Bozen – Metzger, Bäcker, Kfz-Techniker – gar einige typische Handwerksberufe erlebten in Südtirol in den vergangenen Jahren einen Rückgang bei der Betriebsanzahl. Besonders ausgeprägt war der Schwund bei den Tischlern: Im Jahr 2000 gab es in Südtirol noch 807 Tischlereibetriebe, Anfang 2014 waren es 571. Das bedeutet ein Minus von 236 Betrieben bzw. von 30 Prozent. Auch die Zahl der im Sektor Beschäftigten nimmt kontinuierlich ab; seit 2000 um circa 20 Prozent von rund 3.300 auf derzeit etwas mehr als 2.600.
In welchen Bezirken des Landes die Anzahl der Tischlereien mehr zurückgegangen ist, und in welchen weniger, darüber gibt es keine Statistiken. „Mein Eindruck ist es allerdings, dass in den Tourismushochburgen die Zahl der Betriebe eher konstant bleibt, und dass dort, wo es weniger Tourismus gibt, die Zahl zurückgeht“, sagt Michael Gruber, der Obmann der Tischler im Landesverband der Handwerker (LVH).
Dass es immer weniger Tischlereien in Südtirol gibt, habe verschiedene Gründe. Einer sei, dass die Tischler zu jenen Berufsgruppen zählen, die von der kriselnden Baubranche betroffen sind. „Arbeit gibt es zwar schon, doch man muss sich stärker um Aufträge bemühen, und der Preiskampf ist härter geworden“, sagt Gruber. „Außerdem ist die Zahlungsmoral der Bauträger bei öffentlichen Aufträgen ein Problem. Denn die Generalunternehmer unterbieten die Ausschreibepreise deutlich, um die Aufträge zu erhalten, und geben diesen Preisdruck an die Handwerker weiter, die sich dann ihrerseits unterbieten. Derjenige, der den Auftrag dann erhält, muss nach dem abgenommenen Abschluss der Arbeit in der Regel sehr lange warten, bis die Rechnung beglichen wird – wenn sie überhaupt bezahlt wird.“ Es sei deshalb für das gesamte Handwerk sehr wichtig, dass die Ausschreibung der Gewerke separat erfolge.
Nicht nur die wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben einige Firmeninhaber in den vergangenen Jahren dazu bewogen, ihre Firmen zu schließen. Sich mehrende Bürokratie, die zunehmenden Sicherheitsauflagen, der enorme Investitionsdruck und die wachsende Konkurrenz durch große Einrichtungsketten sind andere Ursachen. „Konkurse gibt es bei Tischlern eher selten und wenn, dann meist weil Rechnungen für geleistete, abgeschlossene Arbeiten nicht beglichen werden und der Betrieb dadurch zahlungsunfähig wird“, analysiert Gruber. „Allerdings gibt auch manch ein Tischler seine Selbstständigkeit zugunsten einer Festanstellung bei einem anderen Unternehmen auf, bei dem er am Monatsende sein fixes Gehalt überwiesen bekommt.“ Ähnliches komme auch bei Betrieben vor, in denen der Chef ins Pensionsalter kommt und die Firma an den Sohn, der ebenfalls Tischler ist, übergeben möchte.
Die Gründung von neuen Tischlerbetrieben sei ebenfalls schwierig. „Vor allem wegen des Finanziellen: Eine Tischlerei ist ein technisch hochspezialisierter Betrieb, in dem Maschinen um zig 100.000 Euro notwendig sind – und es wird immer schwieriger, die Finanzierungen dafür zu erhalten“, führt Gruber einen weiteren Grund dafür auf, dass es immer weniger Tischlereien in Südtirol gibt.
Genauso wie die Anzahl der Tischlereien ist die Zahl der in den Tischlereien Beschäftigten zurückgegangen. Damit einher geht ein Minus bei der Anzahl der Tischlerlehrlinge. Dies habe, so Gruber, weniger mit dem nachlassenden Interesse vonseiten der Jugendlichen zu tun, als vielmehr mit den zahlreichen Auflagen vonseiten der Behörden. „Viele Betriebsinhaber sagen: ‚Wenn ich einen Lehrling anstelle, dann bin ich mit einem, wenn nicht mit beiden Füßen eh schon im Gefängnis – da verzichte ich lieber‘ “, sagt Gruber.
Dennoch sieht der LVH-Tischlerobmann in seiner Zunft keinen aussterbenden Berufsstand. „Wichtig ist, dass man sich als Betriebsinhaber darüber klar ist, dass man nicht mehr alles machen kann, und sich fragt: Wo finde ich meinen Markt? Sind es öffentliche Aufträge oder die Hotellerie, ist es ein Nischenprodukt oder Serienproduktion, oder passe ich mich den Anforderungen als Nahversorger an?“, betont Gruber die wachsende Wichtigkeit von Spezialisierung.
Er ist zudem überzeugt davon, dass der Weg ins Ausland für die Südtiroler Tischlereien in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. „In Situationen wie der derzeitigen, wo die Arbeit ausbleibt, müssen wir entweder neue, innovative Produkte herstellen oder den Markt erweitern“, sagt Gruber. „Ich glaube, dass es in der Schweiz, in Österreich oder in Deutschland Bedarf an Südtiroler Spitzenqualität zu erschwinglichen Preisen gibt.“
Großes Potenzial sieht Michael Gruber auch in Kooperationen. „Einerseits könnten mehrere Tischlereien, die sich auf die Herstellung verschiedener Produkte spezialisiert haben, die Beratung und den Verkauf gemeinsam abwickeln. Das würde für den Kunden bedeuten, dass er, wenn er beispielsweise eine Wohnung einrichten möchte, nur einen Ansprechpartner hat, doch Tischlerei A liefert die Türen, Tischlerei B die Küche und Tischlerei C das Wohnzimmer“, führt Gruber aus.
Eine zweite Kooperationsmöglichkeit sieht er bei der Bewältigung der Bürokratie. „Dadurch, dass beispielsweise Ausbildungen gemeinsam angeboten werden oder neue Materialien für bestimmte Produkte von einer zentralen Stelle gesucht und vorgestellt werden, können die Kosten für den einzelnen Betrieb gesenkt werden.“
Auch die Zusammenarbeit der Tischler mit den verschiedensten Institutionen – vom LVH über das TIS bis hin zur EOS – müsse, so Gruber, forciert werden, genauso wie die Kooperation in bestehenden Genossenschaften, wie beispielsweise Kobra, dem Konsortium Brandschutztüren.
Wichtig für den Fortbestand des Berufsstandes sei zudem, so Gruber, dass das Image der Tischler gestärkt werde. „Wir Tischler haben uns in den vergangenen Jahrzehnten extrem weiterentwickelt. Wir stellen innovative Produkte aus den verschiedensten Materialien – von Holz über Glas bis hin zu Metall – her, und das in einer hervorragenden Qualität“, unterstreicht der LVH-Tischlerobmann. „Das müssen wir unseren potenziellen Kunden noch stärker vermitteln.“















