Bozen – „Bei uns ist das Ganze aus einer Notwendigkeit heraus entstanden, die auf einen Zufall getroffen ist“, sagt Linda Gasser. Sie ist selbstständige Arbeitsrechtsberaterin und Mutter zweier Kinder im Alter von sechs und zehn Jahren.
Als das zweite Kind zur Welt kam, sah sie sich gemeinsam mit ihrem Partner – ebenfalls berufstätig – nach einer Kinderbetreuung um. „Wir haben damals keine geeignete Tagesmutter für unsere Tochter gefunden. Und in die Kita wollten wir sie nicht geben“, erinnert sich Linda Gasser. Zu diesem Zeitpunkt war der ältere Sohn bereits im Kindergarten. „Seine Kindergärtnerin hat von unserer Suche mitbekommen und uns gefragt, ob nicht ein Au-pair etwas für uns wäre.“
Au-pairs wohnen im Haus der Familie. Sie frühstücken am selben Esstisch und sitzen am Abend gemeinsam mit der Familie im Wohnzimmer.
Anfangs konnte sich Linda Gasser darunter wenig vorstellen, sagt sie. Der Gedanke, eine fremde Person im eigenen Haus zu haben, sei zunächst befremdlich gewesen. Doch sie gab der Idee eine Chance, informierte sich, registrierte ihre Familie auf einem der Portale (siehe Infobox) und holte schließlich ihr erstes Au-pair-Mädchen zu sich nach Hause.
Heute, sechs Jahre und viele Au-pairs später, weiß Gasser: Für sie und ihre Familie ist diese Art der Kinderbetreuung genau die richtige.
Flexibilität für berufstätige Eltern
Au-pairs als Betreuung für die Kinder bei sich aufzunehmen, hat viele Vorteile, sagt Gasser. „Für ein Au-pair spricht die ständige Präsenz. Sie sind nicht wie ein Babysitter, der am Nachmittag ein paar Stunden kommt und dann wieder weg ist.“
Bei ihrer Familie steht das Au-pair-Mädchen (Gassers Familie hat bisher ausschließlich junge Frauen bei sich aufgenommen) mit allen Familienmitgliedern auf und hilft, die Kinder für den Tag im Kindergarten oder in der Schule vorzubereiten. Am Nachmittag holt es die Kinder ab, hilft bei den Hausaufgaben und verbringt Zeit mit ihnen. Auch übernimmt das Au-pair-Mädchen einfache Aufgaben im Haushalt. „Im Vordergrund steht für uns aber nicht die Sauberkeit oder Ordnung im Haushalt, sondern die gemeinsam verbrachte Zeit mit den Kindern.“
Au-pairs sind flexibler als Babysitter:innen und Kindertagesstätten. „Wenn eine Sitzung am Abend mal eine Stunde länger dauert, dann bin ich beruhigt und weiß, jemand ist bei den Kindern daheim“, meint Gasser.
Wenn einmal ein Kind krank ist, sei das dank der Au-pair-Mädchen für die berufstätigen Eltern ebenfalls keine Katastrophe, weil dann niemand zwingend daheim bleiben muss.
„Uns gefiel auch die Idee, dass es jemanden gibt, der jeden Tag auf die Kinder schaut, anstatt dass sie zwei Tage pro Woche bei der einen Großmutter, zwei Tage bei der anderen und einen Nachmittag bei Kursen verbringen“, sagt Gasser.
Was in ihren Augen noch für Au-pairs spricht: Sie sind flexibler als Babysitter:innen und Kindertagesstätten. „Wenn eine Sitzung am Abend mal eine Stunde länger dauert, dann bin ich beruhigt und weiß, jemand ist bei den Kindern daheim“, meint Gasser.
Eine fremde Person 24/7 im Haus
So zahlreich die Vorteile von Au-pairs auch sind: „Schönreden darf man diese Art der Kinderbetreuung nicht“, warnt Linda Gasser. Denn der bedeutendste Unterschied zu anderen Wegen der Kinderbetreuung ist, dass die Au-pairs im Haus der Familie wohnen. Sie frühstücken am selben Esstisch und sitzen am Abend gemeinsam mit der Familie im Wohnzimmer. Das birgt Konfliktpotenzial und erfordert von beiden Seiten – sowohl von der Gastfamilie als auch von den Au-pairs – viel Flexibilität.
Auch stammen die Mädchen aus unterschiedlichsten kulturellen und familiären Kontexten. „Wenn die Mädchen zu uns kommen, haben sie ihren Koffer bei sich. Darin sind nicht nur ihre Kleider, sondern auch ihre Geschichte, ihre Erfahrungen, ihr bisher gelebtes Leben“, formuliert die Arbeitsrechtsberaterin.
Wer passt zu wem?
Nicht unterschätzt werden sollte außerdem das Suchen und Finden eines passenden Au-pairs, denn das ist laut Gasser recht aufwendig. Viele Au-pairs würden sich nach der ersten Kontaktaufnahme nicht mehr melden oder würden die Aufgabe nicht ernst nehmen. Auch stelle sich manchmal heraus, dass ein Au-pair nicht zu einer Familie passt. Diese Erfahrung hat Linda Gasser ebenfalls schon gemacht. „Ein bis zwei Mal haben wir, auch nachdem wir öfter das Gespräch gesucht haben, gemerkt, dass es nicht läuft. In solchen Fällen muss man getrennte Wege gehen.“
Im Großen und Ganzen überwiegen für Linda Gasser die positiven Seiten. Eine ist für sie besonders wichtig: „Jedes Au-pair hat mit seiner Sprache dazu beigetragen, dass unsere Kinder kulturell und sprachlich dazugelernt haben. Und wir Eltern auch“, sagt sie. „Im vergangenen Jahr hatten wir jemanden aus Irland bei uns. Unser damals vierjähriges Mädchen fing plötzlich an, Englisch zu sprechen.“
Derzeit kümmert sich eine 29-jährige Spanierin um ihre Kinder. Sie spricht mit ihnen auf Spanisch, sie antworten ihr auf Italienisch, Englisch, teilweise auf Spanisch. „Uns war wichtig, dass die Kinder vor Sprachen keine Angst haben“, sagt Gasser. „Dass wir das geschafft haben, beweist sich mit den Au-pair-Mädchen jeden Tag.“
Info
Au-pairs
Au-pairs nennt man junge Erwachsene, die für eine begrenzte Zeit bei einer Gastfamilie leben und diese bei der Kinderbetreuung und einfachen Hausarbeiten unterstützen. Sie erhalten Unterkunft, Verpflegung sowie Taschengeld (in der Regel 250 bis 300 Euro monatlich). Es wird empfohlen, einen Au-pair-Vertrag zu unterzeichnen, um Missverständnisse und Probleme während des Aufenthalts zu vermeiden. Dieser enthält Details und Erwartungen, die zwischen dem Au-pair und der Gastfamilie besprochen wurden. Die Suche nach Au-pairs erfolgt meist über Portale wie aupair.com oder aupair.world.com.