Ich mag Statistiken und Studien – egal welcher Art: Erhebungen rund um die Wirtschaft und die Politik sind immer wieder nützlich, um in Gesprächen meinen Standpunkt zu untermauern oder in Artikeln Thesen zu stützen, und zuweilen lasse ich mich dadurch sogar eines Besseren belehren. Dann gibt es Informatives, aber Sinnfreies aus dem gesellschaftlichen Bereich wie die Durex-Studie, die alljährlich über das Sexualleben der Menschen rund um den Erdball informiert, oder das Ergebnis einer Forsa-Umfrage, das am Valentinstag veröffentlicht wurde, nämlich dass jede vierte Frau in Deutschland schon einmal eifersüchtig auf den Fernseher war.
Seit Kurzem habe ich eine neue Lieblingsstudie: „Lebenswelten der Männer in Südtirol – 2010“ vom Landesinstitut für Statistik (Astat). Vorgestellt wurde die 170 Seiten starke, in Deutsch und Italienisch verfasste Broschüre zur ersten umfassenden Männerstudie im Land im vergangenen November. Rund 1.047 Männer wurden dafür im Sommer 2010 von 45 eigens geschulten Interviewern befragt. Die Befragung eines Mannes dauerte im Schnitt zwischen 45 und 60 Minuten und wurde zumeist bei den Interviewten zu Hause durchgeführt, führen die Studienautoren im Kapitel „Methodik der Studie“ aus.
„Die Publikation gewährt Einblick in die unterschiedlichen Lebensbereiche des Südtiroler Mannes, seine Arbeits- und Familiensituation, seine Rolle als Mann, Partner und Vater, seine Freizeitgestaltung und Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Sie geht auch Fragen nach, wie Männer sich selbst erleben und wie sie mit Problemen und Schwierigkeiten umgehen“, heißt es im Vorwort. Dort kann man auch nachlesen, dass die Gleichberechtigung der Frau seit vielen Jahrzehnten Gegenstand von Studien und Bestrebungen ist, die Männerforschung jedoch nicht. Arme Männer, kann ich da nur sagen. Und: Welch ein Glück, dass wir heute dank der Studie wissen, was Südtirols Männer auf Fragen antworten wie
a) „Glauben Sie, dass sich Männer und Frauen im Umgang mit Gefühlen voneinander unterscheiden?“,
b) „Was ist für Sie ein Freund in erster Linie?“
c) oder „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer gesundheitlichen Situation?“.
Das Ergebnis der Umfrage:
a) Der Antwortmöglichkeit „Unterschiede in diesem Punkt sind naturgegeben“ stimmten 27 Prozent der Befragten „voll und ganz zu“ und 56 „ziemlich“ – rund 83 Prozent sehen demnach natürliche Unterschiede. Zugleich meinen jedoch rund 78 Prozent der Befragten, dass Männer dieselben Gefühle wie Frauen haben, diese aber nicht oft äußern.
b) Die mit 74 Prozent am häufigsten gewählte Antwort war „Jemand, der für mich da ist, mir zuhört und mir bei Problemen hilft“.
c) „Sehr zufrieden“ mit ihrer gesundheitlichen Situation sind 46 Prozent der befragten Männer, weitere 46 Prozent sind „zufrieden“ – insgesamt sind also 92 Prozent zufrieden. Die gesundheitlich zufriedensten Männer Südtirols gehören übrigens der ladinischen Volksgruppe an (93 Prozent antworteten „sehr zufrieden“ bzw. „zufrieden“), gefolgt von den deutschsprachigen (92 Prozent) und den italienischsprachigen (89 Prozent).
Und weiter geht´s! Wollten Sie immer schon mal wissen, wann Südtirols Männer Stress empfinden? Hier das Resultat der Astat-Studie: Mit 58 Prozent war die meistgewählte Antwortmöglichkeit „Wenn ich zu wenig Zeit habe, um alles zu erledigen“. Erstaunlich, nicht wahr?
Wissen Sie, was Südtiroler machen, wenn es ihnen richtig schlecht geht? Die drei häufigsten Antworten sind „mit Menschen reden, die mir nahe stehen“, „alleine damit fertig werden“ und „Sport betreiben“; immerhin 0,5 Prozent der Befragten gestanden ein, sie würden Drogen nehmen, wobei der Konsum von Alkohol separat abgefragt wurde – diesen gestanden 4,7 Prozent der Befragten ein.
Dank der Männerstudie weiß ich nun auch, dass fast 19 Prozent der Südtiroler „sehr zufrieden“ mit ihrem Sexualleben sind, 56 Prozent „zufrieden“; etwa ein Viertel der Befragten ist hingegen weniger (16 Prozent) bzw. gar nicht zufrieden (acht Prozent) Außerdem hat man herausgefunden, dass Hygiene im Zusammenhang mit Sexualität für Südtirols Männer äußerst wichtig ist: Denn auf die Frage „Wie wichtig ist für Sie beim Erleben von Sexualität Hygiene?“ antworteten fast 70 Prozent mit „sehr wichtig“. Zuneigung dagegen steht weniger im Vordergrund: Lediglich etwas mehr als 53 Prozent der Befragten gaben an, diese sei in der Sexualität „sehr wichtig“. In etwa derselbe Prozentsatz entfiel auf „Befriedigung der Partnerin“, wohingegen die „eigene Befriedigung“ nur für 41 Prozent der Befragten „sehr wichtig“ ist.
Was ich während der Studienlektüre noch erfahren habe: Italienischsprachige Südtiroler haben mehr Angst vor AIDS (52 Prozent) und Geschlechtskrankheiten (48 Prozent) als deutschsprachige (Angst vor AIDS 41 Prozent, Angst vor Geschlechtskrankheiten 39 Prozent) und ladinischsprachige (Angst vor AIDS 41 Prozent, Angst vor Geschlechtskrankheiten 34 Prozent).
Nun, da ich die Studie gelesen habe, frage ich mich ernsthaft: Wofür ist sie tatsächlich gut? Außer natürlich für ein SWZ-Blitzlicht und zum Ausschmücken der einen oder anderen Anekdote … Und inwiefern bringt es die Männerforschung weiter, wenn bekannt ist, was für einen Südtiroler einen Freund ausmacht und wie zufrieden er mit seinem Sexualleben ist? Und wenn dieses Wissen irgendjemandem nützt, warum gibt es dann keine ebenso umfangreiche Südtiroler Frauen-, Kinder-, Jugend-, Senioren- oder Haustierstudie?