Katharinaberg – „Ich bin vom Dorf. Hier sein eigenes Ding zu haben, ist schon cool“, sagt Adrian Weithaler. Das „Ding“, auf das er sich bezieht, ist eine Bar samt „Dorfladele“ in Katharinaberg im Schnalstal. Sie liegt im Herzen des 200-Seelen-Dorfes, direkt gegenüber der Bushaltestelle und nur ein paar Hundert Meter von der Kirche entfernt.
Draußen steht in großen Lettern der Name der Bar: SanKathrein. Drinnen wartet der Wirt, Adrian Weithaler, 25 Jahre alt. Schwarzer Kapuzenpulli, schwarze Schildmütze, Bart. Am Handgelenk trägt er ein geknüpftes Armband, „ein Glücksbringer“, sagt er.
Ein bisschen Glück hat er im vergangenen Jahr gebraucht – und wird es wohl auch in Zukunft noch brauchen. Denn seit März 2024 ist er der Chef von SanKathrein. Während andere Geschäfte, Bars und Gasthäuser in den Zentren von Südtirols Dörfern, teilweise deutlich größeren Dörfern als Katharinaberg im Schnalstal, schließen, sperrte der junge Gastwirt auf.
Moderner Treffpunkt
Adrian Weithalers Bar und der kleine Laden sind modern eingerichtet. Holzlatten zieren die Wände, moderne Tische mit hellgrüner Polsterung warten darauf, von Gästen besetzt zu werden. Im Hintergrund läuft Popmusik. Durch die Fenster sieht man an diesem Dienstagvormittag im Dezember blauen Himmel. Autos fahren nur wenige vorbei. „Eine so moderne Bar würde man sich in einem so kleinen Dorf gar nicht erwarten, oder?“, sagt Adrian Weithaler. Er lacht. Ein bisschen Stolz klingt in seiner Stimme mit. Und, wie auch im späteren Gespräch immer wieder, die Verbundenheit zu seinem Heimatdorf.
Hier, in Katharinaberg, ist Adrian Weithaler aufgewachsen. Nach der Grund- und Mittelschule habe er eigentlich gleich die Hotelfachschule Savoy in Meran besuchen wollen. Aber weil alle seine Freunde die Wirtschaftsfachoberschule besuchten, schrieb er sich ebenfalls dort ein. „Das war nicht das Richtige für mich“, sagt er rückblickend. Er wechselte doch noch in das Hotel- und Gastgewerbe, begann eine Lehre im Hotel Adlernest in Unser Frau. Im Vier-Sterne-Hotel arbeitete er zunächst im Service, dann an der Bar. Dort merkte er, wie wohl er sich hinter dem Tresen fühlte – und wie schön es wäre, selbst über alles entscheiden zu können.
Eine zweite Chance
Nach Abschluss der Lehre liebäugelte er zum ersten Mal mit der Selbstständigkeit. Die Bar in Katharinaberg, die, in der Adrian Weithaler an diesem Tag mit der SWZ sitzt, suchte bereits vor einigen Jahren einen Pächter. „Ich habe zu der Zeit mit dem Gedanken gespielt, die Bar zu übernehmen, und habe mich darüber informiert. Aber ich war einfach noch zu jung.“ Dass sich dieselbe Chance wenig später noch einmal ergeben würde, wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Anstatt die Bar zu eröffnen, entschied er, sich weiterzubilden. Er meldete sich für eine einmonatige Ausbildung zum Barkeeper an der „European Bartender School“ in Wien an. „Für mich war es ein riesiger Schritt, nach Wien zu gehen. Es hat mich viel Überwindung gekostet“, sagt Adrian Weithaler.
Vier Wochen lang erlernte er alle Fertigkeiten, die an der Bar nötig sind, eignete sich Wissen an, wie beispielsweise Spirituosen entstehen, wie die Basisrezepte für Cocktails zusammengesetzt sind und wie Flairbartending funktioniert („das ist die Art von Barkeeping, bei der Flaschen rumgeworfen werden“, erklärt Weithaler). Aus Wien kam der junge Schnalser mit jeder Menge Rezepte für neue Getränke zurück.
Piña Colada, Gin Tonic oder Negroni
Das Cocktail-Mixen sei wie Kochen, sagt er. Man könne dort kreativ sein und vieles ausprobieren. Seine Leidenschaft für Mischgetränke ist in der Bar in Katharinaberg nicht zu übersehen. Die Bar ist Adrian Weithalers Haupteinnahmequelle, der Laden laufe eher nebenbei, erklärt er. Hinter dem Tresen stehen schön aufgereiht zig verschiedene Spirituosen und Liköre in allen möglichen Farben, im Lager hinter der Bar noch viele weitere. In der Speisekarte ist nur eine kleine Auswahl davon zu finden.
Adrian Weithaler nimmt eine der Speisekarten zur Hand und beginnt, darin zu blättern. „Cocktails“, steht am oberen Rand einer Seite. Gleich darunter: Corn N’Oil, der Lieblingscocktail des 25-Jährigen. Den kenne er aus Wien, erzählt er. Darunter liest man die Namen vieler weiterer Getränke. Nur wenige davon sind bekannte Namen wie Piña Colada, Gin Tonic oder Negroni. „Die Klassiker kennen die meisten, die mache ich sowieso. Aber wenn neue Namen da stehen, dann probieren die Gäste auch etwas Neues.“ Mittlerweile kenne er den Geschmack vieler seiner Gäste. „Die müssen gar nichts in der Karte auswählen. Bei denen weiß ich Bescheid.“ Sein Gedächtnis und die Fähigkeit, sich an Menschen zu erinnern, bezeichnet der 25-Jährige als eine seiner Stärken. Das sei in der Gastronomie wichtig. „Es kommt gut an, wenn man beim Aufnehmen der Bestellungen fragen kann ‚das Gleiche wie gestern?‘.“
Wer beispielsweise zum Skifahren ins Schnalstal fährt, kommt nicht direkt an Adrian Weithalers Bar vorbei. „Den Winter müssen wir irgendwie überbrücken“, sagt er.
An einem der Tische in der Nähe des Tresens haben mehrere Männer Platz genommen. Sie kommen fast jeden Tag, immer ein bisschen nach zehn Uhr. „Der Mann mit dem Hut trinkt immer einen Macchiato und ein Sportwasser oder manchmal einen roten Bitter. Der gegenüber trinkt dasselbe“, flüstert Weithaler. „Der andere hingegen bestellt immer einen Schwarzen und ein Sportwasser.“
„So ein Ort ist wichtig“
Ein dreiviertel Jahr ist mittlerweile vergangen, seit Adrian Weithaler im März 2024 die Bar und den Dorfladen eröffnete. Einige Monate davor war bekannt geworden, dass die vorherigen Pächter die Bar nicht mehr weiterführen würden. Also beschloss der 25-Jährige gemeinsam mit seiner Mutter, SanKathrein weiterzuführen. Der Vater, in Rente, hilft ebenfalls oft aus. Auf dem Papier ist Adrian der Chef, in der Praxis treffe er aber alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam mit der Mutter, sagt der Wirt.
Als das Dorf gehört habe, dass die Bar weitergeführt wird, seien viele erleichtert gewesen, erinnert er sich. „So ein Ort ist sehr wichtig. Man trifft sich, man tauscht sich aus.“
Wie das Geschäft bisher gelaufen ist, fragen wir. „Es läuft gut, besser als erwartet.“ Dann denkt er kurz nach und ergänzt: Im Sommer sei das Geschäft super gelaufen, da sei die Terrasse oft voll gewesen. Viele Wanderungen rund um Katharinaberg beginnen direkt im Dorf, sodass viele Menschen an der Bar vorbeispazieren und einkehren. „Der Winter ist hingegen schwierig“, sagt Adrian Weithaler.
Ruhiger Winter
Katharinaberg liegt taleinwärts auf der rechten Seite, allerdings nicht an der Hauptstraße. Um ins Dorf zu gelangen, muss man eine Abzweigung nehmen und etwa zwei Kilometer den Berg hinauffahren. Wer beispielsweise zum Skifahren ins Schnalstal fährt, kommt nicht direkt an Adrian Weithalers Bar vorbei. „Den Winter müssen wir irgendwie überbrücken. Aber das ist in weiten Teilen des Schnalstales so“, sagt er mit einem Schulterzucken. In den nächsten Monaten will er ein paar Events organisieren, um mehr Gäste in die Bar zu locken. Ein Cocktailabend schwebt ihm vor und ein Tanzabend. Wie der junge Gastwirt so erzählt, bekommt man den Eindruck, dass er zwar über die ruhigen Monate nachdenke, sich davon aber nicht beunruhigen lasse.
Hilfreich seien die Beiträge des Landes, sagt er. „Ohne die wäre es schwierig, auch wenn der Sommer noch so gut läuft.“ Noch etwas sieht er als Vorteil, nämlich, dass er keine Angestellten hat und im Unternehmen nur die Familie arbeitet. So halte sich das unternehmerische Risiko in Grenzen.
Angst, dass die Bar eines Tages leer bleibt, wie einige andere Gastbetriebe im Land, hat er nicht. „Die Leute kommen gerne, das Lokal ist beliebt.“ Damit das so bleibt, müsse ein Gastwirt allerdings auch etwas bieten. Die Atmosphäre müsse passen, die Leute müssen sich wohlfühlen, „und man muss etwas Besonderes im Angebot haben“. Im Falle von SanKathrein seien das die Cocktails und Aperitifs. Jetzt im Winter hat Weithaler beispielsweise auf der ersten Seite der Getränkekarte die „Winterspecials“ aufgelistet: Winter Spritz, Spicy Winter und Femme Fatale. Auch im Laden hinter der Bar hat er ein paar Besonderheiten im Angebot. Im Regal stehen Nudeln, Sojasauce, Obst, Brot und Hygieneartikel. Durch die Scheiben des Tiefkühlregals sind Pizzen und Frühlingsrollen zu sehen. „Meistens haben wir auch Sushi im Angebot“, sagt der 25-Jährige.
Der größte Traum
Die Selbstständigkeit schätze er, sagt Adrian Weithaler. Selbstständig zu sein bedeute für ihn, frei zu sein und Entscheidungen treffen zu können. Und dann sagt er etwas, das seine große Leidenschaft für die Gastronomie zum Ausdruck bringt: Seine Zeit in der Bar würde sich nicht wie Arbeit anfühlen.
Abends, nach Ladenschluss, oder wenn wenig los sei, stelle er sich oft an den Tresen, erzählt er, um neue Cocktails zu mixen oder seine Rezepte zu verfeinern. Einer seiner größten Träume sei es, irgendwann selbst eine Cocktailbar zu besitzen. Das Lokal müsse auch gar nicht groß sein. „Ich stehe an der Bar, mixe Getränke, ein Kellner serviert diese und es gibt besondere Snacks. Das war’s.“ Sein Heimatdorf sei für eine solche Geschäftsidee zu klein. Außerhalb des Schnalstales, in Naturns beispielsweise, könne sie hingegen ankommen. „Aber das ist nur ein Traum. Zuerst fange ich hier mal klein an“, sagt Adrian Weithaler. Den ersten Schritt hat er schon gemacht.
DIE SERIE In der Serie „Jung & hungrig“ stellt die SWZ junge Menschen in und aus Südtirol mit den verschiedensten Lebensläufen vor. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie sind jung und hungrig nach Erfolg. Alle bisher erschienenen Artikel aus der Reihe finden Sie auf SWZonline und in der SWZapp.