Marling – „Guten Abend, mein Name ist Florian Schmalzl vom Landeswetterdienst.“ Mit diesen Worten begrüßt der kleine Florian seine imaginären Zuschauer, während er es sich auf dem Sofa zu Hause in Marling gemütlich gemacht hat. Neun Jahre ist er alt, spult die Wettervorhersage aber ab wie ein Profi. Jedes noch so kleine Detail hat er sich gemerkt. Wie hoch die Temperatur in den verschiedenen Lagen ist, wie viel Niederschlag zu erwarten ist, die Aussichten für die nächsten Tage. Das Ganze hält er selbst auf Video fest. Seine Mutter Renate entdeckt das Video schließlich und speichert es ab.
„Das ist so peinlich“, sagt Schmalzl acht Jahre später. Widerwillig hat er gerade am PC den kurzen Film abgespielt. Nun schließt er das Fenster schnell und öffnet seine Wetter-Software. Seit seiner Firmung 2015 besitzt er eine Profi-Wetterstation, die Davis Vantage Pro 2 Aktiv Spezial, deren Daten er am Computer auswertet. Im selben Jahr richtete er auch erstmals eine Facebook-Seite ein, damals unter dem Namen „Wetterstation Marling“. Heute heißt sie „Florians Wetterseite“ und zählt mehr als 23.000 Abonnenten.
Minimeteorologe seit dem Kindergarten
Seine Liebe zum Wetter teilt Schmalzl mit seinem Opa. Bereits im Kindergarten begleitete er ihn in die Apfelwiese hinter dem Haus, um zu sehen, wie viel Niederschlag sich im Messbehälter angesammelt hatte. „Ich konnte es kaum erwarten zu wissen, wie viel beim nächsten Regen drin sein wird oder wann der erste Schnee kommt“, erzählt Schmalzl. Im Kindergarten bastelte er auch seine erste Wetteruhr – viele weitere sollten folgen. In einer Mappe bewahrt Schmalzl die Schätze aus der Kindheit auf. Sie ist verziert mit ausgeschnittenen Wetterberichten. „Das war die erste“, sagt Schmalzl, und zeigt auf eine Uhr mit rotem Rand. „Mit dem Zeiger konnte ich das aktuelle Wetter einstellen, oder jenes, das ich mir wünschte.“
„Sonnenschein ist für Meteorologen relativ langweilig. Gutes Wetter heißt für mich, dass es ordentlich zur Sache geht.“
Die Wetterwünsche von Schmalzl decken sich nicht unbedingt mit denen anderer. „Sonnenschein ist für Meteorologen relativ langweilig“, schmunzelt er. „Gutes Wetter heißt für mich, dass es ordentlich zur Sache geht.“ Am liebsten mag Schmalzl deshalb Gewitter und Schneefälle – obwohl gerade erstere besonders schwierig vorherzusagen sind. „Keine Wetterlage ist gleich“, erklärt Schmalzl. „Niederschläge sind deshalb eine Herausforderung in der Vorhersage, weil viele Faktoren den genauen Zeitpunkt und die Menge beeinflussen, wie zum Beispiel der Wind.“ Relativ einfach seien hingegen die Vorhersage der Temperatur oder die Einschätzung bestimmter Großwetterlagen wie eines stabilen Hochdruckgebiets.
Traumberuf: Landesmeteorologe
Wenn Schmalzl übers Wetter redet, ist er voll in seinem Element. Sein Wissen hat er sich autodidaktisch angeeignet. Dutzende Bücher hat er gewälzt, seit er lesen kann, und sich unzählige Wetterberichte angehört. „Gleich in der Früh wollte er das Radio einschalten“, erinnert sich Renate Schmalzl.
Über den Tag verteilt saugt er alles auf, was er kriegen kann, egal, ob Zeitung, Radio oder Fernseher. Während andere Kinder sich Spielzeug wünschen, will er lieber Ausrüstung für sein Hobby. Zum neunten Geburtstag erhält er ein besonderes Geschenk. Er darf die Büros des Landeswetterdienstes besuchen und den Profis über die Schulter blicken. Es bleibt nicht sein einziger Abstecher dorthin. Für seine Abschlussarbeit an der Mittelschule wählt er – wie könnte es anders sein – das Thema Wetter und schaut dafür noch mal in der Zentrale vorbei. Längere Zeit bleibt er dort im Rahmen der Begabtenförderung an seiner Oberschule, der Wirtschaftsfachoberschule Meran. Er habe gesehen, wie das Berufsleben ausschaut, und welche Aufgaben die Meteorologen übernehmen. „Manchmal rufen zum Beispiel Versicherungen an und wollen wissen, ob an einem bestimmten Ort wirklich ein Blitz eingeschlagen hat.“ Landesmeteorologe wäre Schmalzls Traumberuf, „aber sie haben sehr junge Mitarbeiter. Vielleicht wird ja irgendwann ein Platz für mich frei.“
Nicht alles glauben, was online vorhergesagt wird
Zuerst aber muss er die Oberschule abschließen. Momentan besucht er die vierte Klasse. Danach möchte er nach Innsbruck ziehen, um Meteorologie zu studieren mit Fokus auf alpine Gebiete. In diesen gebe es besondere meteorologische Gegebenheiten. „Deshalb sind die Vorhersagen vieler Wetter-Apps hier nicht geeignet“, erklärt Schmalzl. Dass die einen genauer sind als die anderen, liegt an den verschiedenen Rechenmodellen. In alle Vorhersagen – auch in Schmalzls – fließen Radar-, Satellitenbilder und Beobachtungen ein. Die Datengrundlage kann also ähnlich sein. Für die Berechnung wird die Erde mit einem Raster überzogen, das Vorhersage-Gebiet mitunter mit feineren Maschen. Für jeden Gitterpunkt wird schließlich eine Vorhersage berechnet. Je gröber die Maschen, desto ungenauer die Vorhersage. „Einige Wetter-Apps haben Gitterpunkte von 30 mal 30 Kilometern. Im alpinen Gelände bedeutet das, dass zum Beispiel für Meran und Meran 2000 eine Vorhersage getroffen wird.“ Problematisch sind derartige Vorhersagen vor allem für Hoteliers und Gastwirte. Viele Urlauber entscheiden sich mittlerweile kurzfristig, ob sie nach Südtirol fahren. Zeigt ihnen eine App schlechtes Wetter an, treten sie die Reise womöglich gar nicht erst an.
Entscheidend für die Güte einer Prognose sei aber nicht allein die Größe des Rasters, sondern vor allem auch die Erfahrung des Meteorologen. „Während ein großer Online-Anbieter pauschal für ganz Südtirol Regen vorhersagt, weiß der Meteorologe, dass bei einem Genua-Tief das Pustertal ausgelassen werden kann“, sagt Schmalzl. Man solle daher nicht alles glauben, was man online findet. Wer in den Urlaub fährt, rät Schmalzl, solle sich einen lokalen Wetterbericht anschauen, „wo ein Mensch dahintersteckt und nicht nur eine Computerberechnung“.
So wie Schmalzl, der an sich selbst hohe Ansprüche stellt: „Ich möchte so verlässliche Infos wie möglich weitergeben und zugleich die Schönheit Südtirols zeigen.“ Der Erfolg gibt ihm recht. Mittlerweile hat er es zu einiger Bekanntheit gebracht, gibt Interviews und steigert seine Follower-Zahl kontinuierlich. Täglich investiert er zwei bis fünf Stunden in seine Leidenschaft – neben Schule, Hausaufgaben und anderen Hobbys. Die positiven Rückmeldungen spornen ihn zusätzlich an: „Ich freue mich, wenn meine Prognosen gut ankommen.“
Sein Umfeld hat sich längst an Schmalzls besonderes Hobby gewöhnt. „Viele kommen auf mich zu und wollen wissen, wie das Wetter wird.“ Eine beliebte Frage im Dezember: Wird es weiße Weihnachten geben? Das, sagt Schmalzl, könne derzeit keiner vorhersagen. „Für Prognosen, die mehrere Wochen in die Zukunft reichen, kann man genauso gut würfeln.“ Für einen wahren Wettermacher wie ihn kommt das nicht infrage.