Meran – „99 Prozent der Fälle passieren, wenn ich mich gerade zum Essen hinsetze.“ Dann springt David Ceska auf, schnappt sich Kamera und Sicherheitsausrüstung und braust mit dem Auto los. Der Job, den er seit bald zwei Jahren macht, ist unberechenbar und verlangt dem 26-Jährigen große Flexibilität ab. Genauso groß ist die Sensibilität, die Ceska als Fotograf für Einsatzdokumentation mitbringen muss. Er hält Momente fest, die für die Betroffenen oft zu den schlimmsten ihres Lebens gehören, den Rettungskräften alles abverlangen – und für sämtliche Beteiligten gefährlich werden können. Dass Ceska überhaupt als Einsatzfotograf begonnen hat, liegt auch an der Coronapandemie. Und der Tatsache, dass er selbst seit Langem Freiwilligendienst bei Weißem Kreuz und Feuerwehr leistet.
Vom Hobby in die Selbstständigkeit
Dass er einmal die Arbeit von Einsatzkräften bei Bränden, Unfällen, Naturkatastrophen oder Übungen ablichten wird, wusste David Ceska nicht, als er vor gut zehn Jahren mit dem Fotografieren begann. Events, Landschaften, Natur: „Mit meiner ersten Kamera habe ich kreuz und quer alles durchprobiert.“ Noch leidenschaftlicher und motivierter ist der gebürtige Meraner seit seiner Jugend beim Weißen Kreuz in Meran und der Freiwilligen Feuerwehr in Algund dabei.
Irgendwann, sagt Ceska, habe er gemerkt: „Da ist eine Lücke.“ Bei Einsätzen, Übungen und Veranstaltungen von Rettungsorganisationen gab es keine fotografische Begleitung, um Bildmaterial für Werbetätigkeiten, Pressemeldungen, Social Media oder die reine Dokumentation von Einsätzen anzufertigen. Schade, dachte sich Ceska, und fing an, bei Feuerwehr- und Weiß-Kreuz-Übungen ab und zu mit seiner Kamera ein paar Fotos zu knipsen. Das Feedback war ausschließlich positiv, die Freude über die professionellen Bilder bei Vereinen und Organisationen groß. Es kamen weitere Anfragen – und bei Ceska die Überlegung auf, das Hobby auszubauen.
Im Frühjahr 2020 begann er mit Ausbruch der Coronapandemie, immer wieder die Kamera zu seinen Diensten beim Weißen Kreuz mitzunehmen und der Öffentlichkeit zu zeigen, wie der ehrenamtliche Rettungsdienst unter den erschwerten Bedingungen ablief. Beruflich war Ceska da noch als Techniker für die Reparatur und Wartung von medizinischen Geräten angestellt. 2023 folgte er dann dem Vorbild seines Vaters und schlug den Weg des Handelsvertreters ein. Mit dem Schritt in die Selbstständigkeit fiel auch die Entscheidung, sich als Einsatzfotograf eigenständig zu machen. Und zu versuchen, damit Geld zu verdienen.
Information statt Sensation
Die ersten Male, als er, noch hobbymäßig, als Fotograf an einem Einsatzort war, seien „ein absolutes Desaster“ gewesen, gesteht David Ceska. „Im Unterschied zu anderen Arten der Fotografie geht es in der Einsatzfotografie äußerst hektisch zu – und kein Bild kann gestellt oder wiederholt werden, du hast für jedes nur eine einzige Chance. Da braucht es schon recht viel an Erfahrung, das klappt nicht auf Anhieb.“
Für die besten Bilder muss er so nahe wie möglich an das Geschehen. Einfach so geht das aber nicht. „Leider hat man als Fotograf am Einsatzort häufig ein negatives Image, man wird als störend und schaulustig empfunden“, bedauert Ceska. Dabei sei seine Aufgabe, „mit meiner Arbeit korrekt und professionell zu informieren“. Das Vertrauen zu den Einsatzkräften hat er sich langsam aufbauen müssen. Zugutegekommen ist ihm, dass er selbst Freiwilliger ist und entsprechend weiß, wie es sich an einer Einsatzstelle zu verhalten gilt, wo Gefahren drohen, er gerade nicht stehen – und was er nicht fotografieren sollte: „Außenstehenden ist nicht immer ganz bewusst, dass es in diesen Situationen oft um Leid geht, um Menschen, die vielleicht gerade den schlimmsten Tag ihres Lebens erleben. Deshalb achte ich stets darauf, dass die Szene, die ich fotografiere, zwar informierend ist, aber zugleich die Privatsphäre der Betroffenen – Unfallopfer, Angehörige usw. – nicht verletzt.“
Geschichten und Gesichter zeigen
Das Um und Auf seiner Tätigkeit sind die Netzwerke, die sich der junge Fotograf im Laufe der Jahre vor allem unter den Feuerwehren im Burggrafenamt aufgebaut hat. Kontaktpersonen und Wehrmänner vor Ort geben ihm Einsätze und Informationen aus erster Hand durch. Dann muss es schnell gehen. „In der ersten halben Stunde eines Einsatzes passiert am meisten“, weiß Ceska. Entsprechend wichtig ist es für ihn, so früh wie möglich vor Ort zu sein, um die aussagekräftigsten Bilder zu machen.
Damit er sofort aufbrechen kann, liegt alles, was er für seinen Einsatz benötigt, ständig im Auto parat: der Rucksack voller Kamera-Equipment, die persönliche Schutzausrüstung samt Helm, Hose und Atemschutzmaske. „Als ich heuer im Mai vom Großbrand bei Alpitronic in Bozen erfuhr, hatte ich gerade einen Vertreter-Termin in Leifers beendet“, berichtet Ceska. „Ich habe mich noch vor dem Geschäft umgezogen und bin direkt zum Brand gefahren.“
Mit seinen Bildern will er nicht nur die Geschichte des Ereignisses – Großbrand, Zivilschutzeinsatz, Verkehrsunfall – erzählen, sagt Ceska. Sondern auch die Menschen, die dabei an vorderster Front stehen, „im richtigen Licht“ zeigen: „Wer meine Fotos sieht, soll natürlich verstehen, was passiert ist, aber zugleich erkennen, dass es ganz normale Menschen sind, die da zu einem Einsatz gerufen werden und ihn abarbeiten.“

Dass dank seines sensiblen und zugleich professionellen Auftretens und Arbeitens außergewöhnliche Bilder entstehen, hat sich inzwischen herumgesprochen – und ihm Folgeaufträge beschert. Zusätzlich zu Fotos fertigt Ceska während seiner Einsätze auch Videomaterial an, das er an Nachrichtenredaktionen verkauft. Die Fotos stellt er zwar ebenfalls Medien und Einsatzkräften zur Verfügung, allerdings unentgeltlich: „Die Bilder sind die schönste Erinnerung für mich, deshalb möchte ich die Rechte daran behalten.“
Neben der reinen Einsatzfotografie hat er sich mittlerweile ein zweites Standbein aufgebaut, fotografiert im Auftrag von Rettungsorganisationen deren Großübungen, inszeniert Bilder für Social-Media-Kanäle und Magazine. „Diese Arbeiten kann man viel besser planen“, meint er lachend. Und sie sind auch finanziell einträglicher.
Nur im Traum ein Job für alle Tage
Um von der Einsatzfotografie alleine leben zu können, dafür sei Südtirol ein zu kleines Land, erklärt David Ceska: „Natürlich gibt es größere Ereignisse wie das jüngste Hochwasser in Österreich auch bei uns. Und dann hat man alle Hände voll zu tun.“ So wie er selbst Anfang März 2020, als in der Metzgerei Pfitscher in Burgstall ein Feuer ausbrach, gegen das Hunderte Wehrleute tagelang ankämpften. 30 Stunden verbrachte Ceska mit seiner Kamera, damals noch in seiner Freizeit, am Einsatzort. Aber das sind Ausnahmen. „Für einen 24/7-Job passiert in Südtirol nicht genug“, sagt er. „Es kann gut sein, dass ich in meinem Haupteinzugsgebiet Meran und Umgebung auch mal ein halbes Jahr nichts zu tun habe.“ Dazu kommt, dass es im Land relativ wenige Fernseh-, Presse- und Onlineredaktionen und somit Abnehmer für seine Bilder gebe.
Deshalb ist Ceska froh um seinen Job als Handelsvertreter, der so ganz anders ist als der des Einsatzfotografen und den Adrenalinspiegel weniger stark steigen lässt. Dass er beide Tätigkeiten absolut selbstständig ausübe, sei ein Glück: „Ich kann mir alles frei einteilen – und notfalls auch mein Tagesprogramm ändern, wenn irgendwo mein fotografischer Einsatz gebraucht wird.“
Dennoch, dann und wann träumt der 26-Jährige davon, in eine Großstadt zu ziehen, um sich ganz der Einsatzfotografie zu widmen. So wie es Fotografen in Mailand, Rom, Los Angeles oder München tun, denen Ceska auf Instagram folgt: „Dort weiß man auch, dass immer etwas passiert.“ Aber momentan sei er sehr zufrieden, sagt er, und möchte auch sein Leben in Südtirol nicht aufgeben: „Ich bin ein sehr heimischer Typ.“
Aufgegeben hat er hingegen das Fotografieren abseits von Feuerwehr, Rettung und Zivilschutz: Die Arbeit sei zu zeitintensiv. Dafür aber umso befriedigender. Denn negative Rückmeldungen zu seinen Bildern habe er bisher keine einzige bekommen: „Das macht richtig Freude und motiviert, meiner Leidenschaft weiter nachzugehen.“
Lisa Maria Gasser
lm.gasser@hotmail.com
DIE AUTORIN ist freiberufliche Journalistin.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie auf SWZonline und in der SWZapp.