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Die Dopingspiele: Ist das noch Sport oder kann das weg?

HOCHLEISTUNGSSPORT – Die Enhanced Games wollen den Spitzensport revolutionieren, mit bewusstem Doping, Millionengeldern und Tech-Investoren im Rücken. Statt Olympischem Ruhm zählt hier der Weltrekord. Doch das Experiment wirft nicht nur gesundheitliche Fragen auf.

Südtiroler Wirtschaftszeitung von Südtiroler Wirtschaftszeitung
18. Juli 2025
in Gesellschaft
Lesezeit: 5 mins read

Die Enhanced Games sind ein Versuch, den traditionellen Sport auf den Kopf zu stellen. (Foto: enhanced.com)

Bozen – 0,02 Sekunden. 0,02 Sekunden schneller. Am 25. Februar dieses Jahres schlug der Grieche Kristian Gkolomeev den Weltrekord im 50-Meter-Freistil-Schwimmen. Er ist der erste „Enhanced Athlete“, der das Ziel erreichte: „Brich den Weltrekord und wir geben dir eine Million US-Dollar“ – das sind die Worte von Aron D’Souza, dem Erfinder der Enhanced Games. Einer Sportveranstaltung mit großen Ambitionen, die eine noch größere Diskussionswelle auslöste. Und das bereits, als sie am 31. Jänner 2024 ankündigte, die Sportwelt für immer verändern zu wollen. Die Enhanced Games setzen nämlich nicht auf herkömmliche Sportler:innen und Trainingspläne, sondern bringen den menschlichen Körper mithilfe legaler und illegaler Substanzen gezielt ans Limit.

Spiele der etwas anderen Art

Die Enhanced Games sollen im nächsten Jahr in Las Vegas stattfinden – als Alternative zu Olympia. Dabei geht es nicht um sportliche Fairness, sondern um Leistungsexzesse: Gedopte Athletinnen und Athleten sollen Rekorde pulverisieren, in Disziplinen wie Sprint, Kurzstreckenschwimmen und Gewichtheben. Also jenen Sportarten, in denen Doping laut Fachleuten den größten Einfluss hat.

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Die Enhanced Games sind mehr als ein sportliches Experiment. Sie spielen bewusst mit medizinischen, ethischen und gesellschaftlichen Grenzen – und wollen nicht nur Rekorde brechen, sondern auch Tabus.

Bis jetzt haben sich offiziell vier Schwimmer angemeldet. Den Enhanced Games fehlen bislang also Sportler:innen, die bereit sind, eigene Werte beiseitezustellen und im großen Stil abzukassieren. Anders als bei Olympia gibt es hier nicht nur Ruhm und Ehre, sondern auch Startgeld (in unbekannter Höhe). Wer einen Wettbewerb gewinnt, bekommt 250.000 US-Dollar. Wer dabei einen Weltrekord bricht, soll von Investoren mit einer Million US-Dollar belohnt werden.

Die Teilnehmer, die sich bisher angemeldet haben, konnten teils neue Bestmarken setzen, jedoch blieb der große Olympische Erfolg bisher aus. Laut Veranstaltern gebe es Hunderte Interessierte – eine Zahl, die sich kaum verifizieren lässt, da sich theoretisch jede Person registrieren kann. Trotz großer Versprechungen konnte man, darauf lässt zumindest die Teilnehmerliste schließen, bisher nur wenige Athletinnen und Athleten zur tatsächlichen Teilnahme bewegen. Die Frage ist: Wer ist wirklich bereit, seinen Körper für Geld zu verkaufen?

Die Nebenwirkungen des Dopings

Für die Teilnehmenden haben die Enhanced Games weitreichende Konsequenzen: Die Wada (Welt-Anti-Dopingagentur) verhängt Sperren – meist über vier bis acht Jahre, teils sogar lebenslang. Zudem gelten Sportler:innen, die bei Enhanced Games antreten, in der klassischen Sportwelt als Betrüger:innen. Und das größte Problem: Die gesundheitlichen Folgen der gleichzeitigen Einnahme mehrerer Dopingmittel sind schwer abschätzbar (siehe Interview). Langzeitstudien zu solchen Mengen fehlen, ebenso wie zur gleichzeitigen Einnahme mehrerer Wirkstoffe. Damit steigt nicht nur das Risiko, sondern auch die Ungewissheit.

Die Veranstalter locken mit millionenschweren Prämien und großen Worten. Kritische Stimmen befürchten, dass durch die starke Ergebnisorientierung sportliche Werte wie Fairness und Gesundheit in den Hintergrund geraten.

Rechnet man die gesundheitlichen Folgen mit ein, lohnt sich eine Teilnahme für die Sportler:innen nur, wenn ein Weltrekord gebrochen wird (und die Summe von einer Million US-Dollar kassiert wird). Bisher gab es drei private Weltrekordversuche – zwei davon waren erfolgreich, beide wurden nur knapp verfehlt. Zwar konnte man bei den gedopten Schwimmern deutliche Leistungssteigerungen messen, aber die erhoffte „Pulverisierung“ der alten Rekorde blieb aus. Die Veranstalter haben ihr erklärtes Ziel damit bislang nicht erreicht.

Olympische Kritik

Die Veranstalter locken mit millionenschweren Prämien und großen Worten. Kritische Stimmen befürchten, dass durch die starke Ergebnisorientierung sportliche Werte wie Fairness und Gesundheit in den Hintergrund geraten. So auch Alex Tabarelli, Präsident des Olympischen Komitees in Bozen: „Für uns ist es sehr klar, wir wollen einen fairen und gesunden Sport – und beides ist bei den Enhanced Games nicht garantiert.“

Er sieht das Projekt nicht nur kritisch, sondern hält es auch für fragwürdig in seiner Umsetzbarkeit: „Ich persönlich glaube, es wird schwierig werden, dass es überhaupt stattfindet, weil es an Athletinnen und Athleten fehlen wird.“ Vor allem die Fairness sieht Tabarelli bedroht: „Fair kann es nicht sein, wenn man die Leistung wissenschaftlich beeinflussen kann.“ Seiner Meinung nach verlieren die Enhanced Games genau das, was Sport im Kern ausmacht.

„Man muss ganz offen sagen, dass es immer noch manche Athletinnen und Athleten gibt, die dopen, aber das wird es immer geben. Schwarze Schafe wird es immer geben. Man muss nur schauen, dass man sie findet – und mit den entsprechenden Strafen versieht.“ Alex Tabarelli

Die Frage, ob das Olympische Komitee befürchtet, dass die Enhanced Games Olympia die Sportler:innen abwerben könnte, verneint Tabarelli: „Die Enhanced Games könnten höchstens Athleten, welche schon lebenslänglich oder acht Monate gesperrt sind, überzeugen, – aber ich glaube nicht, dass es viele sein werden.“

Doping – so räumt Tabarelli offen ein – sei auch im klassischen Sport nicht verschwunden. Doch die Strategie des Olympischen Komitees habe sich verändert: „Die Kontrollen sind inzwischen härter und intensiver geworden. Man kontrolliert, auch wenn keine Wettkämpfe stattfinden.“ Für ihn ist klar: Doping müsse aktiv bekämpft werden, nicht glorifiziert. Und das vielleicht wichtigste Argument: „Man muss ganz offen sagen, dass es immer noch manche Athletinnen und Athleten gibt, die dopen, aber das wird es immer geben. Schwarze Schafe wird es immer geben. Man muss nur schauen, dass man sie findet – und mit den entsprechenden Strafen versieht.“

Wer dahintersteht

Die Enhanced Games werden von drei prominenten Investoren finanziert: Christian Angermayer, Balaji Srinivasan und Peter Thiel. Christian Angermeyer ist ein deutscher Unternehmer mit Fokus auf Biotechnologie und psychedelische Forschung, Balaji Srinivasan ist ein Silicon-Valley-Unternehmer und ehemaliger CTO von Coinbase, der für seine Visionen zur Dezentralisierung und medizinischen Innovation bekannt ist. Während Peter Thiel, Mitgründer von PayPal und Investor bei Palantir, nicht nur durch seinen politischen Einfluss, sondern auch durch seine technokratisch-libertären Überzeugungen immer wieder stark polarisiert.

Für alle drei ist die Beteiligung an den Enhanced Games ein strategischer Schritt: Die Spiele liefern medizinische Daten für die Forschung und bieten zugleich eine Bühne zur Erprobung neuer Technologien. Als erklärte Transhumanisten interessieren sie sich besonders für das Potenzial der Leistungssteigerung und Langlebigkeit. Einige Athletinnen und Athleten setzen bereits auf Anti-Aging-Substanzen oder Wachstumshormone zur beschleunigten Regeneration.

Für Thiel & Co. steht dabei nicht nur die Wissenschaft im Vordergrund, sondern vor allem der Profit – und die Vision eines optimierten, vielleicht sogar unsterblichen Menschen.

Wie in vielen ihrer Projekte wollen sie vor allem eines: Kontrolle und Gewinn.

Die große Werbeshow

Mit Weltrekordversuchen und Hochglanzvideos wollen die Veranstalter Doping salonfähig machen. Für 19 US-Dollar kann man sich bereits für den „Early Access“ zu Testosteron-Fläschchen anmelden. Nur noch 15 Plätze seien verfügbar – „seien Sie schnell beim Anmelden!“, heißt es auf der Website. Auch ganze Medikamentenpläne werden verkauft – für rund 400 Dollar pro Monat.

Gründer Aron D’Souza sieht in den Enhanced Games nicht nur eine Revolution des Sports, sondern auch das perfekte Werbemodell für einen bislang unerschlossenen Markt. Sein Argument: 85 Prozent aller Männer würden leistungssteigernde Medikamente nehmen, wenn sie vom Arzt verschrieben und von Champions verwendet würden. Laut ihm seien die Enhanced Games auf dem Weg, Supermenschen zu erschaffen. Sein persönlicher Traum, so D’Souza im Podcast „Mizter Rad Show“, sei es, dass bald 65-Jährige den Weltrekord von Usain Bolt brechen könnten.

Die Enhanced Games sind also mehr als ein sportliches Experiment. Sie spielen bewusst mit medizinischen, ethischen und gesellschaftlichen Grenzen – und wollen nicht nur Rekorde brechen, sondern auch Tabus. Die Veranstalter konstruieren ihre eigenen Wahrheiten, greifen dabei auf wissenschaftliche Studien zurück, oft jedoch selektiv und unvollständig. Ihr erklärtes Ziel: Doping in den Alltag von Sportlerinnen und Sportlern jeglichen Niveaus zu holen und einem breiten Markt zugänglich machen.

Aber ist das wirklich die Zukunft des Sports?

Emil Pernter

DER AUTOR studiert europäisches und internationales Recht in Trient und absolviert gerade ein Sommerpraktikum bei der SWZ.

Schlagwörter: 28-25free

Interview

„Das hat nichts mehr mit Sport zu tun“

SWZ: Wie stehen Sie insgesamt zur Idee der Enhanced Games?
Vincenzo De Nigris*: Was ich darüber gelesen habe, hat für mich nichts mehr mit Sport zu tun. Wie auch die WADA erklärt hat, handelt es sich um eine Initiative außerhalb des offiziellen Sports – denn sie erlaubt den Einsatz von Dopingmitteln offen. Das wirkt eher medienwirksam oder politisch als sportlich.

Die Enhanced Games berufen sich auf eine Studie von 2010, wonach anabole Steroide – künstliche Hormone, die den Muskelaufbau fördern, aber schwere Nebenwirkungen haben – weniger schädlich seien als Alkohol oder Cannabis. Was sagen Sie dazu?
Ich kenne die Studie nicht im Detail, aber ich halte es für paradox, mit dem Argument „weniger schädlich“ den Gebrauch einer Substanz zu rechtfertigen. Wenn zwei Substanzen schädlich sind, sollten beide vermieden werden. Leider werden aus wissenschaftlichen Publikationen manchmal Teilinformationen herausgegriffen, um bequeme Wahrheiten zu stützen.

Welche Gesundheitsrisiken birgt Doping?
Doping, d. h. die Einnahme von Substanzen oder die Anwendung von Methoden zur Leistungssteigerung, kann immer potenziell schädlich für den Körper sein. Die bekannten möglichen Folgen beziehen sich auf ein erhöhtes Risiko für das Auftreten verschiedener Arten von Tumoren, Herzerkrankungen, Gerinnungsstörungen, Diabetes, Nieren- und Lebererkrankungen und vieles mehr. Darüber hinaus werden beim modernen Doping Medikamente mit noch nicht zugelassenen und nicht gründlich untersuchten Molekülen verwendet, deren Nebenwirkungen den Konsumenten oft unbekannt sind.

Muskeln kann man dopen, wie schaut es aber mit Sehnen und Bändern, halten sie mit den Muskeln mit?
Wenn Doping zu einer Muskelhypertrophie (die Zunahme des Volumens von Muskelzellen und damit die Vergrößerung der Muskelmasse, Anm. d. Red.) führt, kann es zu Ungleichgewichten im Bewegungsapparat kommen. Die Sehnen sind oft nicht in der Lage, die zusätzliche Belastung durch voluminösere und stärkere Muskeln zu tragen, was zu Entzündungen oder sogar zu Verletzungen von Muskeln oder Sehnen führen kann. Dies ist jedoch nicht das Hauptproblem des Dopings, und solche Situationen können auch bei natürlich erzielter Muskelhypertrophie oder bei unausgewogenem Training oder falscher Behandlung von Verletzungen beobachtet werden.

Doping wird nicht nur im Hochleistungssport, sondern auch im Amateursport eingesetzt.
Gerade im Amateursport ist das Risiko besonders hoch, da die Sportler oft nicht wissen, was sie genau verwenden, und nur ungenaue Informationen darüber haben, wie sie mit der Einnahme dieser Substanzen umgehen sollen. Die tatsächliche Zusammensetzung oder die genaue Dosierung dieser Produkte sind oft unbekannt, und es fehlt natürlich eine legale und sichere Zertifizierung: Die Gefahr liegt auf der Hand.

Wie wird Doping in Italien rechtlich bewertet?
In Italien gilt Doping nicht nur als Verstoß gegen die Sportregeln, sondern auch als echte
Straftat. Über die Disqualifikation im Sport hinaus wird es vom Gesetz als strafbar angesehen: Darauf können wir stolz sein.

* Vincenzo De Nigris ist geschäftsführender Direktor der Sportmedizin im Südtiroler Sanitätsbetrieb.

Ausgabe 28-25, Seite 16

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