Bozen – „Es ist, als hätte eine Serie-A-Mannschaft angerufen“, schwärmte Claudio Rastelli in einem Interview, kurz nachdem ihn der FC Südtirol vor gut einem Monat als neuen Trainer vorgestellt hatte. Mit dem Satz drückte Rastelli treffend die Wertschätzung aus, die der FC Südtirol in Italiens Fußballkreisen genießt. Bozen wird inzwischen als gute Fußballadresse wahrgenommen, zum einen weil der FCS als Sprungbrett gilt (mehrere Ex-Trainer und -Spieler haben es in die Serie A gebracht), zum anderen und noch mehr weil der FCS bekannt dafür ist, die Gehälter zuverlässig zu überweisen. Im italienischen Profifußball ist dies längst keine Selbstverständlichkeit. Die Vereine mit konstant ausgeglichenen Bilanzen haben Seltenheitswert, wobei in den unteren Ligen die Finanzen tendenziell sogar noch maroder sind, weil die millionenschweren TV-Rechte fehlen. „Wir sind ein gesunder Verein“, freut sich Dietmar Pfeifer. Der Geschäftsführer, der im Oktober 2006 zum FC Südtirol stieß, macht keinen Hehl daraus, sich an den Konzepten der Geldmaschine FC Bayern München zu orientieren. Mit dem Mäzenaten-Konzept, auf dem der italienische Fußball nach wie vor basiert, kann Pfeifer wenig anfangen: „Im italienischen Profifußball liefern sich 95 Prozent der Vereine auf Gedeih und Verderb einem zahlungskräftigen Präsidenten aus, der sich den Fußball als Hobby leistet und regelmäßig Löcher stopft. Wenn der Präsident aussteigt, bedeutet das oft das Ende des Vereins, wie die Konkurse zahlreicher Traditionsclubs zeigen.“ Kein Wunder also, wenn im fußballverrückten Italien so mancher Clubpräsident einflussreicher ist als der Bürgermeister.
Italienische Fachmedien loben den FC Südtirol – unabhängig vom kurzfristigen Erfolg oder Misserfolg – als Vorbild in Sachen Finanzgebarung und Jugendarbeit, während sich hierzulande der Ruf des FCS in der breiten Öffentlichkeit nach wie vor über die Anzahl der Siege der ersten Mannschaft definiert. Ist die Profimannschaft erfolgreich, so wie in der vergangenen Saison, entsteht Identifikation, ist sie hingegen weniger erfolgreich, so wie beim holprigen Start in die neue Saison, dann erwacht schnell die Kritik daran, dass der FCS zu wenige Südtiroler Spieler einsetze. Pfeifer ärgert sich über solcherlei Tadel: „Wir hätten natürlich auch lieber möglichst viele Südtiroler in der ersten Mannschaft. Aber den Markt außer Kraft setzen können wir nicht, und den Anspruch ausgeglichener Bilanzen aufgeben wollen wir nicht.“ Was er damit sagen will: Wenn die besten Südtiroler Fußballer lukrative Angebote aus höheren Ligen erhalten, dann folgen sie dem Lockruf des Geldes – und für den FCS wäre es selbstmörderisch, die Spieler zum Bleiben zu zwingen und sie auf diese Weise zu demotivieren. Tatsächlich spielen mit Hannes Fischnaller, Manuel Scavone und Michael Cia drei Südtiroler, die der FCS großgezogen hat, bei anderen Vereinen.
Sichtbar ist für die Südtiroler Öffentlichkeit die Profimannschaft, die Woche für Woche in der Ersten Division aufläuft. Dahinter aber steht ein Unternehmen mit weiteren elf Jugendteams sowie rund 100 fixen und freien Mitarbeitern, von den Fußballprofis über Trainer und Betreuer bis hin zu Verwaltungspersonal, Medienbeauftragten, Magazineuren, Busfahrern usw. Der FCS ist Südtirols größtes Sportunternehmen, bestehend übrigens aus einer GmbH (FC Südtirol GmbH) und einem Verein (AFC Südtirol): Über die GmbH, welche 29 Gesellschafter zählt (siehe beistehendes Info „Wem gehört der FC Südtirol?“), wird die Tätigkeit der Profimannschaft sowie der fünf äußerst erfolgreichen Jugendteams in den nationalen und regionalen Meisterschaften organisiert. Über den Verein hingegen läuft die gesamte Basisarbeit mit weiteren sechs Jugendteams, Trainerfortbildung, Jugendcamps und Sichtungstrainings.
Die GmbH verfügt über ein Budget von über drei Millionen Euro. „60 Prozent kommen von Sponsoren. Etwa 20 Prozent machen die Zuweisungen des Fußballverbandes aus, die unter anderem von der Anzahl der eingesetzten Jugendspieler in der ersten Mannschaft und von den Erfolgen der Jugendteams abhängen. Sieben Prozent machen die Eintrittsgelder aus“, erklärt Pfeifer. Weniger als zehn Prozent kommen von der öffentlichen Hand, und zwar in Form eines Sponsorings über die Südtirolmarke. „Ich denke, dass wir mit unserem Südtirol-Namen und unserem guten Image dieses Geld absolut wert sind“, klingt Überzeugung aus den Worten des Geschäftsführers, der hinzufügt: „Unsere Strahlkraft reicht inzwischen über Italien hinaus. Zum Beispiel gehen im Merchandising dank Online-Shop über 50 Prozent des Trikotverkaufs nach Deutschland.“ Überhaupt zeigt sich Dietmar Pfeifer stolz darüber, dass die Sponsorengelder trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten zunehmen und vermehrt auch aus dem nahen Ausland und aus Norditalien kommen. „Wir betrachten unsere Sponsoren als Partner, denen wir eine nutzenstiftende Gegenleistung zu bieten versuchen. Das zahlt sich aus. Die Werbebande allein genügt längst nicht mehr“, erläutert Pfeifer und ergänzt: „Der FC Südtirol hat sich inzwischen auch zur Plattform gemausert, auf der Sponsoren und Gesellschafter interessante Kontakte untereinander knüpfen.“
Den größten Teil des 3-Millionen-Budgets – etwa 60 Prozent – verschlingen natürlich die Personalkosten. Dazu kommen Kosten für Wohnungsmieten (für die Profis), Auswärtsspiele, Material (rund 150.000 Euro für Trikots, Bälle usw.) und vieles andere mehr. „Allein die Treibstoffspesen für unsere drei Kleinbusse, welche mit unseren Jugendspielern unterwegs sind, machen rund 40.000 Euro jährlich aus“, nennt Pfeifer stellvertretend eine Zahl.
Und wie viel ist dieses Unternehmen wert? Zwar beträgt das Gesellschaftskapital nur 30.000 Euro, doch längst werden die Anteile nicht mehr zum Nominalwert von 300 Euro gehandelt, sondern zum Dreißigfachen davon, sprich über 9.000 Euro. Daraus ließe sich ein Unternehmenswert von rund 900.000 Euro ableiten, aber Pfeifer bremst: „Dies ist nur ein Teil unserer Spieler- und Sachwerte. Der eigentliche Wert der Marke FC Südtirol liegt sicher höher.“ Schätzen habe man den Wert nie lassen und beabsichtige dies auch nicht. Pfeifer: „Niemand hat die Absicht, den FCS zu verkaufen. Im Gegenteil.“ (cp)