Bozen – Auf der Grundlage wechselnder EU-Richtlinien ist es seit vielen Jahren Ziel der Gesetzgeber in Italien, die Gebäude im Hinblick auf ihren Energiehunger zertifizieren zu lassen, damit Käufer oder Mieter nicht im Unklaren darüber bleiben, was da an Kosten auf sie zukommt. Grundlage ist ein Gesetzesdekret aus dem Jahr 2005, das dann mehrere Änderungen und Ergänzungen erfahren hat. Seit 1. Juli 2007 muss ein Energieausweis beigebracht werden, der „Attestato di Certificazione Energetica“ (ACE) genannt wird und die Gebäude in verschiedene Klassen von A (wenig Energieverbrauch) bis F bzw. G (sehr hoher Energieverbrauch) einteilt. Nach vielen Änderungen, Ergänzungen und Terminaufschüben ist am 4. August 2013 das Gesetz Nr. 90/13 in Kraft getreten, mit dem die EU-Richtlinie 2010/31 umgesetzt wird. Dieses sieht eine etwas geänderte Energiebescheinigung namens „Attestato di Prestazione Energetica“ (APE) vor, die für neue Gebäude, im Falle einer Sanierung, eines Verkaufs, einer Vermietung oder sogar einer Schenkung vorgelegt werden muss. Dieser neue Ausweis wird für jede Wohneinheit ausgestellt, nicht bloß für ganze Gebäude, er gibt nicht nur Auskunft über den Energiebedarf für Heizung, sondern auch für Kühlung, und er enthält Empfehlungen für die Verbesserung der Energieeffizienz. Endgültig festgelegt wurde, dass der Energieausweis Voraussetzung ist, um die staatlichen Steuererleichterungen für energetische Sanierungen in Anspruch zu nehmen oder die Einspeisevergütung für Fotovoltaikanlagen an oder auf Gebäuden ab dem so genannten „Conto Energia V“ in Anspruch zu nehmen. Auch müssen Immobilienanzeigen mit einem Hinweis auf die Energieklasse versehen sein. Seit 4. August müssen Kauf- und Mietverträge definitiv auf der Grundlage eines Energieausweises abgeschlossen werden, und bei Verstößen sieht das Staatsgesetz saftige Verwaltungsstrafen vor. Mehr: Kauf- und Mietverträge können als nichtig erklärt werden, wenn sie nicht auf der Grundlage eines Energieausweises abgeschlossen werden. Darüber hinaus ist es nicht mehr möglich, für die Klasse G eine Eigenerklärung auszustellen.
Liberalisiert worden ist der Markt für Energieausweise. Während bisher in Südtirol nur die Klimahausagentur berechtigt war, solche Bescheinigungen auszustellen, können dies nunmehr alle qualifizierten, unabhängigen Techniker tun, die in die entsprechenden Kammern eingetragen sind und über eine Ausbildung und Erfahrung verfügen, wie sie im DPR 75/2013 festgelegt sind. Die Ausweise sind in der Regel zehn Jahre gültig. Beibringen muss die Bescheinigung die Firma, die das Gebäude errichtet hat, oder – im Falle eines Verkaufs bzw. einer Vermietung – der Eigentümer.
Nun ist es aber so, dass noch Durchführungsbestimmungen zum Gesetz fehlen, mit denen unter anderem Einzelregelungen zum APE getroffen werden. Bis dahin werden weiterhin die alten ACE-Bescheinigungen ausgestellt, und in einem Rundschreiben (Nr. 00416) des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung, Abteilung Energie, wird darauf hingewiesen, dass in den Regionen mit einer eigenen Regelung (dazu gehört Südtirol) nach den lokalen Normen vorgegangen wird (Klimahausausweis). Die Klimahausagentur hat auch bereits auf ihrer Homepage einen Vordruck veröffentlicht, über den der Ausweis für die Klasse G (in diese fallen etwa drei Viertel aller Gebäude) zu verringerten Kosten (150 Euro plus Mehrwertsteuer) generiert werden kann. Geplant ist, in Südtirol bald auch ein vereinfachtes Verfahren für die Klassen D, E und F zu ermöglichen, dem zwar eine genaue Berechnung zugrunde liegen muss, das aber keine aufwändige Dokumentation vorsieht. Mit anderen Worten: die Kosten der Zertifizierung für den Eigentümer sind geringer.
Aber die Rechtslage ist (wieder einmal) unsicher, da regionale (bei uns Südtiroler) Regeln und staatliche Bestimmungen ineinander greifen und konkurrieren. Die Südtiroler Normen zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2010/31 sind schon seit April in Kraft, so dass das Staatsgesetz eigentlich keine Anwendung erfahren dürfte. Allerdings enthält dieses auch zivilrechtliche Aspekte (Nichtigkeit von Verträgen), die auf jeden Fall auch in Südtirol gelten, so dass die Auffassungen darüber, was Sache ist, auseinander gehen. Die Unsicherheiten sollen bei weiteren Treffen zwischen dem Ministerium und den regionalen Behörden ausgeräumt werden.
Wie soll man sich also beim Abschluss von Kauf- oder Mietverträgen verhalten? Dass die neuen Regeln bezüglich der Nichtigkeit bei Fehlen des Ausweises auch in Südtirol gelten, ist eigentlich klar, aber es gibt rechtliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie dieser Ausweis auszusehen hat. Das Staatsgesetz bestimmt, dass bis zum Erlass der Durchführungsbestimmungen ein aufgrund der alten Regelung ausgestellter ACE-Schein bzw. in Südtirol eine Bescheinigung nach lokalen Vorgaben (diese sind bereits EU-konform) gilt. Auf diese eigentlich naheliegende Interpretation wollen sich aber nicht alle verlassen, weil viel auf dem Spiel steht. Der lokale Verband der Gebäudeinhaber zum Beispiel rät zur Vorsicht und empfiehlt seinen Mitgliedern nach Auskunft von dessen Direktor Markus Pallua derzeit, nach Möglichkeit vorerst keine Verträge abzuschließen. Bei Neubauten oder grundlegenden Umbauten mit Klimahauszertifizierung gebe es keine Probleme, aber im Falle des Verkaufs oder der Vermietung bestehender, nicht erneuerter Einheiten, für der Eigentümer den Energieausweis beibringen muss, sei es fraglich, welche Nachweise gültig sind. „Sollte es darüber zu einem Rechtsstreit kommen, drohen Kauf- oder Mietverträge nach Monaten oder Jahren als nichtig erklärt zu werden – mit allen Folgen für den Verkäufer oder Vermieter“, sagt Pallua.
Etwas anders wird die Lage von der Klimahausagentur beurteilt. Deren Direktor Ulrich Santa unterstreicht, dass Südtirol die EU-Richtlinie 2010/31 schon vor Erlass der staatlichen Normen umgesetzt hat und die Landesregeln schon seit April 2013 in Kraft sind. Notwendig sei es nur, jeweils ein Original des Energieausweises beizubringen (und nicht bloß eine Kopie), zumal die Staatsnorm mit Blick auf die Nichtigkeit von Verträgen auch zivilrechtliche Aspekte hat, die auch in Südtirol zu beachten sind. Er geht davon aus, dass ein nach den Südtiroler Vorschriften erstellter und im Original beigebrachter Energieausweis für jede Gebäudeeinheit auf jeden Fall gültig ist.