Bozen – „Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“, lautet ein geflügeltes Wort. Das gilt umso mehr in Coronazeiten. Trotzdem hat das Landesstatistikinstitut Astat im Mai eine Prognose gewagt: Südtirols Bruttoinlandsprodukt wird heuer um 7,3 Prozent gegenüber 2019 schrumpfen. Das wären dann also knapp 93 Prozent der letztjährigen (Rekord-)Wirtschaftsleistung, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die Prognose im Herbst revidiert wird. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo der Handelskammer ist pessimistischer und geht von einem Minus zwischen sieben und elf Prozent aus.
So oder so hat der Einbruch historische Ausmaße. Für die meisten Südtiroler Unternehmen sind die Bilanzen 2019, die sie in den vergangenen Wochen genehmigt haben (siehe Unternehmensrangliste in dieser SWZ), eine letzte Erinnerung an bessere Zeiten.
2020 wird Südtirols Wirtschaft inflationsbereinigt auf das Niveau von 2014 zurückfallen, wenn es nach dem Astat geht. Behält das Wifo mit seinem pessimistischsten Szenario recht, dann sind es zwei, drei Jährchen mehr. Das klingt nicht dramatisch. Warum also sollten plötzlich Existenzen auf dem Spiel stehen? 2014 ging es uns doch auch nicht schlecht, oder? Weshalb sollte die Rückkehr zur damaligen Wirtschaftsleistung plötzlich eine Katastrophe sein?
Nicht alle trifft es gleich hart
Ja, weshalb? Erstens verteilte sich die Wirtschaftsleistung damals auf drei Prozent weniger Bevölkerung. Zweitens – und das ist der größere Haken – trifft der Rückschritt nicht alle Unternehmen und Familien gleichermaßen. Die Bediensteten des öffentlichen Sektors etwa, aber auch viele Erwerbstätige in der Privatwirtschaft beziehen derzeit Einkommen in unveränderter Höhe. Bestimmte Personengruppen und Sektoren trifft die Krise umso härter. Müssten alle linear auf sieben bis elf Prozent verzichten, wäre das Problem verkraftbarer.
Das ist der Grund, warum die „90-Prozent-Ökonomie“, wie sie die britische Wochenzeitung The Economist unlängst nannte, nicht funktioniert. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft sind auf Wachstum getrimmt. Bleibt es aus, sind Verwerfungen vorprogrammiert. Italien weiß ein Lied davon zu singen.