Sofia – Die Eurozone wird voraussichtlich mit Jänner 2026 um ein Mitglied reicher. Nachdem 2023 Kroatien als 20. Mitgliedsland den Euro als Landeswährung einführte, folgt nun Bulgarien. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission haben grünes Licht dafür gegeben. Jetzt fehlt noch das Okay des EU-Rates, sprich der Mitgliedsstaaten. Das ist eigentlich nur noch Formsache.
Ausschlaggebend für die Beitrittserlaubnis ist die Erfüllung bestimmter Kriterien, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht (siehe Info). Der Plan der bulgarischen Regierung, den Euro bereits 2024 einzuführen, war an der zu hohen Inflation im Land gescheitert. Inzwischen hat sich die Teuerungsrate an jene der Eurozone angenähert.
Ob der Euro und das Ende der eigenen Währung Lew dem Land guttun wird, darüber sind sich die Bulgarinnen und Bulgaren uneins. Laut Umfragen sieht ein Drittel der Bevölkerung eher einen Nutzen im Euro, ein weiteres Drittel eher Nachteile, unter anderem starke Preisanstiege. Das restliche Drittel sieht die Sache neutral oder hat keine Meinung.
Wie geht es dem weitgehend unbekannten Land am Schwarzen Meer? Welche Stärken und Schwächen hat es? Und kann es mit dem Euro-Beitritt wirtschaftlich aufblühen?
Mal Flop, mal Top
Bulgarien stieß 2007 gemeinsam mit dem nördlichen Nachbarland Rumänien zur EU. Seit Anfang dieses Jahres sind die beiden Länder auch vollwertige Mitglieder des Schengen-Raums (Reisen ohne Grenzkontrollen), nachdem Österreich sein jahrelanges Veto dagegen aufgab. Das Land hat rund 6,4 Millionen Einwohner:innen und ist von der Fläche her etwas größer als Österreich.
In den wirtschaftlichen Statistiken zählt Bulgarien häufig zu den Schlusslichtern in der EU. Allerdings holt das Land auf, was für ein generell großes Potenzial spricht. Die Hoffnung besteht, dass Bulgarien durch die zunehmende europäische Integration an Wirtschaftskraft und Wohlstand gewinnt – so wie es auch andere osteuropäische EU-Länder geschafft haben.
2024 hatte Bulgarien ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von mageren 16.110 Euro. Das ist der mit Abstand niedrigste Wert in der EU, wo der Schnitt knapp 40.000 Euro betrug – wobei die Lebenshaltungskosten in Bulgarien wesentlich geringer sind. Das Land konnte sein reales BIP seit 2017 allerdings um durchschnittlich fast drei Prozent pro Jahr steigern. In den kommenden Jahren soll es laut Prognosen so weitergehen.
Überraschend gut schneidet Bulgarien hingegen bei der Arbeitslosigkeit ab. Diese liegt aktuell nur bei 3,3 Prozent, einer der besten Werte in der EU bei einem Schnitt von 5,9 Prozent und einem Maximum in Spanien von 10,9 Prozent. Die Menschen im künftigen Euro-Land haben also genug Arbeit und trotzdem keine starke Wirtschaft. Es scheint bei der Produktivität und Wertschöpfung zu hapern.

Niedrige Löhne, viel Abwanderung
Die wichtigsten Arbeitgeber in Bulgarien sind die Sektoren Handel und Gastgewerbe sowie Industrie und Bergbau, wobei sich die Industrie nicht – wie in anderen Ländern – mit einer verhältnismäßig hohen Wertschöpfung hervortut. Der wichtigste Handelspartner ist Deutschland. „Bulgarien exportiert hauptsächlich pharmazeutische Erzeugnisse, Elektrotechnik, Kupfererzeugnisse, Agrarprodukte und zunehmend IT-Dienstleistungen“, schreibt die deutsche Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Germany Trade & Invest“ (GTAI) in einem Länderbericht.
Aufgrund der niedrigen Produktivität sind auch die Löhne in Bulgarien auf einem tiefen Niveau. Dies hat einen geringen Konsum zur Folge, was das Wirtschaftswachstum bremst. Die wirtschaftliche Entwicklung wird auch dadurch gehemmt, dass viele junge, gut ausgebildete Menschen ins Ausland abwandern, wo sie bessere Karrieremöglichkeiten vorfinden. Dadurch steigt der ohnehin hohe Fachkräftemangel zunehmend.
Zuletzt haben die Löhne in Bulgarien aber deutlich angezogen – stärker als die Produktivität, schreibt die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in einem aktuellen Wirtschaftsbericht über Bulgarien. Dadurch würden die Attraktivität des Standortes und der private Konsum steigen.
Die Chancen
Eine Umfrage der WKÖ unter österreichischen Investoren in Bulgarien hat ergeben: „Das Land könnte mehr Investitionen anziehen, wenn es bei Fachkräftemangel, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung, Verkehrsinfrastruktur und Bürokratieabbau noch mehr Aktivitäten setzen würde.“ Es reiche Investoren nicht mehr aus, dass die Löhne und Steuern noch vergleichsweise niedrig sind.
GTAI ist derselben Meinung. Besonders die Hauptstadt Sofia habe sich in den vergangenen Jahren zu einem attraktiven Standort für Unternehmensgründungen entwickelt, worauf aufzubauen sei. Auch der Tourismus wachse, wobei sich Bulgarien als Destination für Kuren positioniere. Generell schreibt GTAI Bulgarien eine günstige geostrategische Lage zwischen Europa, Nahost und Asien zu. Das Potenzial für mehr Wohlstand ist also da, sofern es Bulgarien nutzt.
Info
Die Euro-Voraussetzungen
Ein Land muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Teil des Euroraumes zu werden. Dazu gehört erst einmal die EU-Mitgliedschaft. Weiters ist laut Europäischer Zentralbank ein „hohes Maß an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz“ erforderlich. Das heißt, ein Land muss wirtschaftlich mit anderen Euro-Ländern mithalten können. Ausschlaggebend sind die Aspekte Preisstabilität, Höhe der Staatsverschuldung, stabile Wechselkurse und Eurozonen-ähnliche Zinssätze. Und: Diese Konvergenz muss nachhaltig sein. „Damit die Währungsunion reibungslos funktionieren kann und alle Mitglieder von den Vorteilen des stabilen Geldwerts profitieren können, müssen sie sicherstellen, dass ihre Volkswirtschaften widerstandsfähig sind“, erklärt die EZB. Außerdem müssen die nationalen Rechtsvorschriften mit den wichtigsten europäischen Rechtsnormen im Einklang stehen. Die EZB und die EU-Kommission überprüfen die Fortschritte der Länder. Die Entscheidung über eine Aufnahme in den Euroraum trifft der Rat der Europäischen Union, also die EU-Mitgliedsländer, auf Grundlage eines Vorschlages der Kommission.
Wer den Euro nutzt
Aktuell sind 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten Teil der Eurozone. Bulgarien wird voraussichtlich 2026 das 21. Mitglied. Schweden, Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien sind aufgrund der EU-Verträge verpflichtet, den Euro einzuführen, müssen dafür aber die vorgesehenen Kriterien erfüllen (siehe Info). In Schweden etwa fehlt der Wille zum Euro-Beitritt, weshalb bewusst nicht alle Kriterien vollends erfüllt werden. Dänemark hat hingegen die offizielle, vertraglich festgelegte Erlaubnis, seine eigene Währung behalten zu können. Auch einige Nicht-EU-Staaten nutzen den Euro als Währung, darunter Andorra, Monaco, San Marino, der Vatikan, Montenegro und Kosovo. Sie sind aber nicht Teil der Eurozone im institutionellen Sinne und haben demnach kein Mitspracherecht in Entscheidungsprozessen.