Bozen – Der aus dem Eggental stammende Hannes Weißensteiner, Jahrgang 1983, lebt und arbeitet in Berlin, hat dort ein eigenes Unternehmen gegründet und ist als Business Development Manager bei Heilemann & Co tätig. Seine Beziehungen zu Südtirol hat er aber nicht abgebrochen, da seine Eltern ein Hotel am Karerpass betreiben und ihm sein Land am Herzen liegt. Berlin entwickelt sich rasant, die Stadt ist ein Laboratorium für Menschen aus vielen Ländern und für Start-up-Unternehmen, zumal sie hier fruchtbaren Boden vorfinden und es genügend Investoren gibt, die das notwendige (Risiko-)Kapital zur Verfügung stellen. Südtirol, so meint er, sei mit seiner hohen Lebensqualität durchaus attraktiv für Gründer, es müsse nur ein entsprechendes Netzwerk aufbauen, Südtiroler im Ausland und Ausländer ansprechen und befruchtende Rahmenbedingungen schaffen. Um Kontakte aufzubauen, hat er kürzlich Fabian Heilemann und Andreas Harting nach Bozen eingeladen und sie hier mit Vertretern der Universität Bozen, der Handelskammer, der Politik und mit Unternehmern zusammengebracht.
Fabian Heilemann, Jahrgang 1982, ist auch hierzulande kein Unbekannter, denn der hat 2009 zusammen mit seinem Bruder Ferry die Couponing-Plattform DailyDeal GmbH gegründet und rasch entwickelt. Das Unternehmen wurde im September 2011 von Google übernommen, für angeblich 115 Millionen Euro. Fabian und Ferry Heilemann arbeiteten weiterhin für DailyDeal, gründeten aber gleichzeitig die Beteiligungsgesellschaft Heilemann Ventures und die Heilemann & Co., ein „Mittelding zwischen Beratung und Agentur“, wie Fabian Heilemann erklärt. Bis Februar 2013 war DailyDeal eine hundertprozentige Tochterfirma des amerikanischen Konzerns, dann haben die beiden Brüder das Unternehmen zurückgekauft. Fabian Heilemann ist Mitglied des Vereins „Mensa in Deutschland e.V“. und Initiator der Bucerius Gründerinitiative. Andreas Harting, Jahrgang 1970, hat eine lange Erfahrung im Management und in der Unternehmensberatung und ist heute unter anderem Managing Partner der Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft Patagonia, die sich insbesondere in der Gründerszene engagiert.
Die beiden bundesdeutschen Gäste können sich aufgrund des Umfeldes eine Positionierung Südtirols bzw. Bozens als innovativer ländlicher Technologieführer, der Gründerunternehmer anlockt, durchaus vorstellen. Zusammen mit Universitätspräsident Konrad Bergmeister, Landeshauptmann-Anwärter Arno Kompatscher, Georg Lun und Irmgard Lantschner in Vertretung der Handelskammer sowie einigen Unternehmern wurde beraten, welche Möglichkeiten sich bieten, um gut ausgebildete junge Südtiroler im Land zu halten, Südtiroler im Ausland zurückzuholen, tüchtige Ausländer anzulocken und Südtirol gewissermaßen zu digitalisieren und es zu einer Schnittstelle zwischen traditioneller Industrie und Digitalwirtschaft zu machen. Wesentliche Impulse können dabei von der Universität ausgehen, von der gewünscht wird, sie möge neben der Ausbildung von qualifizierten Mitarbeitern auch verstärkt Impulse für Existenzgründer geben. Es geht darum, mit verschiedenen Maßnahmen eine Innovations- und Gründungskultur zu schaffen – mit einem Netzwerk aus Digitalwirtschaft, Kapital, Wissenschaft/Experten, Unternehmen und öffentlicher Hand. Eine Plattform für Wissenstransfer kann sehr belebend wirken. Eigeninitiative ist gefragt, aber die Politik muss den regulatorischen Rahmen verbessern und insbesondere das Arbeitsrecht anpassen.
Das Trentino hat da bereits erste Schritte gesetzt, insbesondere mit der Gründerinitiative Tech Peaks. Unsere Nachbarprovinz wirbt Talente aus dem In- und Ausland an, indem sie ihnen ein Gründungskapital von 25.000 Euro und einen monatlichen Fixbeitrag von 500 Euro gewährt, aber auch eine Wohnung stellt, die Sozialbeiträge übernimmt und für Beratung und Fortbildung sorgt. Kürzlich hat sogar die große deutsche Tageszeitung „Die Welt“ ausführlich über diese Initiative berichtet: „Sechs Monate haben die Teilnehmer Zeit, um eine Idee auszuarbeiten, eine Firma ins Handelsregister einzutragen und sich potenziellen Investoren vorzustellen. Trient hofft so, über vier Jahre 100 Firmengründungen den Weg zu ebnen. Tech Peaks ist ein Beispiel dafür, warum Trient inzwischen das Silicon Valley der Alpen genannt wird. Dass es an der Etsch nicht nur leckere Canederli, also Knödel, sondern auch viele kluge Köpfe gibt, hat sich inzwischen auch jenseits der Landesgrenzen herumgesprochen.“ Laut „Welt“ fördert die EU-Kommission mit dem Programm „Horizon 2020“ die Forschung und macht über sieben Jahre bis zu 80 Milliarden Euro dafür locker. Ein wichtiges Element ist das European Institute of Technology (EIT), ein Forschungszentrum mit Sitz in Ungarn, das sechs Partner ausgewählt hat: die Metropolen Berlin, Eindhoven, Helsinki, Paris, Stockholm – und das kleine Trient.
Südtirol muss sich sputen, um am Ball zu bleiben. (RW)