Bozen – Die Zwischenbilanz des Jahres 2022 ist für Südtirols Wirtschaft mehr als zufriedenstellend, schreibt das Arbeitsförderungsinstitut AFI in einer Aussendung. Der Arbeitsmarkt zeige sich weiterhin auffallend robust: Die Anzahl von Arbeitnehmer:innen hat im September 2022 (236.000) ihr Allzeithoch erreicht. Der Außenhandel schreibt Rekordzahlen (im ersten Halbjahr, Export +13,6 Prozent, Import +38,7 Prozent zum selben Zeitraum des Vorjahres). Der Tourismussektor hat sich stark erholt (+70,7 Prozent an Nächtigungen in den ersten 8 Jahresmonaten im Vergleich zum Vorjahr) und schließt fast zum Vorkrisenniveau auf (-0,2 Prozent zu 2019). Die Kreditnachfrage wächst dynamisch (+5,6 Prozent).
46 Prozent der Befragten geben an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. Das ist der höchste Wert, der jemals im AFI-Barometer gemessen wurde, seit dessen Ersterhebung im Sommer 2013.
Einziges großes Problem ist die Inflation, so das AFI. Diese ist mittlerweile in Südtirol in den zweistelligen Bereich geklettert (10,8 Prozent im September) – das sind zwei Prozentpunkte über dem gesamtstaatlichen Wert. Und: Die Beschäftigungsdynamik flacht seit Juli dieses Jahres ab.
Die Stimmung: Zweigeteilte Situation spitzt sich noch mehr zu
Die Aussichten für die Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft in den nächsten 12 Monaten verschlechtern sich wieder (aktueller Index: -14). Die Arbeitslosenzahlen dürften laut AFI stabil bleiben. Die Perspektiven für Arbeitnehmer, einen gleichwertigen Job zu finden, bleiben nach wie vor günstig. Das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, ist so gut wie nicht präsent. So viel zu den positiven Faktoren.
„Das Problem ist und bleiben die klammen Kassen der Arbeitnehmerfamilien. Hier hat sich die Situation im Vergleich zum Vorquartal noch weiter zugespitzt“, heißt es vonseiten des AFI. 46 Prozent der Befragten geben an, nur mit Schwierigkeiten über die Runden zu kommen. Das ist der höchste Wert, der jemals im AFI-Barometer gemessen wurde, seit dessen Ersterhebung im Sommer 2013. Die finanzielle Situation der eigenen Familie wird als ungünstiger beschrieben als in sämtlichen vorangegangenen Erhebungswellen. Um das Bild abzurunden: Nur eine von drei Arbeitnehmerfamilien geht davon aus, in den nächsten 12 Monaten Geld ansparen zu können.
Die Aussichten: Südtirols Wirtschaft rutscht 2023 in die Rezession ab
Bestärkt durch die gute Performance im 1. Halbjahr, hebt das AFI seine Wachstumsprognose für die Südtiroler Wirtschaft für das laufende Jahr auf +3,5 Prozent.
Zwar bleiben einige Rahmenbedingungen für die Südtiroler Wirtschaft auch 2023 günstig: nahezu Vollbeschäftigung, relativ solide Betriebe (und damit einhergehende geringe Konkurswahrscheinlichkeit), ein relativ solides Kreditsystem (mit einer überschaubaren Rate an notleidenden Krediten). Vor allem auch, wieder besser funktionierende internationale Lieferketten, womit die Mangelwirtschaft vorerst beendet sein dürfte.
„Die Mehrzahl der Faktoren signalisieren allerdings eine Verschlechterung. Zunächst dürfte das ungünstigere konjunkturelle internationale Umfeld auf alle Wirtschaftssektoren negativ abfärben“, schreibt das Forschungsinstitut. Bedingt durch den massiven Einbruch der Kaufkraft aufgrund der hohen Inflation rechnet das AFI 2023 mit einem spürbaren Konsumeinbruch. Die nur schleppende Lohndynamik werde nicht in der Lage sein, den Kaufkraftverlust auch nur annähernd zu kompensieren. Eine problembehaftete touristische Wintersaison sei vorprogrammiert (energieintensive Beherbergung und Winterssportanlagen). Die steigenden Kreditzinsen bremsen die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen deutlich ein.
Für 2023 stellt das AFI eine BIP-Prognose für die Südtiroler Wirtschaft von -0,5 Prozent. Südtirols Wirtschaft schlittert in die Rezession.
INFO Die Ergebnisse des AFI-Barometers sind im Internet unter www.afi-ipl.org/afi-barometer einsehbar.
Das AFI-Barometer erscheint viermal im Jahr (Winter, Frühjahr, Sommer, Herbst) und gibt das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmerschaft wieder. Die telefonisch geführte Umfrage betrifft 500 Arbeitnehmer und ist für Südtirol repräsentativ. Die nächsten Umfrageergebnisse werden in der zweiten Jänner-Hälfte 2023 vor-gestellt.