Bozen – In der Zentrale der Sasa in Bozen Süd herrscht viel Bewegung. Mehr als früher, als die Sasa noch ein reines Stadtbus-Unternehmen für Bozen, Meran und Leifers war. Heute betreibt es auch Buslinien außerhalb der Städte und ist entsprechend stark gewachsen – auf inzwischen knapp 600 Mitarbeitende, darunter 400 Busfahrer:innen, die am Steuer fast genauso vieler Busse sitzen.
Als Inhousegesellschaft des Landes ist der Verwaltungsrat der Sasa politisch besetzt. Zur Präsidentin wurde vor drei Jahren Astrid Kofler ernannt. Sie hatte sich seit 2016 in anderen Funktionen bewiesen. Dabei sah es zuvor nicht unbedingt danach aus, als würde sie nach Südtirol zurückkehren. Denn die heute 47-Jährige war drauf und dran, anderswo Karriere zu machen.
Ärztin? Nein, doch nicht
Kofler wuchs in Algund auf. Die Mutter war Krankenpflegerin und langjährige Koordinatorin der Poliambulatorien im Meraner Krankenhaus, der Vater selbstständig im Kfz-Bereich. Ihr Traum sei es gewesen, Ärztin zu werden, erzählt sie. Deshalb sei die Oberschulwahl auf das Wissenschaftliche Lyzeum gefallen. Doch dann kam alles anders.
„Als ich nach der Matura in die Arbeit in einem Krankenhaus hineinschnuppern durfte, wurde mir klar, dass das doch nichts für mich ist. Unter anderem, weil Ärzte schon damals aufgrund der Bürokratie wenig Zeit für die Patienten hatten“, blickt sie zurück. So entschied sich Kofler für ein BWL-Studium in Verona – und schloss es mit Höchstnote und Auszeichnung ab.
Der Start der Karriere
Anschließend, im Herbst 2001, heuerte sie beim Bureau Plattner in Bozen an, um Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin zu werden. Dort blieb sie bis Anfang 2008, allerdings mit einer etwas mehr als einjährigen Zwischenstation in Ungarn, wo sie im Bereich Internationalisierungsberatung in der italienischen Botschaft sowie bei einer internationalen Kanzlei arbeitete.
2008 entschied sich Astrid Kofler dann, Südtirol effektiv zu verlassen und sich auf internationales Steuerrecht zu spezialisieren. Sie bekam einen Job bei Ernst & Young (EY) in Mailand, einer der weltweit größten Kanzleien. Einer der Gründe, die Herausforderung anzunehmen, war familiärer Natur, wie sie verrät: Wegen der chronischen Erkrankung Endometriose wurde ihr von ärztlicher Seite mitgeteilt, sie könne keine Kinder bekommen.
Astrid Kofler spricht offen über private, gesundheitliche Aspekte aus ihrem Leben. Denn diese seien von wesentlicher Bedeutung für ihren beruflichen Werdegang gewesen. Dazu gehört auch die Krebserkrankung ihrer Mutter.
Schatten und Licht
Die Zeit bei EY, erzählt sie, sei beruflich und menschlich eine schöne Erfahrung gewesen. Sie sei für ihren Job häufig nach London und New York geflogen – und habe sich laufend weiterbilden können, etwa in Leadership.
„Mein Wunsch war es, für einige Jahre für EY nach New York zu gehen – und 2011 erhielt ich tatsächlich die Möglichkeit dafür. Doch irgendwie spürte ich plötzlich, dass dieser Weg doch nicht der richtige ist, da ich bei familiären Notfällen zu weit von zu Hause weg sein würde. Als sehr intuitive Person lehnte ich das Angebot somit ab. Und sechs Monate später wurde bei meiner Mutter effektiv ein aggressiver Tumor diagnostiziert“, so Kofler.
Sie spricht von einer einschneidenden Erfahrung. „Ich bin ein Arbeitstier, aber Familie steht für mich immer im Vordergrund“, betont sie. Ihr Arbeitgeber habe ihr – damals als Leiterin eines 20-köpfigen Teams – viel Flexibilität ermöglicht, um ihre Mutter nach Mailand zu holen und sie dort zu betreuen. Und während es ihrer Mutter wieder etwas besser ging, kam für Astrid Kofler die freudigste Nachricht überhaupt: Sie war schwanger, obwohl aus ärztlicher Sicht nicht damit zu rechnen gewesen war.
„Ich wollte zurück nach Hause“
Bei EY wurde Kofler in den darauffolgenden Jahren weiter „gefördert und befördert“, wie die ehrgeizige Algunderin selbst sagt. „Ich habe viel gearbeitet und gegeben, es war aber immer ein Geben und Nehmen.“ Doch dann verschlechterte sich der Zustand ihrer Mutter wieder. „Ich sagte deshalb zu meinem Chef, dass ich einfach heim will und möglichst von dort aus arbeiten“, erzählt sie.
Ihr Arbeitgeber ermöglichte dies. Kofler betreute in dieser Zeit die Fusion der Energieunternehmen Sel und Etschwerke zur Alperia. „Eine hervorragende Möglichkeit, wieder in Südtirol Kontakte zu knüpfen“, sagt sie. Bei EY sei sie damals als Senior Managerin an der Kanzlei beteiligt gewesen – mit der Aussicht, sogenannte Equity-Partnerin zu werden.
Als es ihrer Mutter aber immer schlechter ging, habe sie sich entschieden, ihren Job Ende 2014 zu kündigen, um sie pflegen zu können. Und Astrid Kofler wurde – wiederum medizinisch völlig unerwartet – zum zweiten Mal schwanger, während ihre Mutter langsam den Kampf gegen den Krebs verlor.
Die eigene Kanzlei
Kofler ist es beim SWZ-Porträt wichtig, die Hintergründe ihrer beruflichen Entscheidungen zu erklären. Sie tut das mit leicht wässrigen Augen, ohne dass sich ihre Stimmlage verändert. Man spürt, wie wichtig ihr Familie ist. Immer wieder lächelt sie, wenn sie davon spricht, was sie von ihren Liebsten gelernt hat. „Die Mama hat mir gelernt, dass im Leben alles einen Sinn hat. Zudem hat sie mir die Intuition, die Herzlichkeit, aber auch die Gradlinigkeit mitgegeben“, sagt sie. Und gemeinsam mit ihrer großen Schwester habe sie gelernt, aus schwierigen Situationen das Positive herauszuziehen und die Chancen zu sehen.
Als sie sich in dieser Zeit eine Pause vom Beruf gönnte, habe sie ein amerikanischer Kunde um Hilfe gebeten. „Ich sagte nach etwas Bedenkzeit zu – und weitere Projekte folgten“, schildert Astrid Kofler. Ende 2015 gründete sie schließlich mit ihrem Partner ihre eigene Kanzlei „K&P Tax Consulting“. Vor allem das berufliche Netzwerk in Mailand und im Ausland sei ihr dabei zugutegekommen.
Heute zählt die Kanzlei mit Büros in Bozen und Mailand rund zehn Köpfe. „Wir sind bewusst klein geblieben, damit wir direkte Ansprechpartner für unsere Kunden sein können“, sagt Kofler. Dafür sind ihre Tätigkeiten abseits der Kanzlei gewachsen.
Vom Flughafen bis zur Bushaltestelle
Seit 2016 ist Astrid Kofler ein bekanntes Gesicht in Verwaltungs- und Aufsichtsräten, vor allem von öffentlich kontrollierten Gesellschaften. Damals wurde sie – nachdem sich die Südtiroler:innen in einer Volksbefragung gegen eine weitere öffentliche Finanzierung des Bozner Flughafens aussprachen – im Auftrag des Landes Präsidentin der Flughafen-Betreibergesellschaft ABD. Ihre Aufgabe war es, ABD für den Verkauf an Private vorzubereiten, was schließlich gelang (durch den Verkauf an die Unternehmerseilschaft Gostner, Benko und Haselsteiner).

Danach wurde Kofler zur Multifunktionärin in vorwiegend öffentlich kontrollierten Gesellschaften. So sitzt sie seit 2019 im Verwaltungsrat der Brennerautobahn AG und mehrerer Tochtergesellschaften im Bereich Schienengüterverkehr (heute etwa als Präsidentin der RTC Company). Von 2019 bis 2022 war sie Aufsichtsratspräsidentin der Südtiroler Volksbank, von 2022 bis 2025 Präsidentin der Südtiroler Einzugsdienste AG.
Ihr öffentlichkeitswirksamstes Amt ist aber jenes der Sasa-Präsidentin, das sie seit 2022 innehat, nachdem sie bereits ab 2018 einfache Verwaltungsrätin war.
Neuer Schwung
Sichtlich stolz führt uns Astrid Kofler beim Porträttermin durch die Sasa-Zentrale. Etwa in die Leitstelle: Im Raum sitzen vier Männer an jeweils zwei riesigen Bildschirmen. Darauf ist unter anderem zu sehen, wo sich die einzelnen Busse gerade befinden und wie pünktlich sie sind. Gibt es ein Problem oder hat ein:e Fahrer:in eine Frage, sind die Mitarbeitenden der Leitstelle telefonisch zur Stelle.
Kofler begeistere ihr Präsidentenamt, weil sie gemeinsam mit dem Sasa-Team und dem Verwaltungsrat etwas bewegen könne. Man sei sehr bemüht, das Unternehmen zu modernisieren und durch einen inklusiven und wertschätzenden Führungsstil zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen. Außerdem habe sie persönliche Netzwerke unter anderem zu den Gemeinden und Tourismusvereinen entlang der Sasa-Linien aufgebaut, um ein Vertrauensverhältnis herzustellen und die Busdienste laufend zu verbessern.
„Ich lasse mich von niemandem biegen“
Auf dem Weg zum großen Busdepot neben der Sasa-Zentrale bleibt Astrid Kofler bei mehr oder weniger jedem und jeder vorbeigehenden Mitarbeitenden stehen, schüttelt die Hand, macht einen lockeren Scherz. Bei aller Herzlichkeit verhehlt sie im Gespräch mit der SWZ aber nicht, dass sie – wenn es sein muss – auch hart sein kann: „Ich lasse mich von niemandem biegen, lasse mir nicht verbieten, meine eigene Meinung zu sagen, und ich bin mutig, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen, sofern diese zum Beispiel dem Wohl eines Unternehmens dienen.“
Bei der Sasa scheint die 47-Jährige jedenfalls aufzublühen. Selbst betont sie, ihre Haupttätigkeit sei und bleibe jedoch die Steuerberatung und die strategische Beratung: „Die Beratertätigkeit bereitet mir jeden Tag großen Spaß und ich liebe den Umgang mit Menschen.“
Der frühe Vogel
Bleibt die Frage, wie sie das alles – inklusive einmal pro Woche nach Mailand fahren – unter einen Hut bringt. „Zu sagen, dass das einfach ist, wäre eine glatte Lüge“, stellt Kofler klar. „Aber es gelingt, indem man gut organisiert ist.“ Dabei wähle sie sorgfältig aus, welche beruflichen Aufgaben sie annimmt. Zudem könne sie auf Familienmitglieder sowie loyale und kompetente Menschen im Team zählen.
Und: Astrid Kofler sagt, sie stehe bereits zwischen vier bis 4.30 Uhr in der Früh auf. Sie nutze diese ruhige Zeit unter anderem, um die Neuerungen im Steuerrecht zu studieren. „Aber ich versuche auch zunehmend, Zeit für mich selbst freizuschaufeln, was bisher immer viel zu kurz kam“, erklärt sie. Abends werde es dann mitunter spät. Für mindestens sechs Stunden Schlaf, die sie mittlerweile brauche, reiche es aber in der Regel. Ein Nachmittag pro Woche und das Wochenende seien für die Familie reserviert.
Auch wenn es noch ein Weilchen hin ist, weiß Kofler übrigens jetzt schon, dass ihr nach der Pensionierung nicht langweilig werden wird: „Ich war bereits in Mailand im Krankenhaus als Clown für Kinder unterwegs – das würde mir weiterhin Freude bereiten. Oder schwächere und ältere Menschen betreuen, die jemanden zum Reden oder zur Unterstützung brauchen.“
Als Dienst an der Gesellschaft sieht sie auch ihre öffentlichen Ämter: „Ich habe zugesagt, damit ich etwas für unser Land tun kann.“
















