Bozen/Rom – Vor drei Wochen hat Jannik Sinner im südspanischen Malaga seinem phänomenalen Tennisjahr die Krone aufgesetzt: Er hat mit Italien den Titel im Daviscup verteidigt, der Weltmeisterschaft für Nationalteams. Zehn Tage danach verkündete Angelo Binaghi, der Präsident des italienischen Tennisverbandes (FITP), dass die Daviscup-Finalrunde mit den acht weltbesten Teams künftig nicht mehr in Spanien ausgetragen wird, sondern in Italien.
Der Stiefelstaat räumt derzeit im Tennissport fast alles ab, was es abzuräumen gibt. Italien hat heuer sowohl den Daviscup als auch das Frauen-Pendant „Billie Jean King Cup“ geholt, ist also Team-Weltmeister bei den Herren und bei den Frauen. Es stellt mit Jannik Sinner die Nummer eins der Weltrangliste und zugleich den ATP-Weltmeister sowie neun Athleten in den Top 100 der Welt. Es hat mit Andrea Gaudenzi einen Landsmann an der Spitze der mächtigen internationalen Vereinigung ATP. Darüber hinaus ist es Gastgeber von gleich zwei der 15 wichtigsten Tennisturniere der Welt: den ATP Finals in Turin, soeben verlängert bis 2030, sowie dem traditionsreichen ATP-1000-Turnier in Rom. Und jetzt kommt bis mindestens 2027 auch noch die Daviscup-Finalrunde dazu.
Eishockey müsste für Tennis weichen
2025 wird – vom 18. bis 23. November – voraussichtlich Bologna der Schauplatz sein, wo in den vergangenen drei Jahren bereits die Daviscup-Zwischenrunde (ohne Superstar Jannik Sinner) stattfand und folglich die Maschinerie bereits funktioniert. Danach könnten dem Vernehmen nach Mailand oder Turin zum Zug kommen. Oder etwa Bozen? Laut Nachrichtenagentur Ansa soll FITP-Präsident Binaghi es als reizvolle Idee bezeichnet haben, den Daviscup in Jannik Sinners Heimatprovinz zu bringen.
Die Nachricht hat in Südtirol eine Euphorie entfacht. Bozen sei für die europäischen Tennisfans mindestens genauso gut erreichbar wie Malaga, hieß es unter anderem. Und die „Sparkasse Arena“, die Eishockey-Heimstätte des HC Bozen Foxes, wäre mit einem Fassungsvermögen von 7.800 Fans nur unwesentlich kleiner als die „Unipol Arena“ in Bologna mit ihren 8.275 Plätzen.
Das Ausquartieren der Foxes für ein paar Wochen im November und das Verlegen eines Tennisbelages wäre noch die kleinste Herausforderung.
Wer mit Leuten spricht, die sich im Tennisgeschäft auskennen, kommt trotzdem zum Schluss: Für Bozen ist die Daviscup-Finalrunde mit acht Mannschaften ein schöner Traum, aber ein paar Nummern zu groß. Als einziger Austragungsort käme zweifelsohne die Sparkasse Arena infrage. Das Ausquartieren der Foxes für ein paar Wochen im November und das Verlegen eines Tennisbelages wäre noch die kleinste Herausforderung. Kniffliger wäre es schon mit den Trainingsplätzen, von denen in der Nähe zwei oder drei eingerichtet werden müssten (mit haargenau demselben Hartplatzbelag).
Die Tennisfans und der wirtschaftliche Effekt
Aber am kniffligsten wäre das Lösen der Geldfrage. In Bologna laufen derzeit die Verhandlungen für die Finalrunde 2025, und laut Indiskretionen soll es um acht bis zehn Millionen Euro gehen, die die Region und die Stadtgemeinde springen lassen müssen. Den Daviscup gibt es nicht gratis, denn der italienische Tennisverband weiß um den Tennishype, der die Nation erfasst hat, und um die Begehrlichkeiten, die folglich so ein Großevent weckt. Im Übrigen hat der Verband viel Geld für die Daviscup-Austragungsrechte bezahlt (wie viel, wurde noch nicht bekannt) und ist ganz im Sinne einer guten Unternehmensführung darum bemüht, die Investition hereinzuspielen. Die Eintrittsgelder der Fans reichen dafür nicht.
Die Region Andalusien schätzt einen wirtschaftlichen Effekt von über 150 Millionen Euro.
Der Verband kann dabei mit dem wirtschaftlichen Effekt der Veranstaltung winken. In Malaga wurden heuer 65.000 Eintrittskarten verkauft, 43 Prozent der Tennisfans kamen im Schlepptau ihrer Nationalteams aus dem Ausland. Die Region Andalusien schätzt einen wirtschaftlichen Effekt von über 150 Millionen Euro. In Bologna wird vorsichtig mit 40.000 bis 50.000 verkauften Eintrittskarten gerechnet, weil die Tennisarena kleiner ist als die Halle in Malaga mit ihren 11.000 Plätzen – aber mit einer deutlichen Steigerung gegenüber den rund 25.000 Tickets, die für die Daviscup-Zwischenrunde verkauft wurden, zu 95 Prozent von italienischen Fans. Für die Zwischenrunde wurde in Bologna übrigens ein wirtschaftlicher Effekt von etwa 60 Millionen Euro errechnet und ein Steueraufkommen von knapp zwölf Millionen Euro.
1992 und 2009: Südtirols Daviscup-Erfahrungen
Die Zahlen dienen als Rechtfertigung für den Einsatz von Steuergeldern. Und sie führen vor Augen, zu welchem Millionengeschäft Tennis geworden ist, zumal in Italien, wo Tennis dank Jannik Sinner das neue Fußball ist. Die Situation ist nicht vergleichbar mit 1992 und 2009, als der Daviscup tatsächlich schon einmal in Südtirol gastierte und beinahe ein zweites Mal gastiert hätte.
1992 gewann Italien in der Bozner Stadthalle mit Omar Camporese und Cristiano Caratti 4:1 gegen Spanien. Es war damals allerdings ein Erstrundenspiel und keine Finalrunde mit acht Teams.
2009 gab es ernsthafte Bemühungen, die Begegnung zwischen Italien (mit dem Kalterer Andreas Seppi) und der Schweiz (mit dem Weltranglistenersten Roger Federer und Stan Wawrinka) nach Meran zu bringen.
2009 gab es ernsthafte Bemühungen, die Begegnung zwischen Italien (mit dem Kalterer Andreas Seppi) und der Schweiz (mit dem Weltranglistenersten Roger Federer und Stan Wawrinka) nach Meran zu bringen. Damals wäre im September im Freien auf Sand gespielt worden, und Landeshauptmann Luis Durnwalder kündigte an, dass die Landesregierung das Event mit 120.000 Euro unterstützen würde. Notwendig gewesen wären allerdings 200.000 bis 300.000 Euro, und die Begegnung wurde schlussendlich in Genua ausgetragen.
David gegen Goliath: Bozen gegen Turin und Mailand
Mittlerweile reichen 120.000 Euro bei Weitem nicht mehr, und 300.000 Euro tun es auch nicht – selbst dann nicht, wenn der italienische Tennisverband entgegenkommt, weil er den Daviscup unbedingt in der Sinner-Heimat haben will.
Bozen konkurriert mit Turin und Mailand, die sich bereits in Stellung gebracht haben und mit größeren Stadien (Turin: 12.000 Plätze, Mailand: 16.000 Plätze) ungleich höhere Ticketeinnahmen garantieren können. Abgesehen davon stellt sich die Frage, ob es in Südtirol politisch vermittelbar wäre, wenn die Landesregierung mehrere Millionen Euro zweckbinden würde, um kurz vor den Christkindlmärkten Tennisfans ins Land zu lotsen.
Mittlerweile hat auch Verbandspräsident Angelo Binaghi die Bozner Hoffnungen gebremst, wenngleich nur kryptisch.
Mittlerweile hat auch Verbandspräsident Angelo Binaghi die Bozner Hoffnungen gebremst, wenngleich nur kryptisch. In Sachen Daviscup, so sagte er, seien „die abenteuerlichsten Hypothesen“ ins Kraut geschossen. Man werde genau prüfen, welche Städte als Daviscup-Austragungsorte infrage kommen, aber Voraussetzung sei jedenfalls „eine Halle mit Platz für mindestens 8.000 Zuschauer“.