Bozen – Samuel möchte eine neue Brille kaufen und hat auf den Sommerschlussverkauf gewartet, um sie zu kaufen. Schließlich entdeckt er online eine Brille mit einem Rabatt von 55 Prozent: Statt 121 Euro kostet sie nur 54,50 Euro! Fast geschenkt, denkt er sich. Doch als er auf den Artikel klickt, um mehr zu erfahren, entdeckt er eine weitere Angabe: „Niedrigster Preis der letzten 30 Tage: 66,60 Euro“. So wird aus dem unglaublichen Rabatt von 55 Prozent schnell ein Rabatt von nur 22 Prozent.
Um solche Täuschungen zu vermeiden, gibt es seit Juli 2023 eine spezielle Regelung zugunsten der Verbrauchenden. Diese schreibt vor, dass bei Verkäufen und Sonderangeboten (online und im traditionellen Handel) der vorher geltende Preis deutlich angezeigt werden muss. Unter dem früheren Preis ist der niedrigste Preis zu verstehen, der in den letzten 30 Tagen vor der Preissenkung galt. Dies ermöglicht es den Kaufenden, den tatsächlichen Preis eines Angebots auf Anhieb einzuschätzen. Das Problem: Die Regelung wird heute, zwölf Monate nach der Einführung, immer noch nicht korrekt angewandt. So lautet zumindest das Fazit einer Stichprobenkontrolle der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) und des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ).
Kommen die Onlineshops ihren Verpflichtungen wirklich nach?
Die VZS und das EVZ haben stichprobenartig die Preise von 45 Online-Shops – von Bekleidungs- über Elektronik- bis hin zu Möbelgeschäften – während der Aktionszeiten überprüft und die Ergebnisse aufgezeichnet. Diese seien nicht besonders zufriedenstellend, schreiben VZS und EVZ in einer Aussendung. Nur neun der geprüften Shops gaben ausdrücklich den niedrigsten Preis an, den sie in den letzten 30 Tagen für ihre Artikel angeboten hatten. Die meisten Onlineshops geben nur einen allgemeinen „vorherigen Preis“ an, ohne den genauen Zeitraum zu nennen.
Einige Geschäfte hingegen halten sich in keiner Weise an die gesetzlich vorgeschriebenen Kennzeichnungspflichten: Sie geben weder den Prozentsatz der Ermäßigung noch den vorherigen Preis des Produkts an, sondern nur den neuen reduzierten Preis. Das sei eine gravierende Kennzeichnungslücke, so EVZ und VZS. In den Fällen, in denen der alte Preis angegeben war, zeigte sich, dass die „Super-Schnäppchen“ eigentlich gar keine waren, da der alte Preis manchmal gar geringer als der Angebotspreis war.
Unlautere Geschäftspraktiken
„Noch schlimmer ist, dass sich in einigen Fällen sogar herausstellte, dass der Preis, der als der niedrigste der letzten 30 Tage angegeben wurde, nicht der effektiv in diesem Zeitraum angewandte war. Es sei daran erinnert, dass alle diese Verhaltensweisen als unlautere Geschäftspraktiken zu betrachten sind, die von der Markt- und Wettbewerbsbehörde (AGCM) geahndet werden können“, so die VZS und das EVZ.
„Die Normen über die Preisauszeichnung während der Abverkäufe sind eindeutig, und der Nutzen für die Verbraucher:innen ist unbestritten“ sagt Stefano Albertini, Leiter des EVZ Bozen. „Es ist kein gutes Zeichen, wenn sich so viele Online-Shops noch nicht daran halten“.
Auch Gunde Bauhofer, VZS-Geschäftsführerin, kann dem Ergebnis der Stichprobe wenig Positives abgewinnen: „Die mangelnde konkrete Anwendung dieser Norm durch die Online-Shops geht absolut zum Schaden aller Konsumenten und Konsumentinnen, da ihnen die Möglichkeit einer bewussten Kaufentscheidung genommen wird. Wir werden die Markaufsichtsbehörde einschalten, damit diese entsprechende Gegenmaßnahmen treffen kann“.