Bozen – „Mit Airbnb kannst Du Deinen ungenutzten Wohnraum zu Geld machen.“ Mit diesen Worten empfängt Airbnb Menschen, die sich als Gastgeber auf der Onlineplattform registrieren möchten. Bei Airbnb geht es um Sharing Economy, um die Ökonomie des Teilens.
„Wir sind in 190 Ländern, 34.000 Städten, heute Nacht allein haben wir 400.000 Gäste, jede Minute werden 277 Übernachtungen gebucht ….“, wurde Airbnb-Mitgründer Joe Gebbia kürzlich im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitiert (Ausgabe 10/2015). Bei Airbnb geht es um viel Geld, das Urlauber und Geschäftsreisende oft an Private zahlen, die zum Teil keine Steuern darauf entrichten und sich an keine anderen gesetzlichen Auflagen halten, wie es Hoteliers oder Vermieter von Ferienwohnungen tun müssen. Airbnb wird deshalb häufig kritisiert.
Auf Airbnb tummeln sich jedoch nicht nur Private, die ihre Wohnung, ihr Haus oder Teile davon an Reisende vermieten – das war der Ausgangspunkt von Airbnb, doch das Spektrum der Anbieter ist mittlerweile sehr viel breiter. Das Walliser Tourismus Observatorium hat kürzlich die Marktpräsenz der Übernachtungsplattform in der Schweiz untersucht und dabei unter anderem herausgefunden, dass inzwischen jede zwölfte Hotelnächtigung in der Schweiz nicht mehr im Hotel direkt gebucht, sondern über Airbnb vermittelt wird. Und auch in Südtirol nutzen gewerbliche Beherbergungsbetriebe, offizielle Privatvermieter oder „Urlaub am Bauernhof“-Anbieter die Seite als Verkaufsplattform. „Airbnb ist sehr bekannt und bietet eine hohe Sichtbarkeit. Die Beherbergungsbetriebe kämpfen heute um jeden Gast und versuchen, alle Verkaufskanäle zu nutzen“, erklärt HGV-Vizedirektorin Ester Demetz. „Der zusätzliche Kommunikations- und Verkaufskanal Airbnb ist eine Form der Diversifizierung im Vertriebsbereich“, fügt Andreas Tschurtschenthaler an, Unternehmenssprecher von Südtirol Marketing (SMG).
Alles in allem dürften es zwischen 600 und 1.000 Gastgeber sein, die in Südtirol Unterkünfte über Airbnb anbieten, zumindest legt das eine Suche auf der Internetseite nahe: Gibt man den Begriff „Bozen“ bzw. „Bolzano“ in die Suchmaske ein, erhält man etwa 570 Treffer, zu „Südtirol“ bzw. „Alto Adige“ gibt es jeweils mehr als 1.000 Treffer. Eine genaue Zahl zu nennen, ist schwierig, zum einen, weil sich das Angebot täglich ändert, zum anderen, weil die Suchmaschine auch Unterkünfte in benachbarten Gegenden zur Ergebnisliste hinzufügt.
Offizielle Zahlen dazu, wie viele Nächtigungen in Südtirol jährlich durch Buchungen über Airbnb generiert werden, gibt es nicht – sehr wohl aber Schätzungen. „Wir gehen davon aus, dass es einige tausend nicht legale Nächtigungen sind“, sagt HGV-Präsident Manfred Pinzger. „Also solche, die in Unterkünften zustandekommen, die mitunter die gesetzlichen Bestimmungen nicht befolgen.“ Und diese Bestimmungen sind für behördlich zugelassene Beherbergungsbetriebe zahlreich: von Lizenzen über die polizeiliche Gästemeldung und die Ortstaxe, die Reisende über ihre Unterkunft bezahlen müssen, bis hin zu Steuern und Abgaben.
HGV-Vizedirektorin Demetz weist darauf hin, dass es schwierig sei, alle Unterkunftsanbieter auf Airbnb, die keine lizenzierten Beherbergungsbetriebe sind, über einen Kamm zu scheren. „Es stellen sich Fragen wie: Handelt es sich um eine reine Vermietung, um eine reine Zurverfügungstellung einer Wohnung oder Ähnliches, oder werden zusätzliche Dienstleistungen geboten, etwa Frühstück und eine Stadtführung? Falls es eine reine Vermietung ist, muss man fragen, ob der Mietvertrag registriert wurde etc.“, führt Demetz aus. „Und auch die oft gehörte Kritik, viele Airbnb-Gastgeber würden die anfallenden Steuern nicht abführen, kann erst bewiesen werden, wenn man deren Steuererklärungen einsieht und dort keine Nebeneinkünfte angegeben sind.“
Der Teufel liegt demnach im Detail. Und bei Airbnb selbst unterstreicht man, dass die Gastgeber aufgefordert werden, sich über lokale Bestimmungen und Gesetze zu informieren. „Wenn sich jemand als Gastgeber auf unserer Seite anmeldet, dann erscheint am Ende der Registrierung ein Erinnerungsfenster, durch das dem Gastgeber verschiedene Pflichten ins Gedächtnis gerufen werden“, sagt Airbnb-Sprecherin Paula Kadelski. „Außerdem gibt es auf unserer Seite die Rubrik ‚Responsible hosting‘; dort finden sich viele wichtige Hinweise für Gastgeber und solche, die es werden möchten.“ Denn gerade der gesamte Bereich, der Genehmigungen, Steuern usw. betrifft, sei „sehr sensibel, und die Gastgeber sollten sich ernsthaft damit befassen“.
Kadelski erklärt zudem, dass Airbnb mit Regierungen und Gesetzgebern aus aller Welt zusammenarbeitet, „um die zum Teil veralteten Gesetze anzupassen und für unsere Community eindeutiger, fairer und moderner zu machen. Dabei sehen wir große Fortschritte. Viele Politiker erkennen den positiven Einfluss, den Airbnb auf die lokale Wirtschaft hat. So haben zum Beispiel Amsterdam und Dänemark vor Kurzem Gesetze verabschiedet, die das kurzfristige Vermieten und Airbnb besser regeln.” Auch in Mailand wurden kürzlich – im Hinblick auf die 20 Millionen Gäste, die ab Mai zur Expo erwartet werden – Richtlinien zur Sharing Economy festgelegt. „Milano Sharing City” nennt sich das Projekt, durch das die Ökonomie des Teilens anerkannt wird und sich weiterentwickeln soll.
Doch in vielen Gegenden gibt es noch keine entsprechenden Regelungen vonseiten der öffentlichen Hand, und es ist anzunehmen, dass sich viele der privaten Gelegenheits-Airbnb-Gastgeber nicht an alle Pflichten halten, auf die Airbnb hinweist. Sehr zum Ärger derjenigen, die sich beruflich täglich mit Auflagen und Bürokratie rund um Beherbergung und Betreuung von Reisenden auseinandersetzen müssen. „Wir sind“, betont HGV-Präsident Pinzger, „nicht strikt gegen Angebote wie Airbnb. Wir sind für Arbeiten unter denselben Voraussetzungen. Deshalb muss das Angebot geregelt und für alle Anbieter auf eine legale Basis gebracht werden.“ Diese Forderung teilt er mit Hoteliers und gewerblichen Anbietern in aller Welt, die sich von Airbnb auf die Füße getreten fühlen.
Vor allem im Städtetourismus, für Kurzurlauber und im Businessbereich, etwa während großer Messen oder Kongresse, ist Airbnb ein immens wachsendes Phänomen – und ein erfolgreiches: Im Jahr 2014 reisten im Schnitt eine Million Gäste pro Monat mit Airbnb; die bisherige Spitzennacht mit mehr als 425.000 Nächtigungen wurde im vergangenen Sommer registriert.
Doch warum ist das Konzept so erfolgreich? Die Angebote gelten – gerade in Städten – oft als günstig. Doch auch das junge, hippe Image des Unternehmens zieht Kunden an. „Wir stellen fest, dass Kunden neue kreative Ideen gut finden. Der Kunde findet es cool, privat zu wohnen und in die Lebensbereiche der Menschen zu schauen. Er macht sich dabei allerdings keine Gedanken um Versicherung und weiteren Schutz“, sagt SMG-Sprecher Tschurtschenthaler.
Und vielleicht ist Airbnb auch eine Chance für die Destination Südtirol: Die Plattform arbeitet zum großen Teil mit jungen Kunden, in Italien beträgt der Altersdurchschnitt der Airbnb-Reisenden 36 Jahre, mehr als 40 Prozent sind jünger als 30 Jahre – und es ist eine sehr internationale Gästegruppe, da die Website weltweit bekannt ist. Airbnb könnte also dafür sorgen, dass Südtirol-Urlauber jünger werden und dem Land neue Märkte erschließen.
Als ernsthafte existenzielle Gefahr für den Südtiroler Tourismus – oder für die traditionellen Beherbergungsbetriebe sieht HGV-Präsident Pinzger Airbnb und ähnliche Anbieter nicht. „Wir sind eine klassische Feriendestination in einer vorwiegend ländlichen Gegend, da kommt diesem Angebot keine so große Bedeutung zu wie in Städten und im Businessbereich; am ehesten könnte es zum Beispiel Bozen während Messen betreffen.“
SMG-Sprecher Tschurtschenthaler bezeichnet Airbnb als „Herausforderung für den traditionellen Tourismus, zu lernen, wie attraktive Formen und Angebote des Urlaubs ohne enorme Investitionen aussehen könnten“. Die Idee „Airbnb“ wächst und entwickelt sich ständig weiter. „Technik – in diesem Fall die neuen Medien – ermöglicht eine schnelle Verbreitung und überholt behäbige etablierte Organisationen“, so Tschurtschenthaler. „Alle neuen Ideen sind immer auch Konkurrenz für Etabliertes, das betrifft alle Branchen.“
Dem Walliser Tourismus Observatorium zufolge breitet sich Airbnb schnell aus – nicht nur in den städtischen Regionen, sondern auch in den ländlichen Gegenden. „Die Tourismusbranche muss sich auf jeden Fall für einen Umbruch wappnen, der bereits im Gang ist“, heißt es in der Studie.