Silvio Berlusconis Zeit scheint abgelaufen. Insofern ist es zweifellos richtig, im Rückblick auf seinen rasanten politischen Aufstieg 1994, seine vier Regierungen und seine politische Leadership in den letzten 17 Jahren von einer Ära Berlusconi zu sprechen. Allerdings ist es ziemlich unobjektiv zu behaupten, Berlusconi habe Italien 17 Jahre hindurch in den Ruin regiert, wie an manchen Stammtischen geschimpft und sogar in manchen Massenmedien behaupt wird. Sicher: Italien hat unter Berlusconi mehr Abstieg erlebt als geglänzt, zumal der Cavaliere oft für seine persönlichen Interessen gearbeitet hat anstatt für jene der Italiener. Und es stimmt auch, dass das internationale Ansehen Italiens unter Berlusconi und seinen Affären stark gelitten hat, sodass zuletzt auch viele seiner Wähler enttäuscht waren und froh sind, dass er gehen musste. Nur: Kann Berlusconi wirklich alles angelastet werden, was in den letzten Jahren getan oder unterlassen worden ist?
Da jede diesbezügliche Bewertung zwangsläufig subjektiv sein muss, wollen wir zur Bewahrung eines angemessenen Maßes an Objektivität die Zahlen sprechen lassen, die nicht lügen. Die Ära Berlusconi begann mit seiner ersten Wahl zum Regierungschef am 10. Mai 1994 und endete (vorläufig) mit seinem Rücktritt am 16. November 2011, also siebzehneinhalb Jahre später. Zwischen den insgesamt vier Mitte-rechts-Regierungen Berlusconis gab es aber sechs andere Regierungen, die von Mitte-links-Koalitionen getragen wurden, denen vier verschiedene Premiers vorstanden. Insgesamt war Berlusconi in all dieser Zeit also „nur“ knapp über neun Jahre an der Macht, 8,5 Jahre residierten Romano Prodi, Lamberto Dini, Massimo D’Alema und Giuliano Amato im Palazzo Chigi. Sie hatten viel Gelegenheit, das zu tun, was Berlusconi jetzt vorgeworfen wird unterlassen zu haben, etwa den Kampf gegen die Steuerhinterziehung. Und: Mitte-links hätte 2008 nicht abtreten müssen sondern bis 2011 regieren und Berlusconi damit verhindern können, wenn das Lager nicht so zerstritten gewesen wäre, dass nichts mehr ging und vorgezogene Neuwahlen notwendig wurden.
Also: Berlusconi trägt gut die Hälfte der Verantwortung für die letzten 17 Jahre, den Rest müssen seine Gegner auf ihre Kappe nehmen.