Bozen – Südtirol ist für seine atemberaubende Landschaft, seine hohe Lebensqualität und seine wirtschaftliche Stabilität bekannt. Doch wie attraktiv ist die Region tatsächlich als Arbeitsland – insbesondere für junge Talente? Die Studie, die ‚Fondazione Nord Est‘, das Studienzentrum der Industriellenverbände des Nordosten Italiens durchführte, kommt zu dem Schluss: Südtirol steht im europäischen Regionen-Vergleich im Mittelfeld und riskiert den Kampf, um die besten Köpfe zu verlieren.

Abzug der in- und ausländischen Wanderungsraten bis 2040 (Prozentwerte). Grafik: Unternehmerverband
Abwanderung: 5 zu 1
Die Region steht vor erheblichen demografischen Herausforderungen: Eine niedrige Geburtenrate, eine alternde Bevölkerung und die Abwanderung junger Talente („Brain Drain“) belasten den Arbeitsmarkt. Ohne Zuwanderung könnte die Zahl der Erwerbstätigen bis 2040 um rund 32.000 Personen sinken. Zwischen 2011 und 2023 haben bereits etwa 14.000 junge Menschen die Region verlassen. Auf fünf abgewanderte Südtiroler:innen kommt nur eine zugezogene Person aus dem Ausland.
Im European Regional Attractiveness Index (ERAI) belegt Südtirol Platz 120 von 216 europäischen Regionen. Besonders attraktiv für junge Talente sind vor allem Metropolregionen wie Stockholm, Île-de-France (Paris) und Oberbayern (München). Entscheidend für die Wahl eines Arbeitsplatzes sind für die junge Generation, insbesondere ein angenehmes Arbeitsklima, eine ausgewogene Work-Life-Balance und eine faire Vergütung.

Gute Chancen, aber auch Herausforderungen
Die Studie zeigt, dass Südtirols Industrie grundsätzlich attraktive Arbeitsbedingungen bietet. Produktionsunternehmen schaffen hoch qualifizierte Arbeitsplätze mit fairen Löhnen: Im Industriesektor liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei 35.542 Euro, wobei die Bruttostundenlöhne mit der Unternehmensgröße steigen. Viele Unternehmen setzen zudem auf Internationalisierung, Innovation und Nachhaltigkeit – Faktoren, die besonders für junge Fachkräfte relevant sind.
Die Industrie trägt über 25 Prozent zur regionalen Wertschöpfung bei. Das verarbeitende Gewerbe verzeichnet, mit einer Produktivität von über 87.000 Euro pro Mitarbeiter:in, den höchsten Wert in ganz Italien.
„Wir dürfen den Kampf um Talente nicht verlieren!“ Heiner Oberrauch
„Wir dürfen den Kampf um Talente nicht verlieren“, so Heiner Oberrauch, Präsident des Unternehmerverbandes Südtirol. „Die Tatsache, dass fünf Südtiroler:innen gehen und nur eine Person aus dem Ausland zuzieht, stellt uns vor große Herausforderungen.“ Südtirol müsse als Arbeitsstandort für junge Menschen attraktiver werden – das sei eine gemeinsame Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Auch wir als Unternehmen tragen Verantwortung.“
Um Abwanderung zu stoppen, Rückkehrer zu gewinnen und internationale Talente anzuziehen, brauche es vor allem geeignete Rahmenbedingungen. Und die wären:
- Leistbares Wohnen, insbesondere mehr Mietwohnungen
- Flexible Betreuungsangebote, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren
- Exzellente Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf allen Ebenen
- Eine Universität, die Talente anzieht, mit ausreichend bezahlbaren Wohnheimplätzen
- Investitionen in Digitalisierung, um den demografischen Wandel zu bewältigen
„Wir müssen aktiv um die besten Köpfe werben. Südtirol soll nicht nur ein schöner Ort zum Leben, sondern auch ein attraktiver Arbeitsstandort bleiben“, so Oberrauch.