Margreid – Armin Kobler ist ein umtriebiger Mann. Er ist Vizebürgermeister der Unterlandler Gemeinde Margreid, dazu SVP-Ortsobmann, er ist Vizepräsident der Freien Weinbauern Südtirols (FWS), jahrelang war er Erster Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Volkstanz, und 17 Jahre lang leitete er die Sektion Kellerwirtschaft im Versuchszentrum Laimburg. Bis er beschloss, selber Wein zu machen. Das war 2006, und Armin Kobler begann, einen Teil seiner Trauben, die er bislang zur Gänze an die Kellereigenossenschaft Kurtatsch abgeführt hatte, nach den eigenen Vorstellungen zu Wein zu verarbeiten. Etwa die Hälfte der Ernte aus den verschiedenen Lagen des Weinhofes Kobler liefert der Winzer nach wie vor an die Genossenschaft. Mit der anderen Hälfte verwirklicht er sich selbst.
Zu einem Unikum in der vielfältigen Südtiroler Weinlandschaft macht Kobler aber vielmehr seine Schreibader. Für Armin Kobler gehört das Schreiben im Internet zur täglichen Arbeit wie das Weinmachen selbst. So ausgiebig wie er tummelt sich von den Südtiroler Weinproduzenten und -bauern sonst niemand in den Sozialen Netzwerken, auch wenn es Kellereien gibt, die fleißig twittern, Weinbauern, die Facebook nutzen, oder Winzer, die planen, einen regelmäßigen Blog aufzubauen. Kobler tut alles, er tanzt auf allen Hochzeiten. Den Blog auf seiner Homepage unterhält er schon seit 2008, seit der Steinzeit des Web 2.0 also, und er füttert ihn etwa viermal im Monat mit interessanten und zuweilen persönlichen Themen – stets in zwei Sprachen, zunächst deutsch, dann Absatz für Absatz übersetzt ins Italienische, und manchmal so ausführlich, dass die Beiträge getrost als Artikel für ein Weinmagazin durchgehen könnten.
Im vorerst letzten Blogbeitrag – das Thema fiel ihm bei einer Sonntagswanderung ein – schreibt Kobler über den Schraubverschluss und stellt provokant fest, dass er den Schraubverschluss dem Korken vorzieht, weil in seinen Flaschen Qualitätsweine liegen. Wie bitte? Ist der Drehverschluss nicht das Kennzeichen schlechthin für Billigweine? Kobler hat den Anspruch, Qualitätsweine zu produzieren – trotzdem tragen alle seine Flaschen Drehverschluss.
Die Themenpalette in Koblers Weblog ist mannigfaltig. Einmal schreibt er über georgische Amphorenweine, ein andermal über seine ganz persönlichen Eindrücke von der Vinitaly, dann über die unbegründete Abneigung vieler Weintrinker gegenüber Rosé-Weinen oder über die Biowelle, die diejenigen, die nicht biologisch produzieren, derzeit fast zu einer Entschuldigung zwingt. Es kommt vor, dass Kobler in seinem Blog darüber sinniert, ob er sich bei der Vinitaly von einer Hostess helfen lassen soll oder besser nicht. Selbstverständlich berichtet er auch über die entsprechende Bewerbung einer Dame, die bei ihm eintrudelte. An alle E-Mail-Adressen in seinem Verteiler, und das sind eine ganze Menge, verteilt Kobler einmal pro Monat einen „Blogreport“, in dem er über die neuesten Themen seines Blogs informiert. Wer Koblers Homepage nicht regelmäßig besucht, wird daran erinnert, dass es sich lohnen würde.
Die Arbeit am Blog ist eine Tätigkeit, die Kobler Spaß bereitet. „Ich bin halt einer, der sich gerne mitteilt. Das kreidet mir meine Frau auch immer an“, schmunzelt Kobler vor seinem ganz in Weiß gehaltenen Verkostungsraum, der schon in so mancher Architekturzeitschrift zu Ehren gekommen ist und bei Bedarf durch die im Boden verschwindende Scheibe zu einem Freiluft-Raum wird. Kobler hat Freude am Schreiben, und er hat Freude an den Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie. Deshalb diskutiert er auch in verschiedenen Weinforen mit. Er nutzt seit drei Jahren Facebook, vorwiegend für schnelle und kürzere Einträge, für persönliche Dinge, die ihn gerade bewegen und die schneller an Aktualität verlieren als die Berichte im Weblog. Er twittert, obwohl er sich mit dieser extrem schnelllebigen Art der Kommunika- tion laut eigenen Aussagen noch nicht wirklich anfreunden konnte.
Mit den neuen Smartphones sei es keine Hexerei mehr, sich im Internet mitzuteilen, sagt Kobler und zeigt auf sein iPhone. „Sogar eine Kamera mit passabler Bildqualität besitzen diese Geräte inzwischen.“ Also wird unterwegs schon mal ein Foto geknipst und direkt ins Internet gestellt. Trotzdem, ganz von allein entsteht die massive Internetpräsenz dann doch nicht. Zwei Stunden täglich verbringt Kobler laut eigenen Aussagen durchschnittlich am Computer. So mancher Abend verrinnt beim Schreiben und Fotobearbeiten. Bei den meisten seiner Branchenkollegen erntet solcherart Mühe nur Kopfschütteln. Man habe zu arbeiten, man habe keine Zeit für diesen Computer-Firlefanz, heißt es dann. Kobler musste und muss sich die Zeit nehmen: „Als ich 2006 angefangen habe, musste ich einen Weg finden, damit die Weinkonsumenten auf mich aufmerksam werden. Ich Unbekannter musste einen Weg finden, den Wettbewerbsvorsprung der Etablierten zu verkleinern.“ Der Weg, den Armin Kobler wählte, führte ihn auch (aber nicht nur) ins Internet.
Hat der Weg zum erhofften Erfolg geführt? Oder ist die viele Mühe für die Katz? Steigt proportional zu den Lesern im Blog und zur Anzahl der „Gefällt mir“-Klicks auf Facebook die Menge an verkauften Flaschen? „Wahrscheinlich ist das Engagement im aktiven Internet, welches schlussendlich nur ein Baustein des Gesamtauftritts nach außen sein kann, in seiner Effektivität so schwer zu bewerten wie es Werbemaßnahmen sind“, schreibt Kobler in einem Blogbeitrag von Dezember, um dann kritisch festzustellen, dass in seinem Betrieb das Ergebnis des Web-2.0-Einsatzes „durchwachsen“ sei. Die per Internet gewonnene Bekanntheit des Weinhofes Kobler schlage sich zu wenig in den Verkaufszahlen nieder. Und doch: Dass Kobler und sein Weinhof nicht zuletzt dank Internet jene Bekanntheit erlangt hat, die er genießt, steht außer Zweifel. Ein Großteil der Besucher, die bei Messen den Stand ansteuern, kommen, weil sie den Mann und die Weine hinter den interessanten Internetbeiträgen kennenlernen wollen. Teils erschrocken, teils ironisch fragt Kobler in besagtem Blogbeitrag: Wie wenige Besucher würden meinen Stand besuchen, wenn ich im Internet nicht so aktiv wäre? „Ich hätte große Probleme, wenn ich nicht täte, was ich im Internet tue. Ich würde zweifelsohne weniger Wein verkaufen“, stellt Kobler lapidar fest, dass das Internet nicht nur Hobby, sondern auch wirtschaftliche Notwendigkeit ist. Armin Kobler verfügt im Internet inzwischen über eine Fangemeinde – und die Fans kaufen die Weine mindestens genauso wegen Kobler wie wegen der Qualität.
Armin Kobler bewegt sich auf einer Schiene, die in Südtirols Weinwirtschaft noch weitgehend verkannt wird. „Von mir aus verschenken Web-2.0-freie Profis wertvolle Chancen“, vermutet Kobler entsprechend in seinem Blog. Gleichzeitig warnt er im selben Atemzug, pardon Schreibzug: „Internet darf wie alle Werkzeuge nicht zum Selbstzweck verkommen!“
Wenn er nur die Zeit hätte, würde Kobler im Internet wohl auch zu weinfremden Themen Stellung beziehen. Er erzählt gerne, und während er erzählt, liefert er sich selbst das Stichwort für das nächste Erzählenswerte. Seine Frau hat ohne Zweifel recht. Aber Armin Kobler hört auch gerne zu. Er fragt, wer hinter der SWZ steht, wie sie sich finanziert. Er politisiert über den Flughafen Bozen und über seine Partei. Mehrmals schellt das iPhone, Kobler hört zu, teilt seine Meinung mit, erklärt. Ausgiebig, so wie er es immer tut. Beim Kommunizieren, egal ob mündlich oder schriftlich, vergisst Armin Kobler ganz einfach die Zeit. Im Internet ist genau das seine Stärke.