager magazin“. Viele Marken hoben demnach die Preise 2023 und 2024 zwei- bis fünfmal an.
Arno Ranzi spricht einen weiteren Trend auf dem Uhrenmarkt an: die Konzentration auf wenige Marken.
Dass mehrere Erhöhungen stattgefunden haben, bestätigt ein Fachmann der SWZ in einem Hintergrundgespräch. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis war teilweise nicht mehr vernünftig. Die Preissteigerungen waren für viele Kunden nicht nachvollziehbar.“ Als Gründe hätten die Marken den höheren Goldpreis angegeben oder höhere Personalkosten. Auch der Wechselkurs des Schweizer Franken trieb den Preis in die Höhe. Kürzlich, bei einer Messe in der Schweiz, bei der die Hersteller ihre Modelle präsentieren, sei aber eine Korrektur bei der Preispolitik sichtbar gewesen.
Arno Ranzi spricht einen weiteren Trend auf dem Uhrenmarkt an: die Konzentration auf wenige Marken. „Es gibt einige Marken, die sich nach wie vor sehr gut verkaufen und deren Verkaufszahlen sogar leicht steigen. Daneben gibt es andere, die Rückgänge verzeichnen.“ Namen will Ranzi keine nennen.
Der eingangs erwähnte Brancheninsider beobachtet die Konzentration ebenfalls. Er erklärt sie wie folgt: „Der Boom der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass einige Marken kurzfristige Entscheidungen getroffen haben, als sie auf der Erfolgswelle geschwommen sind, ohne an die Konsequenzen zu denken.“ Diese Entscheidungen würden nun, wo die Bestellbücher leerer werden, zu Schwierigkeiten führen.
Das Amazon der Uhren
Was den internationalen Uhrenmarkt seit einigen Jahren ebenfalls beschäftigt, ist der zunehmende Kauf von Waren im Netz. Einige Marken sowie Juweliere haben einen Onlineshop eröffnet, andere listen lediglich ihre Modelle auf und betreiben eine Art digitalen Katalog.
Daneben gibt es mehrere Plattformen, auf denen Händler sowie Privatpersonen ihre Uhren verkaufen können. Der wichtigste Name diesbezüglich ist Chrono24. Dabei handelt es sich um die weltweit größte digitale Handelsplattform für Uhren. Millionen von Uhrenfans auf der ganzen Welt nutzen dieses „Amazon für Uhren“, um Modelle zu finden, Preise zu vergleichen und Käufe zu tätigen. Wer den Wert einer Uhr herausfinden will, kann dies mithilfe des Uhrenscanners tun: Ein Foto wird hochgeladen, dann gibt die Website Auskunft über das Modell und den erwartbaren Verkaufspreis. Im vergangenen Jahr wurden allerdings Beschwerden laut, wonach die Plattform hohe Kommissionen und Gebühren von den Händlern verlange. An der Plattform beteiligt ist übrigens ein prominenter Uhrenfan: der Fußballer Cristiano Ronaldo.
Obwohl das E-Commerce auch bei Rolex-, Cartier- oder Omega-Fans angekommen ist, ist Arno Ranzi überzeugt, dass langfristig beim Kauf einer neuen Uhr der Besuch im Geschäft kaum ersetzt werden wird: „Manche Kundinnen und Kunden sehen wir mehrmals jährlich, man kennt sich schon lange.“ Wer sich für den Kauf einer schönen Uhr entscheide, wolle ihn nicht schnell abschließen, sondern ein Erlebnis daraus machen.